• das menschliche Leben
• die körperliche Freiheit und Gesundheit
• die freie Entfaltung der Persönlichkeit
• die Meinungs- und Kommunikationsfreiheit
• die Mitwirkung in der Politik
• die Gerechtigkeit vor Gericht
• die Gleichheit vor dem Gesetz.
Insofern scheint der Vorwurf verständlich, den Tagungsleiterin Dr. Brigitte Furche vor
Jahren in Genf bei der Unterkommission für Menschenrechte hörte,
"dass die Delegationen aus Lateinamerika, Asien und Afrika uns Europäern immer wieder vorgeworfen haben: Eure Menschenrechte, das ist etwas Aufgesetztes von Europa kommend; mit dem haben wir eigentlich wenig am Hut und wir empfinden die Menschenrechtsdebatte, oder der Kampf um die Menschenrechte, eigentlich mehr als eine Art Waffe gegen unsere Kulturen und Traditionen."
Dieser Vorwurf entstand wohl auch, weil Märchen, als uralte Kulturträger, und die noch jungen Menschenrechte sich erheblich unterscheiden, wie Prof. Heiner Bielefeldt, Direktor des Deutschen Institutes für Menschenrechte in Berlin betont:
"Es sind schon sehr unterschiedliche Welten: Die Menschenrechte verkörpern eine moderne Vorstellung von Gerechtigkeit, die dann auch mittels moderner Rechtsinstitutionen durchgesetzt werden soll. Die inhaltlichen Prinzipien sind Freiheit, Gleichheit, Solidarität. Das Ganze verstanden in einem Kontext von Moderne und Aufklärung. Die Semantik der Märchen, die Klangwelt der Märchen ist ja doch eine sehr andere mit Königen und Feen und vielen Anklängen an die Feudalgesellschaft, wo der Geselle die Tochter des Meisters heiraten muss."
Professor Bielefeldt spielt hier auf Märchen unserer Kultur an, etwa die Sammlung der Gebrüder Grimm. Meist ist da ganz klar, was gut und was böse ist, was man tun soll und was nicht. In diesem Punkt ähneln Märchen dem Recht, das ja auch Gebote und Verbote formuliert. Im Grunde gibt es nur zwei Geschichten: Die Entwicklungs-, oder Reifungsgeschichte, etwa Gralssuche, Prüfungen, Heldentaten; und: die Balance zwischen männlich und weiblich, Prinz und Prinzessin. Diese beiden archaetypischen Geschichten betreffen jeden Menschen, sind also für jeden interessant. Die Ausgestaltung der uralten Grunderkenntnisse bezieht dann Sehnsüchte und kulturellen Besonderheiten mit ein. Melancholie in afrikanischen Märchen, starke erotische Komponente in 1001 Nacht, oder, dass der Held im russischen Märchen einmal etwas tun muss. Frau Holle gibt es auch in Afrika und den Traum vom in die Freiheit Fliegen nicht nur bei Ikarus. Diese Gemeinsamkeiten verschiedener Kulturen wundern Brigitte Furche nicht, da sie ihre Doktorarbeit über italienischen Märchen schrieb. Die oft uralten Überlieferungen verändern sich im Kern kaum und leben heute oft in Kinderbüchern weiter. Beide dienen der Weitergabe moralischer Werte.
"Die Menschenrechte haben natürlich auch einen moralischen Anspruch. Sie sind zunächst eine Rechtskategorie, aber da steckt natürlich auch über das Recht hinaus ein moralisches Potential dahinter: Also die Idee der Menschen-würde, die in jedem Menschen gleichermaßen zu respektieren ist, aus der sich dann Ansprüche auf Respekt, auf Anerkennung herleiten."
Menschenrechte und Märchen beschreiben, wie wir leben sollten, allerdings in völlig unterschiedlichen sprachlichen Gewändern: Hier abstrakte Begriffe, dort sinnlich bunte Bilder, hier regiert der Kopf, dort das Gefühl Menschenrechte und Märchen.
Dass sich Märchen und Kinderbücher an unsere Gefühle wenden, dass sie unser Gewissen stärken und keinen Turbokapitalismus wollen, das macht sie für manche Erwachsene unbequem, während sie Kindern, Armen und Unterdrückten Trost spenden.
"Für die ist, wie ja auch Ernst Bloch gezeigt hat in seinem Buch "Prinzip Hoffnung", für die ist in den Märchen etwas drin, was ihnen einfach Mut geben kann, was sie ermutigt, was ihnen Hoffnung geben kann. Märchen sind Hoffnungsgeschichten!"
