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Erstes Album des Duos Soft Hair
Exzentrischer Elektropop

Sam Dust und Connan Mockasin glänzen jeder seit Jahren mit fantasievollem Indiepop ohne Angst vor kruden Ideen. Jetzt haben sich der Waliser und der Australier zum Duo Soft Hair zusammengetan. Dabei wollen sie vor allem eins: rätselhaft bleiben - und auf keinen Fall irgendwas bedienen oder irgendwem gefallen.

Von Bernd Lechler |
    Sam Dust (rechts) und Connan Mockasin, vom walisisch-australischen Duo Soft Hair, blicken in die Kamera. Sie sind mit nacktem Oberköper abgebildet, tragen lange Perücken und eine große, gelbe Schlange um den Hals. Dust hat eine Blume im Haar und hält einen grünen Apfel in der Hand.
    Eigen und extra-schräg: Das walisisch-australische Duo Soft Hair (Erwan Fichou )
    "Wir suchen beide dieselben Dinge. Sam ist wie ein Bruder - das haben auch meine Eltern über dich gesagt, als sie dich kennenlernten! Und man trifft ja nicht oft jemanden, der genau das Gleiche gut findet wie man selbst, der einen einfach versteht", sagt Connan Mockasin von Soft Hair.
    Es leuchtet sofort ein, dass diese beiden musikalisch harmonieren. Der brillant verquere Pop von Sam Eastgate als LA Priest oder davor mit der Band Late Of The Pier und Connan Mockasins gern etwas torkelnder Elektrosoul - das klang alles genauso eigen und extraschräg, wie sie jetzt als Soft Hair zu zweit vom Cover gucken: pink getönte Oberkörper, dunkel umschminkte Augen, Lilie im Haar, gelbe Schlange um die Schultern. Kein Wunder, dass sie am häufigsten als 'weird', als 'schräg' eben, etikettiert werden:
    "Inzwischen schreibt das offenbar einer vom anderen ab", sagt Eastgate. "Aber wer ist wirklich dumm genug, über irgendwas nur zu sagen: 'Oh, es ist schräg' - und sonst nichts? Vermutlich soll es heißen: anders!"
    "Ich schreibe lieber Musik als Songs"
    Eastgate und Mockasin reden nicht gern über ihre Musik. Weil sie keinen Erklärungsbedarf sehen. Lieber rätselhaft bleiben, auch sich selbst gegenüber, und auf keinen Fall irgendwas bedienen oder irgendwem gefallen wollen.
    In trockene Beats lassen sie Soundkleckse tröpfeln, psychedelische Synthesizerschlieren mengen sich in Siebziger-Softpop; auf schlaftrunkenen Falsettgesang folgt ein konzentriertes Gitarrensolo, das auch ausufern darf; kurze Instrumentaltracks umrahmen vierminütige "Songs" - in Anführungszeichen. Denn auf ein, zwei Strophen folgt bei Soft Hair selten ein prägnanter oder auch nur erkennbarer Refrain.
    "Ich schreibe lieber Musik als Songs, glaube ich. Wenn es ein richtiger Song werden soll, fühlt es sich nach Arbeit an", meint Mockasin.
    "Das war oft ein Problem. Dass wir dachten: 'Was fehlt hier nur? Es ist ein fast fertiger Song.' Die Lösung war dann, es einfach als ein Stück Musik zu betrachten, nicht an einen Anfang oder an ein Ende zu denken. Einfach Ideen suchen und schauen, wie sie zusammenpassen. Und je mehr man die Sache so sieht, desto weniger will man zurück zu traditionellen Songs", sagt Eastgate.
    "Etwas aus dem Nichts zu kreieren und dabei möglichst weit zu gehen"
    Entstanden ist so eine gute halbe Stunde Musik, von der zuerst nicht viel im Ohr bleibt, die man aber doch wieder hören will, weil sie so ein starkes stilistisches Statement ist; in der man eher Lieblingsstellen als Lieblingslieder hat; und die einem ein bisschen fremd, also spannend bleibt. Die Texte mit ihren Dialogfetzen und diffusen Statements schillern ähnlich vieldeutig. Und werden natürlich nicht erklärt.
    Eastgate: "In der Schule dachte ich mir mit einem Freund immer irre Geschichten über unsere Lehrer aus. Wir durften uns nicht erwischen lassen, weil die Texte meistens obszön waren, wir haben die Lehrer darin verkuppelt ... Aber der Reiz war der gleiche wie heute: Etwas aus dem Nichts zu kreieren und dabei möglichst weit zu gehen."
    "Etwas aus dem Nichts zu kreieren und dabei möglichst weit zu gehen" - und möglichst weit weg vom aktuellen Charts-Einerlei, das sie "traurig" nennen.
    "Ich bin wenig Geld gewohnt, ich finde das auch gut"
    "Als ich mir mal ein Tonbandgerät gekauft habe, war eine Spule dabei, die leer sein sollte, aber es war eine Hitparade von 1978 drauf: Punk, Disco, Reggae, Countrymusik, Ulksongs ... Schon auch viel Mist dabei. Aber die Vielfalt war unglaublich", sagt Eastgate.
    Heute dagegen produzierten den meisten Charts-Pop Leute, die Geld verdienen wollen, mit Leuten, die berühmt werden wollen. Und deshalb klinge alles gleich. Die musikalische Vision von Eastgate und Mockasin mag dagegen vage sein, aber sie folgen ihr beeindruckend unbeirrt - einzeln, zu zweit, mit Band, für andere, oft alles zugleich. Im Moment arbeiten sie getrennt an noch geheimen Film- und Fernsehprojekten. Dass sie mit alledem immer eher Geheimtipp geblieben sind, das stört sie nicht. Sagen sie. Man ist geneigt, es zu glauben.
    "Ich bin wenig Geld gewohnt", sagt Mockasin. "Ich finde das auch gut - besser, als welches zu haben und es dann zu verlieren. Im Moment lebe ich doch wie ein König: Ich habe Kaffee, Wein, Pasta ..."