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"Es gab sehr wenige Probleme"

Die Europäische Union überwacht den Verlauf der Wahlen in den palästinensischen Gebieten mit einem großen Kontingent an Wahlbeobachtern. Deren Sprecher Mathias Eick hält eine stabile demokratisch legitimierte palästinensische Regierung für wichtig für den Friedensprozess im Nahen Osten.

Moderation: Stefan Heinlein | 24.01.2006
    Stefan Heinlein: Die europäische Union überwacht den Verlauf der Wahlen mit einem großen Kontingent an Wahlbeobachtern und deren Sprecher, Mathias Eick, begrüße ich jetzt in Ramallah am Telefon. Guten Morgen.
    Mathias Eick: Guten Morgen.

    Heinlein: Herr Eick, Sie sind bereits seit Anfang Dezember in der Region um den Wahlkampf zu beobachten, wie gut laufen denn die Vorbereitungen auf den Urnengang morgen?

    Eick: Ja, auf technischer Ebene sind die Vorbereitungen sehr gut verlaufen. Alle Wahlzettel sind jetzt an ihren Orten, an den Wahllokalen. Es hat auch in den letzten drei Tragen die Wahlen für die Sicherheitskräfte gegeben, die größtenteils ohne Probleme verlaufen sind. Wir haben auch einen Wahlkampf gehabt, der relativ ruhig war. Viele Parteien haben sich an die Regeln gehalten, die dieser Wahlkampf beinhaltet. Es gab sehr wenige Probleme.

    Heinlein: Haben sie denn Zweifel am demokratischen Verlauf der Wahlen, obwohl jetzt technisch alles in Ordnung ist? Nach dem Chaos der vergangenen Tage und Wochen gab es ja durchaus einige Fragezeichen, ob diese Wahl überhaupt stattfinden kann.

    Eick: Sicherlich, es gab natürlich Probleme, besonders wenn es um die Sicherheit der Wahlbeobachter und auch die Sicherheit der Wähler ging. Es gab bewaffnete Gruppen, die in verschiedenen Teilen, in Gaza zum Beispiel, sehr aktiv waren, es gab Kidnappings und so weiter. Aber es hat sich gezeigt, dass nachdem der Wahltag wirklich feststand, nachdem die Frage auch der Wahl in Ostjerusalem, die ja eine Zeit lang in Frage gestellt wurde durch die israelische Regierung, nachdem diese Frage gelöst war und das Datum wirklich feststand, dass sich dann alle darauf eingestellt haben, auch die bewaffneten Gruppen, die dann öffentlich ankündigten, dass sie auf Gewalt verzichten würden. Wir haben auch sehen können, dass es eine gewisse Reduzierung der Gewalt gegeben hat. Wir haben auch gehört, dass die israelischen Behörden sich etwas, die Sicherheitskräfte etwas zurückziehen würden während der Wahltage hier in den palästinensischen Gebieten. Leider gab es natürlich gestern wieder Zusammenstöße mit israelischen Sicherheitskräften, dabei wurde ein Junge getötet. Aber wir hoffen, dass solche Ereignisse nicht die gesamte Wahl beeinflussen werden. Und heute ist ein ruhiger Tag, also heute darf nicht weiterhin der Wahlkampf stattfinden, das ist, 24 Stunden vorher gibt es eine Art Auszeit und morgen früh um sieben Uhr werden dann die Wahllokale geöffnet und alle unsere 186 Wahlbeobachter inklusive acht Deutsche werden vor Ort sein.

    Heinlein: 158 Wahlbeobachter sagen sie, das ist ja ein recht großes Beobachterteam. Warum dieser gewaltige Aufwand der europäischen Union?

    Eick: Die europäische Union unterstützt schon seit mehreren Jahren mit mehreren zehn Millionen Euro den Aufbau von demokratischen Institutionen hier in den palästinensischen Gebieten. Wir haben auch finanziell die Wahlkommission unterstützt, damit sie die Infrastruktur aufbauen können und die EU glaubt einfach, dass wenn eine demokratisch legitimierte Regierung hier in den palästinensischen Gebieten zustande kommt und die Menschen Vertrauen haben in die Regierung, dass erstens die sozialen Probleme dieser Region gelöst werden können, aber natürlich viel wichtiger, es zu einer friedlichen Lösung zwischen den Palästinensern und den Israelis kommen kann, weil dann beide Seiten demokratische Regierungen haben, und beide Seiten ihre Völker richtig vertreten können, wenn es dann doch zu einer friedlichen Lösung des Konflikts kommen könnte.

