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"Es geht nicht um eine Verstaatlichung auf Dauer"

Der Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz, Kurt Beck, hat sich mit Blick auf die Opel-Krise zufrieden gezeigt, dass mit dem Sanierungsplan des Opel-Aufsichtsrates nun ein prüfbares Konzept vorliege. In dem Papier würden offenbar wichtige Fragen wie beispielsweise die nach den Patenten und der Beziehung von Opel zu GM angesprochen. Rheinland-Pfalz sei nach wie vor bereit, einen Beitrag zum Gelingen des Rettungsplans zu leisten, so Beck.

Kurt Beck im Gespräch mit Wolfgang Labuhn |
    Wolfgang Labuhn: Herr Ministerpräsident, in Ihrem Bundesland Rheinland-Pfalz bangen im Moment rund 3500 Beschäftigte des Opel-Werkes Kaiserslautern um ihre Arbeitsplätze angesichts der schweren Krise, in die der Mutterkonzern in Amerika - GM - geraten ist. Nun hat der Opel-Aufsichtsrat ein Sanierungskonzept vorgelegt, das eine - wie es heißt - selbständige europäische Geschäftseinheit aus Opel und der britischen GM-Tochter Vauxhall vorsieht - ohne Werksschließungen, wie es heißt, aber weiterhin innerhalb des GM-Konzerns. Der Sanierungsbedarf für die neue GM-Europatochter wurde mit 3,3 Milliarden Euro beziffert. Einzelheiten sollen morgen der Bundesregierung präsentiert werden. Was halten Sie von diesem Konzept?

    Kurt Beck: Zunächst bin ich froh, dass jetzt ein Konzept vorliegt, das prüfbar ist. Und ich füge hinzu, dass das Land Rheinland-Pfalz auch weiterhin bereit ist, gemeinsam mit dem Bund und den drei anderen Standortländern in Deutschland einen Beitrag zu leisten, dass ein solcher Weg gelingen kann. Allerdings ist der darauf abgestellt, dass sich auch andere europäische Standorte an dieser Sanierungsanstrengung beteiligen. Darüber wird derzeit geredet.

    Labuhn: Der Bundeswirtschaftsminister zu Guttenberg hat in der vergangenen Woche ein staatliches Eingreifen bei Opel als verfrüht abgelehnt. Er sieht zunächst Banken und private Investoren in der Pflicht. Treten CDU und CSU, wenn es dabei bleibt, nach Ihrem Eindruck bei der Rettung von Opel auf die Bremse?

    Beck: Den Eindruck habe ich aus den Gesprächen nicht. Natürlich ist es so, dass die Eigner zunächst einmal Verantwortung wahrzunehmen haben. Aber in dem Konzept, das wir jetzt in den Grundzügen kennen, ist es so, dass einige Fragen, die ganz wichtig waren, geklärt scheinen. Das ist zum Beispiel die Frage: Wer hat die Rechte? Wer hat die Patente? Was wird erwartet, dass Opel-Deutschland, Opel-Europa noch für den Gesamtkonzern tut? Also, insofern sind wir ein Stück weiter. Diese Voraussetzungen sind prüffähig, und ich hoffe, dass sich darauf dann ein tragfähiges Gesamtkonzept bis - ich will mal hoffen - Mitte April aufbauen lässt.

    Labuhn: Nun sind auch schon kritische Stimmen laut geworden, und die sagen: Staatshilfe für Opel - das würde zu einer Wettbewerbsverzerrung führen, zur Benachteilung etwa deutscher Automobilhersteller, die besser gewirtschaftet haben als GM.

    Beck: Das will ich nicht hoffen. Ich glaube, dass wir nur helfen bis zu der Grenze, in der Überleben möglich ist und wieder überhaupt konkurriert werden kann mit den besseren, den spritsparenderen, den umweltfreundlicheren Motoren und Autos, mit leistungsfähigen Fahrzeugen, attraktiven Fahrzeugen über die unterschiedlichen Größenklassen hinweg. Also wir wollen helfen, dass Wettbewerb wieder stattfinden kann. Und ich glaube, alle, die vernünftig denken, sehen, dass Opel zum Portfolio der deutschen Automobilunternehmen immer dazu gehört hat und - wie ich hoffe - auch weiter dazu gehören wird.

