Archiv

Stiftung Preußischer Kulturbesitz
Erstmals Nachkomme zu Schädel aus Kolonialzeit ermittelt

Wissenschaftlern ist es gelungen, erstmals anhand von DNA-Analysen klare Verwandtschaftsverhältnisse zwischen menschlichen Überresten aus Tansania und lebenden Menschen nachzuweisen. Wie der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Parzinger, in Berlin mitteilte, wurden zu drei Schädeln einer anthropologischen Sammlung in Deutschland lebende Verwandte gefunden.

    Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, redet vor mehreren Mikrofonen
    Der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Parzinger stellt die jüngsten Forschungsergebnisse zu Schädeln aus Tansania vor. (imago images / photothek / Thomas Trutschel)
    Hintergrund ist ein 2017 gestartetes Großprojekt, bei dem mehr als tausend nicht identifizierte menschliche Schädel aus dem früheren deutschen Kolonialgebiet Deutsch-Ostafrika untersucht wurden. Mehr als 900 Schädel konnten den heutigen Gebieten von Ruanda, Tansania und Kenia zugeordnet werden.
    Zu acht dieser Schädel wurden demnach "ausreichend Informationen" zusammengetragen, so dass eine Suche nach konkreten Nachfahren aussichtsreich erschien. Die genetischen Daten der Schädel wurden daraufhin mit der DNA aus Speichelproben möglicher Nachfahren verglichen. Dazu seien Proben von zehn lebenden Menschen aus Tansania beschafft worden.

    Direkter Nachfahre gefunden

    Für einen Schädel wurde eine vollständige Übereinstimmung mit einem heute noch lebenden Mann festgestellt. Hilfreich sei für die Forscher der auf dem Schädel überlieferte Titel "Akida" gewesen. Dieser deutete darauf hin, dass der Verstorbene ein ranghoher Berater Mangi Melis (1866-1900), ein Anführer des Volks der Chagga, gewesen sein könnte. Die Übereinstimmung bestätigte diese Annahme. Für eine andere Familie - ebenfalls aus dem Volk der Chagga im heutigen Tansania - wurde bei zwei weiteren der acht untersuchten Schädel eine fast vollständige Übereinstimmung der väterlichen Linien identifiziert. Eine direkte biologische Verwandtschaft in ununterbrochener väterlicher Linie sei in diesen Fällen zumindest "wahrscheinlich", hieß es.

    Parzinger: "Kleines Wunder"

    Stiftungspräsident Parzinger erklärte, so eine Übereinstimmung zu finden, sei ein kleines Wunder. Trotz sorgfältigster Provenienzforschung werde es wahrscheinlich eher ein seltener Fall bleiben. Angehörige und die Regierung von Tansania sollten zeitnah informiert werden.
    Die Schädel waren während der Zeit des Deutschen Kaiserreichs von 1871 bis 1918 nach Deutschland gebracht worden. Untersuchungen an ihnen dienten damals dazu, rassistisches Gedankengut zu untermauern. Die zunächst in der Berliner Charité gelagerten Schädel wurden der SPK 2011 übergeben und in langwieriger Arbeit gereinigt und konserviert. An der folgenden Identifizierung beteiligten sich Forscher der verschiedensten Fachrichtungen.