    Heinlein: Wie können Sie denn sicherstellen morgen, dass es zu der von der EU gewünschten freien und demokratischen Wahl kommt? Wie können sie sicherstellen, dass es keine Manipulationen, keine Wahlfälschungen geben wird?

    Eick: Wir können natürlich nicht alleine sicherstellen, dass diese Wahlen.... wenn es Leute geben sollte, die die Wahl manipulieren wollen. Aber wir sind ja nur auch eine der vielen Wahlbeobachterkommissionen, die hier vor Ort sind, es gibt mehr als 3.000 lokale Wahlbeobachter, dann gibt es mehrere andere internationale Organisationen, die ihre Wahlbeobachter geschickt haben. Wir vermuten, also wir haben Schätzungen, dass es mehr als 6.000 Wahlbeobachter geben wird am Tag der Wahl. Und wir können dann doch abschätzen, sollte jemand versucht haben, diese Wahl zu manipulieren oder sollte es zu Zwischenfällen kommen, dass wenn wir nicht selbst, dass wir Freunde haben, die vor Ort das beobachten können.

    Heinlein: Die palästinensischen Gebiete, Herr Eick, wir wissen es, sind ein Flickenteppich, gerade im Westjordanland, welche Konsequenzen hat denn dies für den Verlauf der Wahlen und ihre Arbeit als Wahlbeobachter?

    Eick: Ja, man muss zugeben, ich meine es ist offen, dass die Westbank und Gaza, besonders Westbank, das Westjordanland, ist besetztes Gebiet. Und dadurch gibt es eben die unzähligen Checkpoints der israelischen Armee die natürlich die Bewegungsfreiheit der Kandidaten, der Wähler, der Mitarbeiter der Wahlkommission behindern. Einfach dass sie da sind. Und das kann manchmal mehrere Stunden dauern, um durch solche Checkpoints zu kommen, weil natürlich nicht nur diese Menschen sich bewegen wollen, sondern auch die normalen Leute und das gibt dann Riesenschlangen vor diesen Checkpoints. Wir haben natürlich mit den israelischen Behörden ausgemacht, dass wir uns relativ frei bewegen können, obwohl es ab und zu doch zu Verzögerungen kommt. Aber wir haben bis jetzt keine größeren Probleme damit gehabt und wir hoffen, dass wir jetzt mit unseren Wahlbeobachtern vor Ort uns nicht zu sehr bewegen müssen und wir dann freien Zugang zu den Wahllokalen haben werden.

    Heinlein: Besonders kritisch ist die Situation ja in Ostjerusalem. Können sie dort sicherstellen, dass alle Palästinenser, die wählen wollen, auch wählen können?

    Eick: Was zwischen der Wahlkommission und den israelischen Behörden ausgemacht wurde ist, dass 6.300 Wähler, die sich in den letzten drei Tagen registrieren konnten, an den sechs Postämtern wählen dürfen. Natürlich gibt es dann viel mehr Wähler in Ostjerusalem, die Schätzungen liegen bei über 75.000, und die werden die Möglichkeit haben, außerhalb der Stadt, im Distrikt Jerusalem, ihre Stimme abzugeben. Das ist natürlich ein äußerst kompliziertes und leider nicht sehr hilfreiches System, aber das war das Beste, was zwischen der palästinensischen Wahlkommission und den israelischen Behörden ausgehandelt werden konnte. Und ist etwas ähnlich wie das letzte Mal, in den letzten Wahlen für das Amt des Präsidenten vor einem Jahr. Wir hatten als EU natürlich gehofft, dass ein besseres System, oder eine bessere Lösung gefunden werden könnte, aber da es jetzt sehr spät war und nur wenige Tage vor der Wahl dieses System ausgehandelt werden konnte, werden wir natürlich vor Ort das beobachten und dann am Tag nach der Wahl unsere Einschätzungen über den Ablauf der Wahl abgeben.

    Heinlein: Der Sprecher der europäischen Wahlbeobachter in Palästina Matthias Eick.