    Labuhn: Ist das eine temporäre Staatshilfe, an die Sie denken, oder sollte der Staat sich dort auf Dauer einbringen - etwa, falls diese neue europäische GM-Tochter eine Aktiengesellschaft wird?

    Beck: Der Staat sollte sicher nicht Automobilunternehmer auf Dauer werden, aber ich schließe ausdrücklich zum jetzigen Zeitpunkt nicht aus, dass man sich auch in einer Beteiligung einbringt. Das hängt von den weiteren Gesprächen ab und von der Konstruktion, die notwendig ist. Und es hängt auch davon ab, wie sich die anderen europäischen Länder entsprechend einbringen werden. Also, kein Weg ist verschlossen. Aber es geht um eine Hilfe, es geht nicht um eine Verstaatlichung auf Dauer oder um staatliche Anteile, die auf Dauer angelegt sind.

    Labuhn: Es gibt andere deutsche Unternehmen mit großer Tradition, die Konkurs angemeldet haben - Schiesser, Märklin, ja auch die Schaeffler-Conti-Gruppe zum Beispiel ist in Nöte geraten. Wie soll sich die Politik jetzt verhalten, wenn auch andere Unternehmen die Hand aufhalten?

    Beck: Wir müssen natürlich bereit sein, in jedem Einzelfall differenziert zu prüfen - zum einen, ob es ein Unternehmensversagen ist, das dazu geführt hat, dass ein Unternehmen überhaupt nicht mehr rettbar ist. Zum Zweiten, ob es sich bei den aktuellen Problemen um konjunkturelle handelt, die aus der Weltfinanz- und Weltwirtschaftskrise resultieren, und zum Dritten, ob eine Rettung überhaupt möglich ist. Wenn letzteres gilt und wenn die anderen Voraussetzungen auf ein tragfähiges Zukunftskonzept zeigen, dann sollte aus meiner Sicht im Rahmen des Möglichen geholfen werden. Rheinland-Pfalz hat mit etwa 500 Unternehmen Verbindung und versucht also auch, kleinen, kleinsten und mittleren Unternehmen auf diese Art und Weise zu helfen. Also diese Versuche gelten nicht nur für große Unternehmen, sondern auch für kleine und mittelständische Unternehmen.

    Labuhn: Herr Beck, Sie haben der SPD ja als Vorsitzender unter anderem ein neues Parteiprogramm hinterlassen, das auf dem Hamburger Parteitag im Oktober 2007 verabschiedet wurde, und in dem Sie Wert auf die Feststellung legten, dass der demokratische Sozialismus für die SPD die Vision einer freien, gerechten und solidarischen Gesellschaft bleibe. Das ist seinerzeit von einigen belächelt worden. Aber das war vor dieser großen Krise. Jetzt erleben wir eine geradezu atemberaubende Entwicklung der großen westlichen Demokratien - hin zum regelrechten Staatskapitalismus, zur staatlichen Beteiligung an Banken, riesigen Konjunktur- und Rettungspaketen. Sehen wir vielleicht gerade jetzt den Einzug des demokratischen Sozialismus durch die - sagen wir einmal - kapitalistische Hintertür?

    Beck: Nein, keinesfalls kann es darum gehen, dass der Staat sozusagen als Kapitalist in allen möglichen Unternehmen Beteiligungen erwirbt und sich einmischt und damit Markt außer Kraft setzt. Aber es muss auch so sein, dass wir die unterschiedlichen Interessen der am Markt- und Wirtschaftsgeschehen Beteiligten sehen. Und dazu gehören eben die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, dazu gehören die Standortgemeinden und -regionen. Und deshalb ist es unsere Aufgabe, glaube ich, zu wägen, wo kann man helfen und wo muss im Interesse der Mehrzahl der Menschen - nicht eines einzelnen Unternehmens -
    dann auch stützend und unterstützend gehandelt werden. Also, insoweit: Das hat viel mit sozialer Verantwortung zu tun.

