Stefan Heinlein: Traktoren auf dem Kudamm, Proteste in Gummistiefeln vor dem Reichstag – es ist gar nicht so lange her, da gingen die Landwirte auf die Straße, um gegen die deutsche und europäische Agrarpolitik zu protestieren. Doch mittlerweile sind die Bauern in ihre Dörfer zurückgekehrt. Die Lage hat sich beruhigt, die Preise für landwirtschaftliche Produkte sind gestiegen und damit auch die Einkommen der meisten Betriebe. Weitgehend Zufriedenheit deshalb auch auf dem Deutschen Bauerntag in Berlin. Allein die anstehende Neuregelung der europäischen Agrarsubvention sorgt für einige Sorgenfalten. Heute der Auftritt von Ministerin Aigner auf dem Bauerntag.
Am Telefon nun der Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf. Guten Morgen!
Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf: Guten Morgen, Herr Heinlein.
Heinlein: Es geht wieder aufwärts, so der Bauernpräsident. Teilen Sie diese Zuversicht?
Graefe zu Baringdorf: Na ja, es hat sich etwas beruhigt. Für den Bauernverband wird die Spaltung nicht mehr so sichtbar. Aber der Bauernverband hat in der Milchauseinandersetzung über ein Drittel seiner Mitglieder verloren und er vertritt nicht mehr die bäuerlichen Betriebe, sondern eher die agrarindustrielle Produktion, und dementsprechend macht er auch Politik. Es geht um eine Exportstrategie aus einer Europäischen Union, die eigentlich keine Überschüsse erzeugt, sondern diese Überschüsse, die dann von der Agrarindustrie, ja nicht von den Bauern, in den Export gehen, beruhen auf Futtermittelimporten aus Ländern der Dritten Welt, und dieser Kreislauf ist weder für die deutschen Bauern noch für die Bauern in den Ländern der Dritten Welt zufriedenstellend.
Heinlein: Geht es da, Herr Graefe zu Baringdorf, um einen Grundsatzstreit, hier die ökologischen Kleinbetriebe und auf der anderen Seite die großen landwirtschaftlichen Unternehmen, die wenig Rücksicht auf Natur und Umwelt nehmen?
Graefe zu Baringdorf: Nein, Herr Heinlein, es geht nicht um Groß und Klein, sondern es geht um die Art der Produktion. Es geht tatsächlich um bäuerlich-ökologische Erzeugung, und zwar von Lebensmitteln, und es geht um agrarindustrielle Produktion von Rohstoffen für die Ernährungsindustrie für den Export, und hier spalten sich die Interessenlagen und der Bauernverband hat sich also klar für die agrarindustrielle Industrie positioniert, und der Bund der deutschen Milchviehhalter und die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft stehen also für eine bäuerlich-ökologische Landwirtschaft.
Heinlein: Geht es denn den kleinen ökologischen Bauernhöfen schlechter als den großen Agrarbetrieben, denn Bio ist ja im Trend?
Graefe zu Baringdorf: Ja. Wir haben eine Förderung aus Brüssel, an der der Bauernverband nun zäh festhält, die dazu führt, dass, sagen wir, ein Prozent der Betriebe 30 Prozent der Gelder kriegt in Deutschland; grob genommen 20 Prozent der Betriebe erhalten in Europa 80 Prozent der Förderungen aus Brüssel von diesen 60 Milliarden, und das ist eine Wettbewerbsverzerrung zulasten der bäuerlichen Betriebe. Wir mit den kleinen bäuerlichen Betrieben haben uns an regionalen Märkten, an höherpreisigen regionalen Märkten etabliert. Das sichert uns etwas ab, aber es ist weltweit ein Druck auf die bäuerliche Erzeugung durch Rationalisierungsförderung und eben niedrige Preise, zu denen die bäuerlichen Betriebe nicht arbeiten können.
Heinlein: Früher galt ja in Sachen EU-Agrarsubvention, wer viel produziert, bekommt viel Geld von der EU. Nun läuft es ja ganz anders mit diesen Direktzahlungen, und selbst die OECD sagt ja, dass nun alles viel gerechter zugeht. Sie aber nicht?
Graefe zu Baringdorf: Nein! Das ist einfach umgewidmet worden zu Hektar-Prämien. Man bekommt je Hektar 300 Euro. Wenn jetzt ein Betrieb, ein rationalisierter Großbetrieb 400 Hektar je Arbeitskraft macht, dann bekommt er 120.000 Euro je Arbeitskraft, und ein bäuerlicher Betrieb bekommt pro Arbeitskraft ein Zehntel. Da liegt die Wettbewerbsverzerrung. Wir brauchen eine Qualifizierung nach gesellschaftlichen Leistungen und vor allen Dingen nach dem Arbeitseinsatz in der Landwirtschaft.
Heinlein: Einen Punkt möchte ich noch ansprechen, Herr Graefe zu Baringdorf. Der Bauernpräsident Sonnleitner fordert mehr Realismus im Umgang mit der Gentechnik. Das ist eine Forderung, die Sie bestimmt nicht goutieren?
