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Es begann in einer Pore

Eine Voraussetzung für die Existenz von Leben sind Biomolekülketten wie DNA oder RNA. Doch die genauen Entstehungsmechanismen jener Erbmoleküle sind noch immer unbekannt. Münchner Biophysiker haben in einem Experiment simuliert, wie dieser Prozess abgelaufen sein könnte.

Von Michael Lange | 12.08.2013
    Vor etwa vier Milliarden Jahren gab es bereits erste einfache Biomoleküle auf der Erde, wie Aminosäuren oder Nukleotide. Sie wurden später zu Bausteinen von DNA und RNA. Aber dazu mussten sich mehrere Nukleotide in Ketten hintereinander anordnen. Nach den heutigen Vorstellungen: mindestens 100 oder besser 200. Ein Vorgang, der auf jeden Fall Energie benötigte, erklärt der Biophysiker Dieter Braun von der Ludwig-Maximilians-Universität München.

    "Heutzutage werden alle Lebewesen durch Licht angetrieben. Wir sind Lichtesser – auf der Oberfläche der Erde. Wir haben uns überlegt, ob man nicht Wärme essen kann, ob es in Erdboden Mechanismen gibt, die durch Temperaturunterschiede angetrieben werden."

    Solche Temperaturunterschiede gab es auf der damaligen Erde genauso wie heute, im Erdboden oder auf dem Grund des Meeres. Wo Meerwasser, Gestein und Hitze zusammenkamen, waren die Voraussetzungen gegeben. Denn auf den Temperaturunterschied komme es an, erklärt der Biophysiker.

    "Die sind auf dem Meeresboden vorhanden, entweder durch vulkanische Quellen oder durch geologische Reaktionen. Man hat dann Heißwasserquellen, wo sehr warmes Wasser herauskommt, und in deren Umgebung hat man poröses Gestein, wo man sehr große Temperaturunterschiede auf sehr kleinem Raum fokussiert."

    Anders ausgedrückt: heiß und kalt treffen auf engem Raum aufeinander. An der Grenze kommen kleine Moleküle in winzigen Poren zusammen. Die Vorstufen des Lebens.

    Was dort möglicherweise ablief, haben Dieter Braun und seine Mitarbeiter in Laborversuchen nachgespielt. Sie haben die Gesteinsporen mit winzigen Glaskapillaren nachgebaut und dann beobachtet und gemessen, was darin geschieht.

    Sie konnten feststellen, dass sich die Moleküle in der Pore ganz langsam bewegen. Sie wandern in die Pore hinein und konzentrieren sich am Ende der Pore. Dann geht es wieder zurück zur Öffnung der Pore. Dort drehen die Moleküle wieder um und bewegen sich erneut ins Poreninnere. So werden die Bausteine für lange Kettenmoleküle immer wieder zusammengeführt, erklärt Dieter Brauns Mitarbeiter Christof Mast.

    "Im Grunde stellt man sich vor, dass diese Poren oben offen sind. Sie sind oben an den Ozean angeschlossen. Und wenn jetzt in dieser Pore vorhandene Nukleotide unten in einer Ecke aufkonzentriert werden, dann können die von oben einfach nachströmen oder nachdiffundieren in die Pore. Das ist natürlich ein sehr langsamer Prozess. Aber die Evolution hatte ja auch entsprechend viel Zeit dafür."

    Angetrieben vom Temperaturunterschied begegnen sich im Innern der Pore verschiedene Biomoleküle. Sie verbinden sich zufällig zu immer neuen, immer längeren chemischen Verbindungen. So entstanden in Millionen Jahren aus Einzelmolekülen Zweiergruppen, daraus drei Nukleotide, dann vier, fünf und so weiter. Bis das erste richtige Erbmolekül entstanden war.

    "Die ersten Moleküle, die man sich vorstellt, zum Beispiel eine RNA, die andere Reaktionen katalysieren kann, die haben Längen von 100 oder 200 Basen. Und an diese Länge sind wir jetzt erstmalig hingekommen mit diesem Prozess."

    Die RNA gilt als ideales Startmolekül des Lebens. Denn sie dient gleichzeitig als biologischer Datenspeicher und als Katalysator wie ein Enzym, das biochemische Reaktionen ermöglicht und vorantreibt.

    Die Experimente der Münchener Biophysiker zeigen, wie es vor über vier Milliarden Jahren so abgelaufen sein könnte, als die ersten langkettigen RNA-Erbmoleküle entstanden. Es könnte aber auch anders gewesen sein.