Aber nicht als Vertrösten auf ein besseres Jenseits, sondern als Ansporn diese Welt zu verändern. Gute Kinderbücher tun das auch. Wenn Bruno Bettelheim forderte: "Kinder brauchen Märchen!", dann meinte er auch, dass Kinder die Hoffnung haben müssen, dass sie als Erwachsene ihr Leben meistern. Wenn Kindern die Entfaltung ihrer Fähigkeiten, das Erlernen eines Berufes, ihr Platz in der Gesellschaft verweigert wird, verstößt das gegen ihre Rechte. Märchenerzähler lebten in vielen Kulturen gefährdlich, denn sie erzählten nicht nur Märchen, sondern brachten auch Neuigkeiten von anderswo mit, was den Herr-schenden nicht immer passte. Außerdem liehen Märchenerzähler den Wünschen der Menschen ihre Stimme, indem sie deren Sehnsucht nach Freiheit und Gerechtigkeit, aussprachen. Trotz der Verwandtschaft zwischen den moralischen Zielen, darf man die Unterschiede nicht übersehen. Prof. Heiner Bielefeld:
"Die Art und Weise, wie in den Märchen Gerechtigkeit exekutiert wird, mit dem Feuertod der bösen Hexe beispielsweise, mit manchen auch sehr grausamen Formen von Bestrafung, das ist mit Menschenrechten überhaupt nicht in Deckung zu bringen!"
Die Brüder Grimm wurden 50 Jahre nach der letzte Hexenverbrennung geboren. Aber betrachtet man grausame Phantasien unter psychologischem Aspekt, dann können sie auch der Angstbewältigung und der Auseinandersetzung mit den eigenen dunklen Seiten dienen.
Psychologisch geschulte Tagungsteilnehmer berichten vom Einsatz geeigneter Märchen in der Gefangenenbetreuung, bei der Arbeit mit Behinderten, oder bei der Integration von Flüchtlingen und Einwanderern. Dabei dienen Märchen mal als Türöffner, damit überhaupt ein Gespräch zustande kommt, mal dazu um über Dinge zu reden, die direkt anzusprechen noch zu schmerzhaft wäre.
So schildert eine Schweizer Version des Klassikers "1001 Nacht", wie eine Frau während der Schwangerschaft ihren Mann durch Geschichten davon abhält sie zu verprügeln und so ihr Kind rettet. Doch Grimms Märchen sind in der überlieferten Form vielleicht nicht mehr zeitgemäß.
"Wir gestalten das heute natürlich etwas anders aus, also grade entsprechend den Problemen, wie Globalisierung heute. Dann kommt dann ein anderer Akzent herein. Gucken Sie sich Harry Potter zum Beispiel an, das ist ja auch so eine angepasste neue Geschichte mit altem Überlieferungskern."
Märchen und Menschenrechte formulieren Ideale. Märchen mündlich, Recht schriftlich. Das Märchen wendet sich an die einzelnen Zuhörer und überlässt es ihnen, ob sie zuhören, ob sie verstehen, was sie empfinden. Auch der Erzählende passt die Erzählweise der Situation an.
Das Recht dagegen gilt stets für alle Mitglieder der Gemeinschaft. Das Märchen er-mutigt den Einzelnen sich sozial zu verhalten, das Recht fordert es. Aber im Ziel einer menschlicheren Welt, sind sich beide einig. Brigitte Furche:
"Bei den Menschenrechten geht es letztlich darum aus Unterdrückung aus Ungerechtigkeit aus einer Mangelsituation heraus den Menschen zu ihrem Recht, also zu Gerechtigkeit zur Freiheit zu verhelfen, zur Autonomie, zur souveränen Gestaltung ihres Lebens. Das ist eines der großen Anliegen der Menschenrechte und ich denke, da ergänzen sich beide sehr gut, Märchen
und Menschenrecht."
Märchen wenden sich an das Gefühl, das Recht an den Verstand; das Märchen lockt, das Recht verpflichtet. Prof. Heiner Bielefeldt:
"Der ganze Ansatz der Menschenrecht ist, dass man nicht auf die "Gute Fee" wartet und nichts davon abhängig macht, dass eine gute Fee herunter schwebt, sondern, dass man Menschen in Pflicht nimmt, ganz konkret Staaten in Pflicht nimmt, aber indirekt auch die Gesellschaften, auch die Parlamente, die zivilgesellschaftlichen Organisationen, damit Menschenrechte durchsetzbar werden."
Sonst werden die Menschenrechte zum Märchen im negativen Sinn, also zur Unwahrheit. Umgekehrt erinnern Märchen die Menschen an ihre Ideale und machen Mut, immer wieder Gerechtigkeit und Freiheit zu verteidigen. Die Beliebtheit und das Alter der Märchen mit ihren zeitlosen Themen zeigen aber auch, dass das immer wieder nötig ist.
