Archiv


"Es geht nicht um mich, es geht um mein Land"

Vor zehn Jahren, am 21. November 2000, verstarb die tschechische Lauf-Legende Emil Zatopek, einer der größten Sportler des vergangenen Jahrhunderts. Er wurde zunächst als Athlet ein Volksheld, dann auch durch sein mutiges Auftreten gegen die sowjetischen Besatzer nach der Niederschlagung des sogenannten "Prager Frühlings" im Jahre 1968.

Von Thomas Purschke |
    "Zatopek, dem Ziel entgegeneilend und alles andere hinter ihm geschlagen. Bravo Zatopek! Bravo Zatopek! Ein unheimlicher Lauf, ein grandioser Mann, durch's Ziel. Sieger im 10.000 Meter- Lauf, der Tschechoslowake Emil Zatopek."

    Emil Zatopek wurde nach seinem 10.000 Meter-Olympiasieg bei den Olympischen Spielen 1952 in Helsinki zur Legende. Bereits 1948 in London hatte er Gold über 10.000 Meter geholt, damals entstand der Begriff der "tschechischen Lokomotive"- Zatopek praktizierte einen unorthodoxen Laufstil, mit schmerzverzerrtem Gesicht und weit ausladenden Armen.

    In Helsinki wurde er Olympiasieger auf allen Langstrecken: Im Marathonlauf, über 10.000 und über 5.000 Meter, als er den als Favoriten gehandelten Deutschen Herbert Schade übersprintete. Zatopeks Frau Dana, die er nach den Spielen heiratete, wurde in Helsinki Olympiasiegerin im Speerwerfen.

    Der 1922 im mährischen Koprivnice geborene Leichtathlet wurde in seiner Heimat Tschechoslowakei ein Volksheld, der als Athlet des Armeesportklubs Dukla Prag von der kommunistischen Staatsführung als Vorzeigefigur instrumentalisiert wurde. Sie beförderte ihn bis zum Oberst der Armee, wo er für den Sport zuständig war, wobei er das nicht so ernst nahm; er bezeichnete sich selbst als "Oberst honoris causa". Als ein warmherziger Kleinbürger fand er im Sport seine Erfüllung, und als eine Art Schweijk in Laufschuhen sorgte er für bleibende Zitate wie "Vogel fliegt, Fisch schwimmt, Mensch läuft."

    Zatopek, auch Mitglied der Kommunistischen Partei, hatte im Ausland als Athlet die Rede- und Reise-Freiheit schätzen gelernt. Er beteiligte sich aktiv am Prager Frühling 1968, als die Tschechoslowaken gegenüber den kommunistischen Machthabern mehr Mitbestimmung und Demokratie einforderten. Zatopek war Mitunterzeichner des "Manifests der 2000 Worte".

    Nach dem Einmarsch der Sowjets in Prag trat er mutig den Besatzern entgegen. Auf dem Prager Wenzelsplatz kletterte er sogar auf einen sowjetischen Panzer, später verteilte er Flugblätter, um den raschen Abzug der Besatzer zu fordern. Daraufhin wurde er degradiert, aus Armee und Partei entlassen und musste zur Strafe im Bergbau und bei der Müllabfuhr arbeiten.

    Dem Rundfunksender RIAS Berlin sagte Zatopek im Mai 1969, einige Monate nach der gewaltsamen Niederschlagung des Prager Frühlings durch die Truppen des Warschauer Pakts:

    "Ich halte es für unmodern, mit Waffen die Welt zu ändern. Man soll mit Gedanken und mit Vernunft und mit guten Absichten die Welt ändern, aber nicht mit Waffen. Ich bin ganz ruhig, weil: Es geht nicht um mich. Aber es geht um die Verhältnisse in diesem Lande."

    Nachdem Zatopek 1971 gegenüber der Zeitung "Rude Pravo", auf Drängen eines Sportjournalisten hin, sich für sein couragiertes Handeln im Jahr 1968 entschuldigt hatte, lockerten die Machthaber ein wenig die Zügel. Zatopek durfte wieder auf Reisen gehen und erhielt 1974 eine Anstellung im Sport-Dokumentationszentrum in Prag.

    Bis zu seinem Lebensende reisten Zatopek und seine Frau Dana, die beide die deutsche Sprache beherrschten, durch die Welt und besuchten zahlreiche Sportveranstaltungen. Auch in der Bundesrepublik Deutschland waren die Zatopeks, die immer bescheiden blieben und nie den Humor verloren, oft zu Gast.

    Während des Laufs zur Eröffnung der Trimm-Dich-Saison 1986 in Arolsen, die unter dem Motto stand "Laufen ohne zu schnaufen", sagte Emil Zatopek in einem Deutschlandfunk-Interview:

    "Das war sehr schön, herrliches Wetter, in so schöner Landschaft. Und bei der Teilnahme von den Kleinsten, bis zu den ältesten Leuten, das ist ein Vergnügen.”"

    ""Hat Laufen eine Zukunft?"

    ""Ja, das ist eine so enorme Entwicklung in der ganzen Welt, aber auch in Deutschland ist eine ganz erstaunliche Neigung zu sportlicher Aktivität vorhanden.”"
    Zatopeks erster Trainer Jan Haluza, heute 96 Jahre alt, wurde am 28. Oktober diesen Jahres vom tschechischen Staatspräsidenten Vaclac Klaus für sein Einstehen für Demokratie und Menschlichkeit, besonders in der Zeit der kommunistischen Diktatur, ausgezeichnet.
    Emil Zatopek verstarb am 21. November 2000, heute vor zehn Jahren, im Alter von 78 an den Folgen eines Gehirnschlages. Bei der Trauerfeier vor 600 Ehrengästen aus aller Welt im Prager Nationaltheater verlieh ihm der damalige Präsident des Internationalen Olympischen Komitees, Samaranch, posthum die Coubertin-Medaille.