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Erste Wahl oder Übergangslösung?

Die Münchner Philharmoniker suchen einen Nachfolger für Christian Thielemann, der die Stadt in Richtung Dresden verlässt. Verhandelt wird derzeit mit Altmeister Lorin Maazel - allerdings nur als Interimslösung.

Von Holger Noltze |
    Nein, so richtig sexy wäre die Sache nicht, wenn sie denn wirklich wahr würde, Lorin Maazel, den dann 80-Jährigen, der vor ein paar Monaten seinen Abschied vom New York Philharmonic genommen hat, nach München zu holen. Als klar wurde, dass Thielemann in München nicht zu halten (und sein Drang nach Dresden kaum aufzuhalten) sein würde, da veranstaltete das Feuilleton der "Süddeutschen" eine ganze Sonderseite zum Träumen: lauter junge, blitztalentierte Dirigenten und auch wenige Dirigentinnen der Generation nach Thielemann, die man sich mal vorstellen wollte für die renommierten, aber doch ein wenig geschundenen Philharmoniker.

    Da wäre die eine oder andere sexy Lösung dabei gewesen, aber es war auch klar: Die Begehrtesten sind kurzfristig nicht zu haben, und für die ganz jungen ist München noch zu früh. Dazu die Schwierigkeit, zu finden, was man tatsächlich sucht: eine Erlöserfigur. Denn der oder die Neue würde Wunder wirken müssen, um Münchens Philharmoniker neben dem unter Mariss Jansons überlegenen Symphonieorchester des BR aus einem Dornröschenschlaf zu wecken, in dem es gelegentlich schöne Träume mit Bruckner, Brahms und Beethoven gab, aber bei Weitem nicht die Bandbreite des Repertoires, das man heute von einem Spitzenorchester erwarten kann. Und noch ein Problem: Denn schon Thielemann war als Erlöser angetreten, und für gescheiterte Erlöser sind Nachfolger noch schwerer zu bestellen als für erfolgreiche.

    Nun wollen die, die in München das Gras wachsen hören, gehört haben, man verhandele mit einem, der auf der Longlist der kommenden Superstars gar nicht gestanden hatte, und wir wollen jetzt hier ganz leise munkeln, um die sicher komplizierten Verhandlungen nicht zu belasten. Solche Dinge sind ja heikel, zumal wenn es um viel Geld geht, und Maazel soll ja einer der teuersten der uns so Teuren sein. Dafür ist er auch einer der Besten, der ewige Überflieger der Musik, das Wunderkind, der Meister auf der Geige, der elegante Alleskönner mit dem Ehrgeiz, auch noch Komponist zu sein, der Maestro perfetto in Cleveland, Wien, London, New York und anderswo - ja auch, immerhin von 1993 bis 2002 in München, bei der BR-Konkurrenz.

    Man kann also wissen, um wen man wirbt. Als künstlerischer Leiter des Palau de les Arts in Valencia hat er zuletzt noch und fast aus dem Nichts einen sensationellen Klangkörper aufgebaut. Wenn Geld also keine Rolle spielt, dann kann man mit Maazel rechnen. Dann könnte der alte Hase das symphonische Konkurrenzgeschäft an der Isar noch einmal sehr beleben.

    Die Rede ist von einer Interimszeit, von drei Jahren. Und insofern wäre das doch eine ein bisschen sexy Lösung. Denn dann könnte man sich die Liste der Jungen noch mal in Ruhe anschauen.