Samstag, 20. April 2024

Archiv

Erster Weltkrieg
Analogien zur Krim-Krise

Der Historiker Jörn Leonhard vergleicht die politische Motivation Russlands in der Krim-Krise mit der Motivation einiger Staaten in der Krise in Europa vor dem Ersten Weltkrieg 1914. In beiden Fällen gebe es postimperiale Staaten, die sich bedroht fühlten, sagte er im DLF. Die geschichtspolitische Dimension von untergegangenen Imperien dürfe nicht unterschätzt werden.

Jörn Leonhard im Gespräch mit Peter Kapern | 30.03.2014
    Versammelte Berliner Bürger warten am 01.08.1914 auf eine bevorstehende Rede des deutschen Kaisers Wilhelm II vor dem Stadtschloss in Berlin. Der Kaiser sprach kurz darauf zum Kriegseintritt Deutschlands und verkündete die allgemeine Mobilmachung.
    Rede des deutschen Kaisers Wilhelm II vor dem Stadtschloss in Berlin am 1.8.1914. (picture alliance / dpa )
    Wladimir Putin spiele sehr erfolgreich auf der "geschichtspolitischen Klaviatur". Man erlebe im Moment, dass die objektive Situation für politisches Handeln nicht immer maßgeblich sei. Zwar sei Russland nicht, wie andere Staaten vor 1914, eingekreist, aber seine subjektive Wahrnehmung von Bedrohung werde zum Element politischen Handelns.
    Westeuropa - "zugespitzt die Zentrale der NATO und die EU" - habe die Bedeutung von postimperialen Räumen wie Russland nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion lange Zeit unterschätzt. Die hätten sehr viel mit der Geschichte des Ersten Weltkriegs zu tun, wo es in den Räumen der ehemaligen Großmächte keine stabile Staatlichkeit gegeben habe.
    Leonhard ist Autor des Buches "Die Büchse der Pandora - Geschichte des Ersten Weltkriegs". Er sieht keinen Alleinschuldigen am Ausbruch des Krieges. Vielmehr sei es ein Zusammenspiel aus unterschiedlichen Logiken der Akteure aus Politik und Militär sowie des Zusammenbruchs politischer Kommunikation gewesen, das den Krieg ermöglicht hat.
    Das gesamte Gespräch können Sie mindestens fünf Monate in unserem Audio-Bereich nachhören.