    Labuhn: Haben Sie das Gefühl, dass wir jetzt vor einer Zeitenwende stehen, in der sich das Verhältnis von Staat und Wirtschaft und Gesellschaft in Deutschland, aber auch anderswo, grundsätzlich verändert?

    Beck: Ich hoffe, dass es wieder eine Wertewende gibt, dass das, was das Verhalten zwischen anständigen guten Kaufleuten ausmacht, was die Fairness zwischen den unterschiedlichen Beteiligten ausmacht, also beispielsweise gerechter Lohn für gute Arbeit, anständige Arbeitsbedingungen und eine gute faire Grundlage im Wettbewerb miteinander in einer weltweit offenen Wirtschaft - dass diese Merkmale wieder stärker ziehen. Und ich hoffe auch, dass diese Gier nach kurzfristigen Erfolgen in Unternehmen abgelöst wird wieder durch ein verantwortliches Handeln, dass eben nach dem dauerhaften Wert des Unternehmens, nach der Erhaltung von Arbeitsplätzen, nach der Investitionsgrößenordnung und damit der Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens mehr fragt als nach Quartalsberichten.

    Labuhn: . . . sagt der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck, SPD, im Interview der Woche des Deutschlandfunks. Herr Beck, man könnte nun den Eindruck haben, dass die Finanz- und Wirtschaftskrise, die nun auch Deutschland erschüttert, eine Gelegenheit wäre, auf kleinliches Parteiengezänk zu verzichten. Man muss aber erleben, dass gar nicht so weit von hier, nämlich auf dem Mainzer Lerchenberg, das anders sein könnte: Die Verlängerung des Vertrages von ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender stößt im ZDF-Verwaltungsrat auf den Widerstand Ihres CDU-Kollegen Roland Koch, der den angeblich SPD-nahen Brender mit Hilfe der CDU-Mehrheit im Verwaltungsrat loswerden will. Begründung: Das Informationsangebot des ZDF habe sich unter dem Chefredakteur Brender verschlechtert. Was sagt denn der Vorsitzende des ZDF-Verwaltungsrates Kurt Beck zu diesen Vorgängen?

    Beck: Zunächst will ich daran erinnern, dass wir, die sozialdemokratische Seite, ganz selbstverständlich dem damaligen Vorschlag vor nunmehr neun Jahren des Intendanten gefolgt sind, Herrn Brender in diese Aufgabe zu berufen, obwohl er keinesfalls eine Nähe zur SPD hat. Und ich halte das auch für richtig. Wir haben den Intendanten selbstverständlich mitgetragen, und ich will versuchen, auch weiterhin dort so Politik zu machen, dass die Qualität eines Journalisten, die Unabhängigkeit eines Journalisten höher bewertet wird als Parteimitgliedschaft - die auch nicht verwerflich ist, aber eben das Qualitative höher gewertet wird. Und insoweit bin ich wirklich empört darüber, dass jetzt Gründe vorgeschoben werden, um Herrn Brender nicht zu verlängern. Denn er hat gute Arbeit gemacht, und zum Zweiten: Er hat einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet, dass wir die finanzpolitischen Ziele, die das ZDF sich vorgenommen hat, und dafür zeichnen wir als Verwaltungsrat besonders verantwortlich, dass diese Ziele eingehalten werden konnten. Das alles einfach wegzulassen und nur Negatives zu kommunizieren, zeugt davon: Es geht nicht um eine objektive Beurteilung, sondern um vorgeschobene Gründe, weil man - ja - "genehmeres Verhalten" von einem Chefredakteur erwartet, als es Herr Brender zeigt. Er hat Rückgrat, und das verdient Anerkennung. Zum Zweiten habe ich den Eindruck, dass es um mehr geht, dass man auch in Berlin in diesem Revirement angenehmere Leute sehen will für den CDU-Teil der Bundesregierung. Und ich habe eh‘ den Eindruck, dass dieser Druck nicht nur aus der hessischen Staatskanzlei, sondern eher und wahrscheinlich nach meiner Einschätzung stärker aus dem Kanzleramt kommt.

