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"Es fehlen die Überflutungsflächen"

In Deutschland fehlt es weiterhin an Überflutungsflächen zum Schutz vor Hochwasser - diese Ansicht vertritt der Hochwasserexperte und stellvertretende Vorsitzende des Bunds für Umwelt und Naturschutz, Sebastian Schönauer. Man müsse dringend aufhören, weiterhin die Überflutungsräume zu bebauen oder zu Ackerland umzuwandeln.

Moderation: Jochen Spengler |
    Jochen Spengler: Zehn Jahre ist das Oder-Hochwasser her, fünf Jahre das Elbe-Hochwasser, woran wir Journalisten in diesen Wochen ein ums andere Mal erinnern und worüber wir berichtet haben. Angesichts der neuen Fluten in Süddeutschland fragt man sich aber: was hat man eigentlich gelernt aus den vergangenen Katastrophen? - Der Hochwasserexperte und stellvertretende Vorsitzende des BUND, des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland, heißt Sebastian Schönauer und ist nun am Telefon. Guten Tag Herr Schönauer!

    Sebastian Schönauer: Guten Tag!

    Spengler: Haben wir gelernt, haben wir genug gelernt aus den Hochwassern?

    Schönauer: Einige schon, aber ich glaube die Politik hat es noch nicht ganz begriffen. Wir haben jetzt, wie Sie gesagt haben, zehn Jahre Hochwasserschutzpolitik in Deutschland angekündigt, aber es waren sowohl die Jahre '97, '99 wie 2002, 2005 und 2006 Jahrestage einer verfehlten Hochwasserschutzpolitik, und ich hoffe, dass dieses Jahr 2007 jetzt mit diesen Unwettern und mit diesen Schäden nicht als nächstes ein Jahrestag wird.

    Spengler: Herr Schönauer, wenn Sie sagen einige haben gelernt, wer ist das und was haben die gelernt?

    Schönauer: Ja. Wir haben sehr gute Konzeptionen erfahren aus den einzelnen Landesabteilungen, die Hochwasserschutz zu betreiben haben, aber was fehlt ist total die Umsetzung. Es werden fast nur technische Bauwerke errichtet, aber das was eigentlich im Artikel des Hochwasserschutzgesetzes gemeint war, große Retentionsflächen bereitzustellen und auszuweisen, da fehlt es gänzlich.

    Spengler: Darf ich kurz übersetzen. Sie meinen es werden Deiche gebaut und Überflutungsflächen fehlen?

    Schönauer: Ja. Es fehlen die Überflutungsflächen, die notwendig sind, um solche gewaltigen Wassermengen aufnehmen zu können und kurzfristig zwischenspeichern zu können, um sie dann wieder langsam an den Fluss, ans Fließgewässer abgeben zu können.

    Spengler: Aber auf dem Papier gibt es diese Überflutungsflächen?

    Schönauer: Ja. Bei einigen Flüssen wie am Rhein wird noch darum gestritten, wer nun von den Ländern mehr auszuweisen hat und wer nichts auszuweisen hat. Hessen ist da im Debit. Das heißt, hier wird noch gestritten. Das ist eigentlich der Punkt. Sowohl Bundeskanzler Kohl wie auch Herr Schröder haben ja angesichts der Unwetter und der Katastrophen gesagt, den Flüssen muss mehr Raum gegeben werden, und das fehlt.

    Spengler: Das heißt, eine nächste Flut würde wieder dramatische Auswirkungen haben?

    Schönauer: Wenn das, was ursprünglich befürchtet war, eingetreten wäre, hätten wir jetzt schon dramatischere Ausmaße. Sie haben ja selbst durch die Berichte gehört: Es ist nicht ganz so schlimm geworden. Aber ich glaube, es wird nun an der Zeit, dass die Bevölkerung darüber aufgeklärt wird, dass wir aufhören müssen, in die Überflutungsräume weiter hineinzubauen. Das wird immer noch ermöglicht durch verschiedene Landesgesetzgebungen. Es muss aufgehört werden, dass auch in die Überflutungsflächen weiterhin Grünland umgebrochen wird, zu Ackerland gemacht wird. Alles das sind ganz schwerwiegende Dinge, die dazu führen, dass dann die Städte und die Häuser überflutet werden, weil der Überflutungsraum fehlt.

    Spengler: Sie haben schon angesprochen, dass es eben den Streit um die Überflutungsflächen gibt. Hessen haben Sie erwähnt. Wäre die Aufgabe nicht eigentlich besser bei der Bundesregierung angesiedelt?

    Schönauer: Natürlich! Das war ja nach unserer Meinung vom Bund für Umwelt und Naturschutz, aber auch anderer Umwelt- und Naturschutzverbände ein Rückschritt in der föderalen Struktur von Deutschland, als man gesagt hat, die Länder machen dies. Jetzt sieht man, dass die Länder-einzelnen Interessen nicht zusammengeführt worden sind. Das hätte einer starken Regierung bedürft und das hätte einer starken Gesetzgebung bedürft, die die Rücksichten wegnimmt von den einzelnen Ländern und in der Bundesregierung bündeln könnte.

    Spengler: Herr Schönauer, das Bundesumweltministerium hat heute gesagt, es rechne in Zukunft mit einer zehnmal höheren Hochwassergefahr in Deutschland. Ist das Panikmache?

    Schönauer: Nein, auf keinen Fall. Wenn Sie die Versicherungsgesellschaften befragen, ob das Münchener Rück oder wer auch immer ist, die sagen das gleiche voraus, denn die mathematischen Berechnungsmodelle sagen uns ja, es wird heftiger werden. und es wird öfter eintreten, das was wir als Katastrophen benennen.