• die körperliche Freiheit und Gesundheit
• die freie Entfaltung der Persönlichkeit
• die Meinungs- und Kommunikationsfreiheit
• die Mitwirkung in der Politik
• die Gerechtigkeit vor Gericht
• die Gleichheit vor dem Gesetz.
Insofern scheint der Vorwurf verständlich, den Tagungsleiterin Dr. Brigitte Furche vor
Jahren in Genf bei der Unterkommission für Menschenrechte hörte,
"dass die Delegationen aus Lateinamerika, Asien und Afrika uns Europäern immer wieder vorgeworfen haben: Eure Menschenrechte, das ist etwas Aufgesetztes von Europa kommend; mit dem haben wir eigentlich wenig am Hut und wir empfinden die Menschenrechtsdebatte, oder der Kampf um die Menschenrechte, eigentlich mehr als eine Art Waffe gegen unsere Kulturen und Traditionen."
Dieser Vorwurf entstand wohl auch, weil Märchen, als uralte Kulturträger, und die noch jungen Menschenrechte sich erheblich unterscheiden, wie Prof. Heiner Bielefeldt, Direktor des Deutschen Institutes für Menschenrechte in Berlin betont:
"Es sind schon sehr unterschiedliche Welten: Die Menschenrechte verkörpern eine moderne Vorstellung von Gerechtigkeit, die dann auch mittels moderner Rechtsinstitutionen durchgesetzt werden soll. Die inhaltlichen Prinzipien sind Freiheit, Gleichheit, Solidarität. Das Ganze verstanden in einem Kontext von Moderne und Aufklärung. Die Semantik der Märchen, die Klangwelt der Märchen ist ja doch eine sehr andere mit Königen und Feen und vielen Anklängen an die Feudalgesellschaft, wo der Geselle die Tochter des Meisters heiraten muss."
Professor Bielefeldt spielt hier auf Märchen unserer Kultur an, etwa die Sammlung der Gebrüder Grimm. Meist ist da ganz klar, was gut und was böse ist, was man tun soll und was nicht. In diesem Punkt ähneln Märchen dem Recht, das ja auch Gebote und Verbote formuliert. Im Grunde gibt es nur zwei Geschichten: Die Entwicklungs-, oder Reifungsgeschichte, etwa Gralssuche, Prüfungen, Heldentaten; und: die Balance zwischen männlich und weiblich, Prinz und Prinzessin. Diese beiden archaetypischen Geschichten betreffen jeden Menschen, sind also für jeden interessant. Die Ausgestaltung der uralten Grunderkenntnisse bezieht dann Sehnsüchte und kulturellen Besonderheiten mit ein. Melancholie in afrikanischen Märchen, starke erotische Komponente in 1001 Nacht, oder, dass der Held im russischen Märchen einmal etwas tun muss. Frau Holle gibt es auch in Afrika und den Traum vom in die Freiheit Fliegen nicht nur bei Ikarus. Diese Gemeinsamkeiten verschiedener Kulturen wundern Brigitte Furche nicht, da sie ihre Doktorarbeit über italienischen Märchen schrieb. Die oft uralten Überlieferungen verändern sich im Kern kaum und leben heute oft in Kinderbüchern weiter. Beide dienen der Weitergabe moralischer Werte.
"Die Menschenrechte haben natürlich auch einen moralischen Anspruch. Sie sind zunächst eine Rechtskategorie, aber da steckt natürlich auch über das Recht hinaus ein moralisches Potential dahinter: Also die Idee der Menschen-würde, die in jedem Menschen gleichermaßen zu respektieren ist, aus der sich dann Ansprüche auf Respekt, auf Anerkennung herleiten."
Menschenrechte und Märchen beschreiben, wie wir leben sollten, allerdings in völlig unterschiedlichen sprachlichen Gewändern: Hier abstrakte Begriffe, dort sinnlich bunte Bilder, hier regiert der Kopf, dort das Gefühl Menschenrechte und Märchen.
Dass sich Märchen und Kinderbücher an unsere Gefühle wenden, dass sie unser Gewissen stärken und keinen Turbokapitalismus wollen, das macht sie für manche Erwachsene unbequem, während sie Kindern, Armen und Unterdrückten Trost spenden.
"Für die ist, wie ja auch Ernst Bloch gezeigt hat in seinem Buch "Prinzip Hoffnung", für die ist in den Märchen etwas drin, was ihnen einfach Mut geben kann, was sie ermutigt, was ihnen Hoffnung geben kann. Märchen sind Hoffnungsgeschichten!"