Graefe zu Baringdorf: Nein, nein. Die Gentechnik ist die Weiterentwicklung, die Zuspitzung der agrarindustriellen Produktion. Der Bauernverband hat große Probleme, weil weder die Verbraucher noch die Bauern die Gentechnik wollen, aber er versucht sie, weil er Industrieinteressen vertritt, durchzusetzen, und das propagiert er jedes Mal. Das geht nun schon zehn, 15 Jahre lang. Sie hat nicht sehr viel Erfolg damit, aber trotzdem kommt jedes Mal die Gentechnik wieder auf die Platte.
Heinlein: Ist denn bei Gentechnik alles Teufelszeug? Gibt es da nicht durchaus auch positive Aspekte?
Graefe zu Baringdorf: Na ja, es ist eine Frage, von wo es kommt, vom Himmel oder vom Teufel. Das ist nicht ausgemacht. Das Problem bei der grünen Gentechnik ist anders als bei der Medizin, weil hier freigesetzt wird in die Öffentlichkeit, in die Umwelt, und wir wissen nicht, wie sich diese Risikotechnologie verhalten wird, und darum ist Vorsicht geboten. Aber der Bauernverband setzt sich über diese Vorsicht hinweg, über diese Risiken, und sie bleiben dann schließlich den Bauern und sie haben mit ihrem Boden und der Verseuchung des Bodens dann zu tun und müssen dafür geradestehen.
Heinlein: Kämpfen Sie da nicht gegen Windmühlen? Ist der Zug in Richtung Gentechnik nicht längst abgefahren, gucken wir auf die anderen europäischen Länder?
Graefe zu Baringdorf: Das soll immer glauben gemacht werden. Nein, nein, Europa ist im Wesentlichen Gentechnik-frei. Deswegen versucht die Kommission, jetzt auch in Sachen Gentechnik etwas Gas zu geben. Sie haben es bislang nicht geschafft, Zulassungen im großen Stil durchzusetzen. Das hat aber auch damit zu tun, dass die Ketten sich weigern, Gentechnik-Produkte zu listen, weil sie dann Umsatzeinbußen durch die Verbraucher zu erleiden haben.
Heinlein: Haben Sie vor diesem Hintergrund Hoffnung, dass die Bundesregierung Ihre Forderung nach keiner Gentechnik unterstützt?
Graefe zu Baringdorf: Wir sind ganz gut im Geschäft, weil es um mehr geht als Nahrungsmittelproduktion. Es geht um Artenvielfalt, es geht um Klima. Das alles spielt in die Qualitäten der Politik hinein. Von daher ist der Bauernverband eher in die Ecke gedrängt, sich mit der Interessenvertretung der Industrie auseinanderzusetzen, während wir immer stärker mit den Verbrauchern zusammen die bäuerliche Landwirtschaft vertreten.
Heinlein: Abschluss des Deutschen Bauerntages heute in Berlin. Im Deutschlandfunk dazu heute Morgen der Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf. Ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören.
Graefe zu Baringdorf: Ich danke auch.
Am Telefon nun der Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf. Guten Morgen!
Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf: Guten Morgen, Herr Heinlein.
Heinlein: Es geht wieder aufwärts, so der Bauernpräsident. Teilen Sie diese Zuversicht?
Graefe zu Baringdorf: Na ja, es hat sich etwas beruhigt. Für den Bauernverband wird die Spaltung nicht mehr so sichtbar. Aber der Bauernverband hat in der Milchauseinandersetzung über ein Drittel seiner Mitglieder verloren und er vertritt nicht mehr die bäuerlichen Betriebe, sondern eher die agrarindustrielle Produktion, und dementsprechend macht er auch Politik. Es geht um eine Exportstrategie aus einer Europäischen Union, die eigentlich keine Überschüsse erzeugt, sondern diese Überschüsse, die dann von der Agrarindustrie, ja nicht von den Bauern, in den Export gehen, beruhen auf Futtermittelimporten aus Ländern der Dritten Welt, und dieser Kreislauf ist weder für die deutschen Bauern noch für die Bauern in den Ländern der Dritten Welt zufriedenstellend.
Heinlein: Geht es da, Herr Graefe zu Baringdorf, um einen Grundsatzstreit, hier die ökologischen Kleinbetriebe und auf der anderen Seite die großen landwirtschaftlichen Unternehmen, die wenig Rücksicht auf Natur und Umwelt nehmen?
Graefe zu Baringdorf: Nein, Herr Heinlein, es geht nicht um Groß und Klein, sondern es geht um die Art der Produktion. Es geht tatsächlich um bäuerlich-ökologische Erzeugung, und zwar von Lebensmitteln, und es geht um agrarindustrielle Produktion von Rohstoffen für die Ernährungsindustrie für den Export, und hier spalten sich die Interessenlagen und der Bauernverband hat sich also klar für die agrarindustrielle Industrie positioniert, und der Bund der deutschen Milchviehhalter und die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft stehen also für eine bäuerlich-ökologische Landwirtschaft.
Heinlein: Geht es denn den kleinen ökologischen Bauernhöfen schlechter als den großen Agrarbetrieben, denn Bio ist ja im Trend?
