Christoph Schmitz: Die Anordnung durch die Nazis 1939 war klar. Alle Juden müssen die ihnen gehörenden Gegenstände aus Silber, Silbergold, Platin sowie Edelsteine und Perlen binnen zwei Wochen an die eingerichteten öffentlichen Ankaufstellen abliefern. So wurden in Hamburg etwa für winzige Beträge 20 Tonnen Schmuck, Silberschalen und Besteck einkassiert. Der Raub jüdischen Eigentums, der erzwungene Verkauf von Kunstwerken war Teil der Vernichtungspolitik. Nach dem Holocaust verweigerte sich die DDR einer Restitution, in der Bundesrepublik geschah sie auf nur auf Druck der Alliierten. Jahrzehnte ruhte das Thema bis zum Fall der Mauer. 1998 kam die Washingtoner Erklärung. Dann die Aufregung wegen der restituierten Berliner Straßenszene von Ernst Ludwig Kirchner in Berlin. Und das hat das jüdische Museum dazu bewogen, sich in einer Ausstellung mit dem Thema zu befassen, "Raub und Restitution - Kulturgut aus jüdischem Besitz von 1933 bis heute". Die Ausstellung zeigt die historischen Abläufe, Zusammenhänge und Folgen des Raubs. Was zeigen Sie und wie zeigen Sie es? Das habe ich die Kuratorin Inka Bertz gefragt.
Inka Bertz: Wir haben uns für ein Konzept entschieden, bei dem wir einzelne Objekte oder Sammlungsteile vorstellen und deren Geschichten sehr dicht und sehr nah am Objekt mit Dokumenten erzählen. Wir haben uns bemüht, dann tatsächlich immer genau die Inventarliste zu bekommen, auf der dieses Objekt aufgeführt ist und es hat fast so was von einem kleinen Indizienprozess, den wir um jedes einzelne Objekt herum führen. Es sind 15 Objekte. Um ein Beispiel zu nennen, Ismar Littmann war ein jüdischer Sammler aus Breslau, der Expressionisten gesammelt hat und auch mit vielen Künstlern befreundet war. Wir zeigen aus seiner Sammlung ein Gemälde von Otto Müller, das er versteigern lassen, seine Erben, seine Kinder versteigern lassen mussten und das dann auf Umwegen schließlich in der Nationalgalerie landete, aber nie Bestand der Nationalgalerie wurde, auf der Ausstellung "Entartete Kunst" gezeigt wurde, dann im Ausland verkauft wurde und schließlich in der Sammlung von Henri Nannen landete und von ihm dann an die Kunsthalle Emden gestiftet wurde. Und erst 1998 wurde deutlich, dass das kein Bestand der Nationalgalerie war, sondern aus Privatbesitz stammte und die Kunsthalle Emden hat sich dann mit den Erben verglichen, von den Erben wieder zurückgekauft. Die Sammlung Littmann hatte noch viele, viele andere Gemälde, die wir gar nicht zeigen werden und können.
Schmitz: Sie zeigen aber nicht nur die Objekte, sondern auch die Schicksale ihrer Eigentümer auch damit in Verbindung, weil es geht auch um biografische Linien, die Sie nachvollziehen.
Bertz: Die Dokumente dazu, natürlich. Ja, genau. Ja, es geht durchaus auch um biografische Linien, die wir nachvollziehen. Die sind natürlich mit den Eigentümern immer verbunden. Es wird immer auch das Objekt in seinem ursprünglichen Kontext der Sammlung und die Persönlichkeit der Sammler dargestellt.
Schmitz: Es geht neben den Objekten und den Opfern und den Leidtragenen auch um die Akteure und Profiteuere des Systems, auch um die unrühmliche Rolle von Museen damals bis 1945, Bibliotheken und Kunsthändler. Welche zentrale Erkenntnis zeigt die Ausstellung in dieser Hinsicht?
Bertz: Ja, die traurige Erkenntnis, dass der NS-Kunstraub eigentlich nie wirklich juristisch, wenn man so will, geahndet wurde. Aber bis auf den Nürnberger Prozess, wo der Kunstraub als Teil der Kriegsverbrechen auf der Liste der Anklagepunkte stand und Rosenberg dann ja auch gehängt wurde, u.a. eben für seine Rolle als Kunsträuber, gab es eigentlich kaum Prozesse. Es gab in Frankreich 1950 ein Militärtribunal, in dem einige Kunsträuber in Abwesenheit verurteilt wurden. Und die meisten wurden in Abwesenheit verurteilt, weil die Bundesrepublik sie auch nicht auslieferte an Frankreich. Und es gab eigentlich keine juristische Aufarbeitung. Es gab in Nürnberg einen Ärzteprozess, aber es gab nie einen Kunsträuberprozess.
Schmitz: Die Zeitung "Die Welt" wirft der Ausstellung heute vor, dass aktuelle Streitfälle über Museen und Privatpersonen, die sich weigern zu restituieren, nicht thematisiert werden. Hatten Sie da eine gewisse Scheu?
Bertz: Die Ausstellung ist auch entstanden ein bisschen unter dem Eindruck der ganzen Kirchner-Debatte und sahen es schon als wichtigen Beitrag, hier die Atmosphäre etwas zu versachlichen. Im Übrigen, glaube ich, ist es nicht unsere Aufgabe als Museum, so unmittelbar Stellung zu beziehen zu einzelnen Fällen und zu einzelnen Streitpunkten. Wir können darüber private Meinungen haben, aber ich denke, um da qualifiziert auch drüber urteilen zu können, ob eine Restitution berechtigt war oder ob sie nicht sogar berechtigt wäre und restituiert werden sollte, dazu müsste man die einzelnen Fälle viel, viel genauer kennen und auch letztendlich Jurist sein. Das sind wir nicht.