Aber nicht als Vertrösten auf ein besseres Jenseits, sondern als Ansporn diese Welt zu verändern. Gute Kinderbücher tun das auch. Wenn Bruno Bettelheim forderte: "Kinder brauchen Märchen!", dann meinte er auch, dass Kinder die Hoffnung haben müssen, dass sie als Erwachsene ihr Leben meistern. Wenn Kindern die Entfaltung ihrer Fähigkeiten, das Erlernen eines Berufes, ihr Platz in der Gesellschaft verweigert wird, verstößt das gegen ihre Rechte. Märchenerzähler lebten in vielen Kulturen gefährdlich, denn sie erzählten nicht nur Märchen, sondern brachten auch Neuigkeiten von anderswo mit, was den Herr-schenden nicht immer passte. Außerdem liehen Märchenerzähler den Wünschen der Menschen ihre Stimme, indem sie deren Sehnsucht nach Freiheit und Gerechtigkeit, aussprachen. Trotz der Verwandtschaft zwischen den moralischen Zielen, darf man die Unterschiede nicht übersehen. Prof. Heiner Bielefeld:
"Die Art und Weise, wie in den Märchen Gerechtigkeit exekutiert wird, mit dem Feuertod der bösen Hexe beispielsweise, mit manchen auch sehr grausamen Formen von Bestrafung, das ist mit Menschenrechten überhaupt nicht in Deckung zu bringen!"
Die Brüder Grimm wurden 50 Jahre nach der letzte Hexenverbrennung geboren. Aber betrachtet man grausame Phantasien unter psychologischem Aspekt, dann können sie auch der Angstbewältigung und der Auseinandersetzung mit den eigenen dunklen Seiten dienen.
Psychologisch geschulte Tagungsteilnehmer berichten vom Einsatz geeigneter Märchen in der Gefangenenbetreuung, bei der Arbeit mit Behinderten, oder bei der Integration von Flüchtlingen und Einwanderern. Dabei dienen Märchen mal als Türöffner, damit überhaupt ein Gespräch zustande kommt, mal dazu um über Dinge zu reden, die direkt anzusprechen noch zu schmerzhaft wäre.
So schildert eine Schweizer Version des Klassikers "1001 Nacht", wie eine Frau während der Schwangerschaft ihren Mann durch Geschichten davon abhält sie zu verprügeln und so ihr Kind rettet. Doch Grimms Märchen sind in der überlieferten Form vielleicht nicht mehr zeitgemäß.
"Wir gestalten das heute natürlich etwas anders aus, also grade entsprechend den Problemen, wie Globalisierung heute. Dann kommt dann ein anderer Akzent herein. Gucken Sie sich Harry Potter zum Beispiel an, das ist ja auch so eine angepasste neue Geschichte mit altem Überlieferungskern."
Märchen und Menschenrechte formulieren Ideale. Märchen mündlich, Recht schriftlich. Das Märchen wendet sich an die einzelnen Zuhörer und überlässt es ihnen, ob sie zuhören, ob sie verstehen, was sie empfinden. Auch der Erzählende passt die Erzählweise der Situation an.
Das Recht dagegen gilt stets für alle Mitglieder der Gemeinschaft. Das Märchen er-mutigt den Einzelnen sich sozial zu verhalten, das Recht fordert es. Aber im Ziel einer menschlicheren Welt, sind sich beide einig. Brigitte Furche:
"Bei den Menschenrechten geht es letztlich darum aus Unterdrückung aus Ungerechtigkeit aus einer Mangelsituation heraus den Menschen zu ihrem Recht, also zu Gerechtigkeit zur Freiheit zu verhelfen, zur Autonomie, zur souveränen Gestaltung ihres Lebens. Das ist eines der großen Anliegen der Menschenrechte und ich denke, da ergänzen sich beide sehr gut, Märchen
und Menschenrecht."
Märchen wenden sich an das Gefühl, das Recht an den Verstand; das Märchen lockt, das Recht verpflichtet. Prof. Heiner Bielefeldt:
"Der ganze Ansatz der Menschenrecht ist, dass man nicht auf die "Gute Fee" wartet und nichts davon abhängig macht, dass eine gute Fee herunter schwebt, sondern, dass man Menschen in Pflicht nimmt, ganz konkret Staaten in Pflicht nimmt, aber indirekt auch die Gesellschaften, auch die Parlamente, die zivilgesellschaftlichen Organisationen, damit Menschenrechte durchsetzbar werden."
Sonst werden die Menschenrechte zum Märchen im negativen Sinn, also zur Unwahrheit. Umgekehrt erinnern Märchen die Menschen an ihre Ideale und machen Mut, immer wieder Gerechtigkeit und Freiheit zu verteidigen. Die Beliebtheit und das Alter der Märchen mit ihren zeitlosen Themen zeigen aber auch, dass das immer wieder nötig ist.