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Erstmals öffentlich

Beatrix Novy: Einer, der gegen den Naziantisemitismus nichts einzuwenden hatte, war Richard Kaselowski, einer von den Reichswirtschaftsführern, die Heinrich Himmler zum Beispiel regelmäßigst großzügige Summen zukommen ließen. Kaselowski war der Stiefvater des Bielefelder Industriellen Rudolf August Oetker. Der hatte seinerzeit, 1998, kein Verständnis dafür aufbringen können, dass die Stadt Bielefeld ihre Kunsthalle nicht mehr mit dem Namen Kaselowski geziert wissen wollte. Also nahm er seine Sammlung aus dem Haus und ging woanders hin. Stefan Koldehoff in Münster hat seit heute eine große westfälische Privatsammlung ausgestellt – welche ist das?

Stefan Koldehoff im Gespräch mit Beatrix Novy |
    Koldehoff: Das ist eben jene Sammlung Oetker, das wird aber in Münster nicht gesagt. Dort heißt es wirklich nur anonym eine bedeutende westfälische Privatsammlung. Heute morgen in der Pressekonferenz zu dieser Ausstellung ist dann auch ein entsprechender Eiertanz vollführt worden, als gefragt wurde, stimmt es denn nun, dass es sich um die Sammlung Oetker handelt und es wurde ganz dezidiert gesagt, man möchte, dass die Kunstwerke im Mittelpunkt stehen, diese Ausstellung, nicht etwa der Sammler und auf Nachfrage hieß es dann, man wolle auch keine politischen Implikationen dieser Sammlung diskutieren, es gehe ausschließlich um die Qualität der Kunst.

    Novy: Deswegen auch der schöne Titel ''Sammlerlust, europäische Kunst aus fünf Jahrhunderten'', sehr allgemein.

    Koldehoff: Na ja, aber das trifft durchaus zu. Es ist eben eine sehr persönliche Sammlung, eine sehr subjektiv zusammengestellte, man kann an ihr den Geschmack von Rudolf August Oetker beziehungsweise dessen Vorfahren, denn schon die Großelterngeneration des heutigen Sammlers hat mit der Sammlung begonnen, ganz gut ablesen. Diese Sammlung hat ganz eindeutig ihren Schwerpunkt auf der alten Malerei, beginnt mit sieben Altartafeln, Tafeln aus dem Bielefelder Marienaltar aus dem 15. Jahrhundert, hat hervorragende Werke aus der Malerei des 16. Jahrhunderts, Cranach ist vertreten, später dann Rubens, Franz Hals, Caspar David Friedrich und alle tatsächlich mit museumswürdigen Gemälden. Es geht dann weiter über die deutschen Künstler des 19. Jahrhunderts, die vielleicht zu Unrecht heute wenig goutiert werden. Oetker hat zwar versucht, sich auch dem 20. Jahrhundert zuzuwenden, es gibt einige Bilder, mit denen ihm das auch erfolgreich gelungen ist, ein Beckmann, ein Kirchner, die beiden Werke haben tatsächlich bis zum großen Krach 1998 in der Bielefelder Kunsthalle gehangen. Wenn man sich aber ansieht, was er zum Beispiel für einen Monet gekauft hat, ein frühes, kleines, unbedeutendes Porträt von Courbet, ein Blumenstillleben von Heckel, ein Aquarell von 1926, aufwendig gerahmt, aber eben aus der Zeit, in der selbst Heckel kaum mehr was mit dem Expressionismus zu tun hatte, dann merkt man doch, dass dieser Sammler bis heute eigentlich in der Gegenwart als Sammler nicht angekommen ist.

    Novy: Aber das, was er an alten Sachen gesammelt hat, macht ja eben sehr viel Lust und ist wahrscheinlich auch sehr öffentlichkeitswirksam. Wird denn das später noch ausgestellt werden?

    Koldehoff: Das ist die große Frage. Das, was an alter Malerei, was ich gerade aufgezählt habe, zu sehen ist, das hat wirklich hervorragende Qualität und ist in Münster in den Wechselausstellungsräumen im Obergeschoss auch hervorragend präsentiert. Die Frage ist natürlich immer qui bono, warum macht ein Sammler so etwas, warum präsentiert er sich damit plötzlich öffentlich? Die Werke haben bislang in den Privathäusern von Herrn Oetker gehangen und den Häusern seiner Kinder, in Banken und Hotels, die zur Oetker-Gruppe gehören und ist jetzt erstmals wenigstens ausschnittsweise zusammengezogen worden. Rund 250 Werke, Gemälde und Arbeiten auf Papier, sind zu sehen. Die Sammlung, so hieß es heute morgen, sei weitaus größer, die könne man in ihrer Komplettheit ohnehin nie zeigen. Es hieß aber auch sehr deutlich, man erwarte in Münster eigentlich nicht, dass es Leihgaben oder auch Stiftungen ans westfälische Landesmuseum gibt und man geht auch nicht davon aus, dass Herr Oetker irgendwann mal ein Museum für seine Sammlung bauen möchte. Er ist zufrieden damit, das als private Kollektion zu haben und so wird es wohl auch bleiben.

    Novy: Also dieses eine mal und nicht wieder?

    Koldehoff: Richtig. Wer sie sehen und einen Einblick bekommen möchte in das, was die ganz Reichen in Deutschland sammeln, kann dies jetzt tun. Wann wieder, ist einfach ungewiss.

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