    Labuhn: Das heißt, Sie erwarten nicht, dass die CDU-Bundesvorsitzende, Bundeskanzlerin Angela Merkel, ihren Parteifreund Koch in dieser Angelegenheit zurückpfeifen wird?

    Beck: Ich wünschte es mir, weil besonnen zu handeln, dafür sollte es nie zu spät sein.

    Labuhn: Ist es denn überhaupt noch zeitgemäß, Herr Beck, den Parteien so viel Einfluss auf die Personalpolitik des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und Fernsehens einzuräumen, wie das im ZDF und vielleicht anderswo der Fall ist?

    Beck: Ich glaube, dass die Grundposition richtig ist, dass es nicht die Parteien sind, sondern dass es ein Stück staatlicher Verantwortung geben muss. Dazu stehe ich allerdings, auch für das ZDF, denn wir sind die Garanten, wir sind sozusagen in diesem Sinne die Eigner, die auch gerade stehen müssten, wenn es wirtschaftlich daneben geht. Das ist ja ein gigantisches Unternehmen. Und insoweit ist es natürlich nicht unschicklich, dass die Eigner auch an den wirtschaftlichen Entwicklungen eine gewisse Beteiligung und eine gewisse Mitsprache haben. Aber das, was sich da beim ZDF eingeschlichen hat und auch in manchem ARD-Sender, das geht zweifelsfrei zu weit. Das ist aber, glaube ich, nicht durch Satzungsänderungen oder Gesetze zu regeln, denn Strohleute, die vorgeschickt werden, die dann doch im Sinne von Parteien handeln, das ist viel schlimmer. Auch das haben wir beim ZDF erlebt. Da hat ein Mann bei der letzten Wahl des Intendanten mitgewirkt, der zu dieser Zeit schon auf der Payroll eines privaten Medienunternehmens gestanden hat. Ich glaube, das sind völlig unhaltbare Zustände. Also klar und offen: Eine klare Absprache, keine Dominanz des Staatlichen und keine Dominanz der Parteien - dann kommen wir schon zurecht. Das bedeutet auch Selbstdisziplin der Handelnden.

    Labuhn: Das Verhalten der Union löste in der vergangenen Woche noch bei einem anderen Thema Kopfschütteln aus, als nämlich die Unionsfraktionsspitze im Bundestag den Kompromiss zur Reform der Jobcenter ablehnte. Die ist nötig geworden, weil das Bundesverfassungsgericht die Arbeitsgemeinschaften von Bund und Kommunen bei der Betreuung von Hartz-IV-Empfängern, die sogenannten ARGEn, als grundgesetzwidrig bezeichnet hatte. Sie hatten daraufhin gemeinsam mit Bundesarbeitsminister Olaf Scholz und mit Ihrem nordrhein-westfälischen Amtskollegen Jürgen Rüttgers einen Vorschlag ausgearbeitet, der im Kern die ARGEn unverändert lassen will und statt dessen eine Anpassung des Grundgesetzes vorschlägt. Das hielt die Unionsfraktionsspitze angeblich für "kabarettreif". Was sagen Sie dazu?

    Beck: Ich glaube, das ist wirklich ein Bubenstück, denn es gab einen klaren Auftrag aus der Mitte der Bundesregierung und der Ministerpräsidenten anlässlich einer Zusammenkunft, wie wir sie regelmäßig haben. Dort sind der Bundesarbeitsminister, der zuständig ist, der Kollege Rüttgers und ich beauftragt worden, einen Weg zu suchen. Das haben unsere Arbeitsminister zunächst vorbereitet und wir haben dann die Verhandlung geführt, waren uns in der Sache einig, dass das ein vernünftiger Kompromiss ist, der Handlungsfähigkeit im Interesse der Menschen, aber auch der Kommunen herstellt. Und dann kam wirklich völlig unerwartet, auch für Herrn Rüttgers, wie er mir gesagt hat - ich habe gleich mit ihm dann telefoniert -, diese Verweigerungshaltung der Unionsfraktion. Das ist, glaube ich, eher der Versuch, dem sozialdemokratischen Minister innerhalb der Bundesregierung keinen Erfolg zu gönnen. Und ich muss sagen, bei so wichtigen Fragen, eigentlich Sachfragen, keine Fragen, die parteipolitisch zu entscheiden sind, ist es schon unglaublich, wenn dann so gehandelt wird. Und wenn man solche Worte gebraucht, auch dem eigenen Ministerpräsidenten gegenüber, der ja mit verhandelt hat und Einvernehmen erklärt hat, dann spricht das für sich.

