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Erste Hilfe vom Mini-Drakula

Medizin. - Die Vampirfledermaus lebt vom Blut der Säugetiere und ist in Lateinamerika eine Landplage. Eine Aachener Firma kann den verrufenen Tieren dennoch etwas Nützliches abgewinnen: Denn das Speichelsekret der fliegenden kleinen Blutsauger enthält auch eine Substanz, aus der möglicherweise ein neuer Wirkstoff für die Therapie von Schlaganfällen gewonnen werden kann. Eine Studie untersucht bereits, ob die Arznei möglicherweise dann noch helfen kann, wenn andere Präparate bereits versagen.

Michael Fuhs |
    Blut gerinnt, damit sich Wunden schnell verschließen. Entstehen Gerinnsel jedoch innerhalb des Blutkreislaufes und werden sie dann in das Gehirn gespült, können sie sich dort festsetzen. Das führt zu einem Schlaganfall.

    Beim Schlaganfall kommt es zum Verschluss eines Gefäßes im Gehirn, die dahinter liegende Gehirnsubstanz bekommt dann kein Blut und keinen Sauerstoff mehr und stirbt innerhalb sehr kurzer Zeit ab.

    …so Professor Werner Hacke, Schlaganfall-Experte von der Universitätsklinik Heidelberg. Ein Teil der Gehirnzellen stirbt jedoch nicht sofort, sondern fällt nur in eine Art Koma. Und diese Zellen können wieder belebt werden, wenn das Blutgerinnsel schnell genug aufgelöst wird. Die Medikamente dafür dürfen aber bisher nur bis zu viereinhalb Stunden nach einem Schlaganfall gegeben werden, da sonst die Risiken für weitere Blutungen im Gehirn den erwarteten Nutzen der Therapie übersteigen.

    Damit werden natürlich sehr vielen Patienten, die auch einen Schlaganfall hatten, die Chancen genommen, so behandelt zu werden und wir sind einfach bis heute noch nicht sicher, ob nach drei Stunden oder besser nach viereinhalb Stunden tatsächlich noch eine sichere Wirksamkeit vorhanden ist. Oder ob dann nicht tatsächlich die Zahl der Blutungen so stark zunehmen würde, dass man nicht mehr mit gutem Gewissen diese Therapie machen könnte.

    Doch welcher Nutzen wirklich erwartet werden kann, wurde für die Zeit nach viereinhalb Stunden noch gar nicht so genau untersucht. Deshalb sind die gerinnungslösenden Medikamente nur für diesen Zeitraum zugelassen. Die meisten Patienten schaffen es aber nicht, innerhalb dieser viereinhalb Stunden in ein Krankenhaus zu kommen. In einer Studie schätzten die Ärzte die Chancen des Patienten nun nicht mehr nach der Zeit ein, die seit dem Schlaganfall vergangen war, sondern nach Gewebeaufnahmen, die sie mit Magnetresonanztomographie, kurz MRT, machten. Auf den MRT Bildern des Gehirns sehen sie, welches Gewebe abgestorben ist und welches Gewebe eine Chance auf Wiederbelebung hat. Nur wenn es diese Chance auf Wiederbelebung gibt, ist es sinnvoll, die Risiken in Kauf zu nehmen und einen gerinnungslösenden Wirkstoff zu geben. Als Wirkstoff testeten die Ärzte das Protein Desmoteplase. Forscher haben es im Speichel der Vampirfledermaus gefunden. Sie lebt in Lateinamerika, überfällt vorzugsweise Rinder und saugt bis zu 30 Minuten lang ihr Blut. Dazu muss die Vampirfledermaus aber die Blutgerinnung des Rindes hemmen, und genau das erledigt das Demoteplase-Protein in ihrem Speichel. Es löst die Blutgerinnsel, die sich an der Wunde bilden, sehr effektiv auf. Dr. Wolfgang Söhngen, Gründer und Geschäftsführer der Firma Paion, die das Desmoteplase-Protein zum Wirkstoff entwickelt hat:

    Die Tiere haben kein anderes Nahrungsmittel als Blut und das ist eben auch ein bisschen die Erklärung dafür, warum das Protein so spezifisch ist, denn das Überleben der Fledermaus ist davon abhängig, dass dieses Protein exzellent funktioniert, das heißt über die Evolution ist dieses Protein absolut hochspezialisiert worden.

    Daher die großen Hoffnungen an den neuen Wirkstoff, der jetzt getestet wurde. In der so genannten Phase 2 Studie haben die Ärzte 24 Stunden nach der Behandlung den Erfolg wieder mit MRT Bildern kontrolliert. Und sie beobachteten, dass Gehirngewebe, das im Koma lag und ohne Behandlung endgültig abgestorben wäre, wieder lebte. Und das selbst bei Patienten, die erst neun Stunden nach dem Schlaganfall in das Krankenhaus kamen. Zusätzlich zu diesem Erfolg sieht Werner Hacke auch noch andere positive Resultate mit dem neuen Wirkstoff.

    Es gibt einmal die Tatsache, dass im Gegensatz zu halt dem anderen Medikament, offensichtlich keinerlei direkte schädigende Wirkung durch diese Substanz auf Nervenzellen erfolgen kann, was bei dem anderen möglich ist. Es gibt den großen Vorteil, dass es eine Einmalgabe ist, dass man die Leute nicht jetzt eine Stunde lang an einer Infusion haben muss. Und so weiter und so fort. Also, es gibt da schon einige Aspekte, die annehmen lassen, dass es günstiger und auch besser einsetzbar sein könnte.

    Doch jetzt muss der neue Wirkstoff, der noch nicht zugelassen ist, in der so genannten Phase 3 Studie an mindestens 600 Patienten endgültig beweisen, dass er nicht nur in MRT Bildern zu Verbesserungen führt, sondern wirklich die Symptome von Schlaganfall-Patienten mindert. Das konnte bisher noch nicht bewiesen werden, da die Zahl der Patienten, die an der ersten Studie teilnahmen, zu klein war.