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Erster Weltkrieg
Leidenschaft entfachen, Stolz und Patriotismus stärken

Mit Musik soll bekanntlich alles leichter gehen, auch der Krieg. Allein in den USA wurden während der vier Jahre des Ersten Weltkrieges tausende Kriegslieder geschrieben. Jetzt ist eine 3er-CD erscheinen, die 60 amerikanische und britische Lieder dieser Zeit in Originalaufnahmen zu Gehör bringt. Aber leider auch nicht mehr.

Von Veronika Bock | 05.04.2014
    Die ersten deutschen Soldaten überqueren zu Beginn des 1. Weltkriegs 1914 die französische Grenze.
    Lieder sollten den Soldaten helfen, freudig in den Krieg zu ziehen. (picture alliance / dpa)
    August 1914. Ein irisches Bataillon der britischen Armee ist in Frankreich gelandet. Und zieht mit einem Lied auf den Lippen durch Boulonge: "It’s a Long Way to Tipperary". Die "Daily Mail" berichtet darüber und nur drei Monate später nimmt der irische Startenor John McCormack das Lied auf. Es erzählt von der Sehnsucht des typischen Iren, der sich als Gastarbeiter im Ausland nach seiner uririschen Freundin sehnt. Der Song wird zur inoffiziellen Hymne aller britischen Soldaten.
    Leidenschaft entfachen, Stolz und Patriotismus stärken, darum geht es bei vielen Liedern. Sie sollen die jungen Männer davon überzeugen, freiwillig und freudig in die Schlacht zu ziehen. Gleich bei Kriegsbeginn werden erste Rekrutierungslieder veröffentlicht, für Frauenstimmen geschrieben. Sie sollen die noch unschlüssigen Männer werben. Dein König und dein Land brauchen Dich, schmettert 1914 Helen Clarke. Der Erlös der Schallplatten fließt in Queen Marys Work for Women Fund.
    Der Krieg als notwendiges, aber auch als freudiges Ereignis. Unabwendbar, unerlässlich und auch irgendwie schön. "Oh What A Lovley War", heißt ein sehr populäres Lied. Sorgen werden nur thematisiert, um sie gleich wieder zu vergessen. "Pack sie in einen Seesack", empfiehlt Murray Johnson.
    Ein Lied, das es auch in einer holländischen und spanischen Version gibt. Denn an allen Fronten wird gesungen, auch an der Heimatfront und der Gegenfront. Bereits vor ihrem Kriegseintritt 1917, entstehen in den Vereinigten Staaten erste Antikriegslieder. Nehmt mir meinen Sohn nicht weg, fleht eine Mutter, sein Vater und seine drei Brüder sind schon fort. In einem anderen Lied heißt es: "Ich habe meinen Sohn nicht zum Krieger erzogen."
    Närrische Menschen, die diesem Lied applaudieren, würden auch einem Lied Beifall spenden, den Titel hätte: Ich habe mein Mädchen nicht erzogen, um Mutter zu werden, kritisiert Präsident Theodore Roosevelt. Das Lied polarisiert und zieht gleichzeitig unzählige Parodien nach sich: "I Didn't Raise My Dog To Be A Sausage" oder passend zu der Zeit, in der Frauen mit Macht nach dem Wahlrecht strebten: "I Didn't Raise My Girl To Be A Voter".
    Die Rose aus dem Niemandsland, die Rotkreuzschwester, auch sie wird Gegenstand von inbrünstigen Liedern. Ihr Einsatz wird gewürdigt, ihr Mut und ihre Opferbereitschaft. In den Kriegsjahren kommen selbst aus Japan und Australien Krankenschwestern nach Europa, um hier das Elend zu lindern, sie helfen Freunden wie Feinden, sie sind für alle gleichermaßen da. 1917, noch mitten im Krieg wird das IKRK mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet, dem einzigen, der in diesen Jahren vergeben wird.
    60 Lieder sind auf den CDs, aber auch nur die Lieder. Außer den Titeln und den jeweiligen Interpreten ist nichts vermerkt. Noch nicht einmal das Aufnahmedatum und ob es sich um einen britischen oder amerikanischen Song handelt. Wer ihn in welcher Zeit schrieb, in welchem Zusammenhang er zum Kriegsgeschehen stand? Fehlanzeige. Dabei gäbe es einiges zu berichten und noch mehr zu erklären. Warum zum Beispiel eine Nähmaschine besungen wird, oder man den Lebensmittelkontrolleur nicht fürchten muss. Ein Lied das entstand, als in den Kriegszeiten gehungert wurde. Aber all das rauscht, wie die Originalaufnahmen, an einem vorbei. Ohne jegliche Erläuterung klingen die Lieder zwar mal patriotisch, mal melancholisch, sentimental, zackig oder auch humorvoll, aber sie erzählen, insbesondere auch deutschen Ohren, wenig bis nichts. Schade. Denn eigentlich ist die Musikgeschichte des 1. Weltkrieges sehr spannend und interessant, man muss sie nur auch erzählt bekommen. Nur singen hilft da nichts, auch wenn es klingt.
    CD-Infos: "Songs Of World War 1", Label: Go Entertainment, Katalognummer: GO3CD 73312, EAN: 5051255733125. Preis 8,99 Euro.