    Labuhn: Erwarten Sie ein Eingreifen der Bundeskanzlerin?

    Beck: Eindeutig ja. Das ist eine Frage, da muss die Kanzlerin Klarheit schaffen. Wenn eine Absprache zwischen Bundesregierung und allen Ländern dann so konterkariert wird durch die Union, dann ist die Kanzlerin gefordert, Klarheit zu schaffen.

    Labuhn: Herr Beck, zu einem ganz anderen Thema: Sie haben in diesem Jahr wieder unbeschwert Karneval feiern können in Rheinland-Pfalz, denn seit jenem denkwürdigen Sonntag am Schwielowsee in Brandenburg, an dem Sie als SPD-Vorsitzender zurückgetreten sind, ist nun ein halbes Jahr ins Land gegangen. Sie haben Ihren Rücktritt seinerzeit mit gezielten Falschinformationen begründet, die darauf angelegt gewesen seien, dem Parteivorsitzenden keinen Handlungs- und Entscheidungsspielraum zu belassen und Ihnen deshalb die Möglichkeit nahmen, Ihr Amt mit der nötigen Autorität auszuüben. Das ist ein Zitat aus Ihrer schriftlichen Erklärung, die Sie seinerzeit nachreichten. Denn eigentlich wollten Sie ja am Schwielowsee selbst Frank-Walter Steinmeier als SPD-Kanzlerkandidaten präsentieren. Sie mussten dann erleben, dass dies vorher durchgestochen und den Medien bekannt gemacht wurde. Haben Sie eigentlich inzwischen mehr Klarheit gewonnen über das, was seinerzeit passierte?

    Beck: Ja, mir sind die Abläufe und die Handelnden zwischenzeitlich bekannt. Und insoweit hat sich meine damalige Einschätzung voll und ganz bestätigt. Deshalb bin ich auch mit der Entscheidung, die ich getroffen habe, völlig im Reinen. Es hat mir leid getan, dass ich diese Aufgabe nicht zu Ende bringen konnte, wie ich es mir vorgenommen habe. Aber die Entscheidung war notwendig und deshalb auch richtig. Und ich wünsche Franz Müntefering und Frank-Walter Steinmeier viel Erfolg, und meine Unterstützung haben beide. Und das ist ohne jeden Hintergedanken nicht nur gesagt, sondern wird auch so gemacht.

    Labuhn: Das heißt, es sind keine Rechnungen mehr offen?

    Beck: Ich habe mir selber verboten, solche Rechnungen aufzumachen und habe mir auch selber untersagt, da nachzutreten. Ich will, dass die Sozialdemokratie Erfolg hat. Ich will, dass ein Beitrag geleistet werden kann aus sozialdemokratischen, aus unseren Reihen, dass Deutschland nicht nur wieder wirtschaftlich auf die Beine kommt und finanzpolitisch, sondern auch sozial eben so ausgerichtet wird, dass die Menschen nicht unter die Räder kommen. Denn es ist höchste Zeit, dass wir daran erinnern und dass nicht immer mehr Menschen, obwohl sie vollschichtig arbeiten, von ihrem Lohn nicht leben können. Und es darf auch nicht so sein, dass immer mehr Menschen in ungesicherte Arbeitsverhältnisse rutschen. Das kann und darf nicht die Zukunft der sozialen Marktwirtschaft sein.

    Labuhn: Dennoch, Herr Beck, fühlten Sie sich seinerzeit als Opfer eines Putsches?