Graefe zu Baringdorf: Ja. Wir haben eine Förderung aus Brüssel, an der der Bauernverband nun zäh festhält, die dazu führt, dass, sagen wir, ein Prozent der Betriebe 30 Prozent der Gelder kriegt in Deutschland; grob genommen 20 Prozent der Betriebe erhalten in Europa 80 Prozent der Förderungen aus Brüssel von diesen 60 Milliarden, und das ist eine Wettbewerbsverzerrung zulasten der bäuerlichen Betriebe. Wir mit den kleinen bäuerlichen Betrieben haben uns an regionalen Märkten, an höherpreisigen regionalen Märkten etabliert. Das sichert uns etwas ab, aber es ist weltweit ein Druck auf die bäuerliche Erzeugung durch Rationalisierungsförderung und eben niedrige Preise, zu denen die bäuerlichen Betriebe nicht arbeiten können.
Heinlein: Früher galt ja in Sachen EU-Agrarsubvention, wer viel produziert, bekommt viel Geld von der EU. Nun läuft es ja ganz anders mit diesen Direktzahlungen, und selbst die OECD sagt ja, dass nun alles viel gerechter zugeht. Sie aber nicht?
Graefe zu Baringdorf: Nein! Das ist einfach umgewidmet worden zu Hektar-Prämien. Man bekommt je Hektar 300 Euro. Wenn jetzt ein Betrieb, ein rationalisierter Großbetrieb 400 Hektar je Arbeitskraft macht, dann bekommt er 120.000 Euro je Arbeitskraft, und ein bäuerlicher Betrieb bekommt pro Arbeitskraft ein Zehntel. Da liegt die Wettbewerbsverzerrung. Wir brauchen eine Qualifizierung nach gesellschaftlichen Leistungen und vor allen Dingen nach dem Arbeitseinsatz in der Landwirtschaft.
Heinlein: Einen Punkt möchte ich noch ansprechen, Herr Graefe zu Baringdorf. Der Bauernpräsident Sonnleitner fordert mehr Realismus im Umgang mit der Gentechnik. Das ist eine Forderung, die Sie bestimmt nicht goutieren?
Graefe zu Baringdorf: Nein, nein. Die Gentechnik ist die Weiterentwicklung, die Zuspitzung der agrarindustriellen Produktion. Der Bauernverband hat große Probleme, weil weder die Verbraucher noch die Bauern die Gentechnik wollen, aber er versucht sie, weil er Industrieinteressen vertritt, durchzusetzen, und das propagiert er jedes Mal. Das geht nun schon zehn, 15 Jahre lang. Sie hat nicht sehr viel Erfolg damit, aber trotzdem kommt jedes Mal die Gentechnik wieder auf die Platte.
Heinlein: Ist denn bei Gentechnik alles Teufelszeug? Gibt es da nicht durchaus auch positive Aspekte?
Graefe zu Baringdorf: Na ja, es ist eine Frage, von wo es kommt, vom Himmel oder vom Teufel. Das ist nicht ausgemacht. Das Problem bei der grünen Gentechnik ist anders als bei der Medizin, weil hier freigesetzt wird in die Öffentlichkeit, in die Umwelt, und wir wissen nicht, wie sich diese Risikotechnologie verhalten wird, und darum ist Vorsicht geboten. Aber der Bauernverband setzt sich über diese Vorsicht hinweg, über diese Risiken, und sie bleiben dann schließlich den Bauern und sie haben mit ihrem Boden und der Verseuchung des Bodens dann zu tun und müssen dafür geradestehen.
Heinlein: Kämpfen Sie da nicht gegen Windmühlen? Ist der Zug in Richtung Gentechnik nicht längst abgefahren, gucken wir auf die anderen europäischen Länder?
Graefe zu Baringdorf: Das soll immer glauben gemacht werden. Nein, nein, Europa ist im Wesentlichen Gentechnik-frei. Deswegen versucht die Kommission, jetzt auch in Sachen Gentechnik etwas Gas zu geben. Sie haben es bislang nicht geschafft, Zulassungen im großen Stil durchzusetzen. Das hat aber auch damit zu tun, dass die Ketten sich weigern, Gentechnik-Produkte zu listen, weil sie dann Umsatzeinbußen durch die Verbraucher zu erleiden haben.
Heinlein: Haben Sie vor diesem Hintergrund Hoffnung, dass die Bundesregierung Ihre Forderung nach keiner Gentechnik unterstützt?
Graefe zu Baringdorf: Wir sind ganz gut im Geschäft, weil es um mehr geht als Nahrungsmittelproduktion. Es geht um Artenvielfalt, es geht um Klima. Das alles spielt in die Qualitäten der Politik hinein. Von daher ist der Bauernverband eher in die Ecke gedrängt, sich mit der Interessenvertretung der Industrie auseinanderzusetzen, während wir immer stärker mit den Verbrauchern zusammen die bäuerliche Landwirtschaft vertreten.
Heinlein: Abschluss des Deutschen Bauerntages heute in Berlin. Im Deutschlandfunk dazu heute Morgen der Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf. Ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören.
Graefe zu Baringdorf: Ich danke auch.