Schmitz: Sie als Kuratorin der Ausstellung, Inka Bertz, wie würden Sie Ihr Fazit formulieren?
Bertz: Wenn es etwas gab, was uns bei der Recherche für die Ausstellung tatsächlich immer wieder umgetrieben hat, dann war es eigentlich immer das schiere Ausmaß dieses Kunstraubes, die Vielzahl der Profiteure und die Kontinuitäten dieser Profiteuere oder auch Akteure, aktiven Räuber, bis in die Nachkriegszeit der Bundesrepublik.
Schmitz: Die Kuratorin Inka Bertz vom Jüdischen Museum Berlin über die Ausstellung "Raub und Restitution".
Inka Bertz: Wir haben uns für ein Konzept entschieden, bei dem wir einzelne Objekte oder Sammlungsteile vorstellen und deren Geschichten sehr dicht und sehr nah am Objekt mit Dokumenten erzählen. Wir haben uns bemüht, dann tatsächlich immer genau die Inventarliste zu bekommen, auf der dieses Objekt aufgeführt ist und es hat fast so was von einem kleinen Indizienprozess, den wir um jedes einzelne Objekt herum führen. Es sind 15 Objekte. Um ein Beispiel zu nennen, Ismar Littmann war ein jüdischer Sammler aus Breslau, der Expressionisten gesammelt hat und auch mit vielen Künstlern befreundet war. Wir zeigen aus seiner Sammlung ein Gemälde von Otto Müller, das er versteigern lassen, seine Erben, seine Kinder versteigern lassen mussten und das dann auf Umwegen schließlich in der Nationalgalerie landete, aber nie Bestand der Nationalgalerie wurde, auf der Ausstellung "Entartete Kunst" gezeigt wurde, dann im Ausland verkauft wurde und schließlich in der Sammlung von Henri Nannen landete und von ihm dann an die Kunsthalle Emden gestiftet wurde. Und erst 1998 wurde deutlich, dass das kein Bestand der Nationalgalerie war, sondern aus Privatbesitz stammte und die Kunsthalle Emden hat sich dann mit den Erben verglichen, von den Erben wieder zurückgekauft. Die Sammlung Littmann hatte noch viele, viele andere Gemälde, die wir gar nicht zeigen werden und können.
Schmitz: Sie zeigen aber nicht nur die Objekte, sondern auch die Schicksale ihrer Eigentümer auch damit in Verbindung, weil es geht auch um biografische Linien, die Sie nachvollziehen.
Bertz: Die Dokumente dazu, natürlich. Ja, genau. Ja, es geht durchaus auch um biografische Linien, die wir nachvollziehen. Die sind natürlich mit den Eigentümern immer verbunden. Es wird immer auch das Objekt in seinem ursprünglichen Kontext der Sammlung und die Persönlichkeit der Sammler dargestellt.
Schmitz: Es geht neben den Objekten und den Opfern und den Leidtragenen auch um die Akteure und Profiteuere des Systems, auch um die unrühmliche Rolle von Museen damals bis 1945, Bibliotheken und Kunsthändler. Welche zentrale Erkenntnis zeigt die Ausstellung in dieser Hinsicht?
Bertz: Ja, die traurige Erkenntnis, dass der NS-Kunstraub eigentlich nie wirklich juristisch, wenn man so will, geahndet wurde. Aber bis auf den Nürnberger Prozess, wo der Kunstraub als Teil der Kriegsverbrechen auf der Liste der Anklagepunkte stand und Rosenberg dann ja auch gehängt wurde, u.a. eben für seine Rolle als Kunsträuber, gab es eigentlich kaum Prozesse. Es gab in Frankreich 1950 ein Militärtribunal, in dem einige Kunsträuber in Abwesenheit verurteilt wurden. Und die meisten wurden in Abwesenheit verurteilt, weil die Bundesrepublik sie auch nicht auslieferte an Frankreich. Und es gab eigentlich keine juristische Aufarbeitung. Es gab in Nürnberg einen Ärzteprozess, aber es gab nie einen Kunsträuberprozess.
Schmitz: Die Zeitung "Die Welt" wirft der Ausstellung heute vor, dass aktuelle Streitfälle über Museen und Privatpersonen, die sich weigern zu restituieren, nicht thematisiert werden. Hatten Sie da eine gewisse Scheu?
Bertz: Die Ausstellung ist auch entstanden ein bisschen unter dem Eindruck der ganzen Kirchner-Debatte und sahen es schon als wichtigen Beitrag, hier die Atmosphäre etwas zu versachlichen. Im Übrigen, glaube ich, ist es nicht unsere Aufgabe als Museum, so unmittelbar Stellung zu beziehen zu einzelnen Fällen und zu einzelnen Streitpunkten. Wir können darüber private Meinungen haben, aber ich denke, um da qualifiziert auch drüber urteilen zu können, ob eine Restitution berechtigt war oder ob sie nicht sogar berechtigt wäre und restituiert werden sollte, dazu müsste man die einzelnen Fälle viel, viel genauer kennen und auch letztendlich Jurist sein. Das sind wir nicht.
Schmitz: Sie als Kuratorin der Ausstellung, Inka Bertz, wie würden Sie Ihr Fazit formulieren?
Bertz: Wenn es etwas gab, was uns bei der Recherche für die Ausstellung tatsächlich immer wieder umgetrieben hat, dann war es eigentlich immer das schiere Ausmaß dieses Kunstraubes, die Vielzahl der Profiteure und die Kontinuitäten dieser Profiteuere oder auch Akteure, aktiven Räuber, bis in die Nachkriegszeit der Bundesrepublik.
Schmitz: Die Kuratorin Inka Bertz vom Jüdischen Museum Berlin über die Ausstellung "Raub und Restitution".