    Beck: Wissen Sie, mit Putsch, das ist immer so etwas, was ja auch mit einer größeren Organisation zu tun hat. Ich will auch gar nicht mehr richten und aufarbeiten. Ich habe in meinem Buch das, was ich an Eindrücken hatte, aufgeschrieben. Ich habe öffentlich dazu Stellung genommen. Und es ist eine Phase meines Lebens und meiner Arbeit, die hinter mir liegt. Jetzt wird nach vorne geschaut. Es stehen Europawahlen an, in Rheinland-Pfalz und in anderen Ländern auch Kommunalwahlen Anfang Juni, und es kommen dann Landtagswahlen und eine Bundestagswahl. Das wird mich voll in Anspruch nehmen, und meine Hauptkraft gilt dem Land Rheinland-Pfalz, einem wunderschönen Land, das sich an die Spitze der deutschen Länder hochgearbeitet hat. Und darauf können die Menschen stolz sein und dafür arbeite ich gern.

    Labuhn: Das heißt, Sie haben mittlerweile auch Ihren Frieden mit der jetzigen SPD-Führung geschlossen? Die Wunden sind verheilt?

    Beck: Ich hatte nie Unfrieden und die Wunden sind verheilt. Aber natürlich bleiben Narben nach solchen Erfahrungen.

    Labuhn: Was würden Sie im Rückblick, wenn man das etwas nüchterner betrachten kann, vielleicht als Ihren größten Fehler während Ihrer Zeit als SPD-Vorsitzender bezeichnen?

    Beck: Ich bitte Sie um Verständnis, dass ich nicht jetzt noch einmal von vorne anfangen möchte. Natürlich, wenn man die Dinge im Nachhinein betrachtet, wenn man Erfahrungen gemacht hat, dann ist man sich gewiss, dass man manches hätte anders machen sollen. Aber wenn man vor die Frage gestellt ist, ob man mit harter Hand Menschen auswechselt, ohne ihnen eine Chance gegeben zu haben, Loyalitäten zu zeigen, wenn man eine Vorstellung hat, dass solidarisches Verhalten eben auch nach innen gelten muss und dass der Kampfeswille nach außen gerichtet sein sollte, wenn dem dann nicht gefolgt ist, dann weiß man im Nachhinein, man hätte es härter angehen können, müssen, sollen. Ich lasse das offen, weil es müßig ist, jetzt noch darüber nachzudenken.

    Labuhn: Das heißt, Sie hätten kräftiger auf die Büsche klopfen sollen, die Sie oft erwähnt haben?

    Beck: Vielleicht, aber wie gesagt, das ist verschüttete Milch, und die kriegt keiner mehr ins Glas zurück.

    Labuhn: Herr Beck, unter dem jetzigen SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering ist die SPD nicht aus dem Umfragetief heraus gekommen. Im Gegenteil, sie steht eigentlich schlechter da als vorher, obwohl ihren Kabinettsmitgliedern ja gute Arbeit bescheinigt wird. Wir erklären Sie sich das?

    Beck: Es gibt sicher eine Reihe von Erklärungen, die zu meiner Zeit gegolten haben und die jetzt auch gelten. Es ist natürlich schon ein unglaublicher Aderlass gewesen, dass nach den Grünen, die sich ja auch teilweise aus sozialdemokratischem Wählerklientel und Politikerklientel gespeist haben, jetzt vor wenigen Jahren eine erneute Abspaltung von der SPD zu verzeichnen ist. Man spürt, dass wir noch sehr darum kämpfen müssen, das soziale Vertrauen unserer Kernwählerschaft wieder ganz zu festigen. Und diese Risse sind merkbar. Es wird daran gearbeitet, das zu überwinden. Das will ich ausdrücklich anerkennen. Aber es ist eben spürbar. Und wenn Leute dann Umfragemöglichkeiten haben, um sich kritisch zu äußern, dann tun sie dies. Aber ich bin auch ziemlich sicher, dass eine Bundestagswahl, wo es um die grundlegende Ausrichtung dieser Republik geht, wollen wir Schwarz-gelb mit allen Erwartungen, die damit verbunden sind, dass eine hart wirtschaftsinteressierte und wirtschaftsorientierte Politik gemacht wird - ich glaube, dass, wenn solche Fragen anstehen, die Leute dann sehr wohl zur Sozialdemokratie in größerem Maße zurückkehren als bei Umfragen oder bei Wahlen, die sie für nicht so wichtig einschätzen, was ich bedauere, aber was man wohl so bewerten darf.

    Labuhn: Ist die SPD für dieses Superwahljahr 2009 personell und programmatisch wirklich gut aufgestellt?

    Beck: Wir sind an der Spitze mit Frank-Walter Steinmeier gut aufgestellt. Über alle anderen Fragen muss der Bundesvorstand Entscheidungen treffen. Das ist jetzt nicht mehr meine erste Aufgabe. Ich werde meinen Beitrag leisten im Wahlkampf, aber alles andere kann ich auch mangels Teilnahme an den Entscheidungsgremien überhaupt nicht wirklich intensiv genug beurteilen.

    Labuhn: Aber Sie werden sich Gedanken machen. Was sollte im Vorlauf zur Bundestagswahl etwa auf Seiten der SPD besser laufen?

    Beck: Ich habe immer Leute nicht besonders gemocht, die in der Politik oder in der Wirtschaft oder in Gewerkschaften oder in militärischer Verantwortung, wenn sie aus der Verantwortung ausgeschieden sind, dann öffentlich verkündet haben, was man anders machen sollte. Ich hatte einen klaren Weg im Kopf, wie das aussehen soll. Jetzt gibt es eine andere Führungsspitze, und ich billige ihr zu, dass sie dies ihrerseits jetzt entsprechend entwickeln kann. Also, ich bin da keiner, der Ratschläge von außen erteilt.

    Labuhn: Eine Wahl dieses Jahres haben wir nicht erwähnt, die des Bundespräsidenten am 23. Mai. Die SPD hat dafür Frau Professor Gesine Schwan als Kandidatin aufgestellt, und sie gilt als relativ chancenlos, vor allen Dingen nach dem Ausgang der hessischen Landtagswahl. War ihre Nominierung wirklich eine gute Idee?

    Beck: Ich glaube, es war richtig. Es gab viele Menschen, weit über die Sozialdemokratie hinaus, die eine Alternative gewünscht haben, eine Alternative zu einem Bundespräsidenten, den ich schätze und achte, aber der doch ein bestimmtes Wirtschaftsbild auch hat. Und insoweit war es, glaube ich, richtig, dass die SPD nicht sozusagen mit Enthaltungen oder mit Nein-Stimmen reagiert, sondern eine demokratische Alternative anbietet. Und das ist Frau Schwan ohne Zweifel. Also, insoweit war die Entscheidung aus meiner Sicht richtig. Und die Bundesversammlung besteht aus unabhängigen Wahlfrauen und Wahlmännern, und wir werden sehen, wie die Dinge ausgehen.

    Labuhn: Herr Beck, eine letzte Frage. Sie haben zwei, drei sehr bewegte Jahre in Ihrer politischen Laufbahn hinter sich. Macht Ihnen die Politik noch so richtig Spaß?

    Beck: Oh ja, das muss ich sagen. Da ist noch viel Leidenschaft. Und ich erwische mich jeden Tag dabei, wie ich mich maßlos ärgere, wenn Dinge geschehen, die ich für Unrecht halte. Und ich habe immer gesagt, so lange ich diesen inneren Antrieb noch habe und diesen Eifer, dann will ich auch etwas verändern, wenn ich solche Eindrücke habe, so lang ist, glaube ich, das Feuer noch da. Und dieses Feuer, gemischt mit einer doch wohl zwischenzeitlich ganz ordentlich gewachsenen Erfahrung im 15. Dienstjahr als Ministerpräsident, im 30. Jahr als Abgeordneter, das, glaube ich, gibt mir die Kraft und durchaus auch einiges an Einfluss und Gestaltungsmöglichkeit. Ich mache es gern.