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"Es geht um eine Kultur, die wirklich hauptstadtwürdig ist"

Der designierte Kurator des Hauptstadt-Kulturfonds, Elmar Weingarten, hat sich dafür ausgesprochen, die Förderung der Berliner Kultur im Geiste seiner Vorgängerin fortzuführen. Dabei wolle er aber den Kulturbegriff nicht auf die Hochkultur einengen, sagte Weingarten. Es gehe um die Förderung einer Kultur, "die wirklich hauptstadtwürdig ist". Das bedeute für ihn, dass die Kultur reichhaltig sei und einen innovativen Charakter habe, der über die Stadt hinaus weist.

Moderation: Karin Fischer |
    Michael Köhler: Das Land Berlin ist pleite. Das ist nicht neu. Und kapitalintensive Kulturprojekte werden da gern schon mal auf den so genannten Prüfstand gestellt. Vor der Bundestagswahl gab es Kritik am Hauptstadtkulturfonds, davon reichlich. Nicht zuletzt wegen des Vorhabens aus 2003, eine RAF-Ausstellung zu finanzieren. Im Regierungsentwurf für den Haushalt 2006 sind nun - man höre und staune - 10,2 Millionen Euro fortgeschrieben worden. Ein bisschen weniger als beim letzten Mal, aber immerhin. Der Berlin erfahrene frühere Intendant und Musikmanager Elmar Weingarten übernimmt zum 1. Mai von Adrienne Goehler die Position des Kurators, die dann satzungsgemäß ausscheidet. An ihn die Frage: Herr Weingarten, bedeutet die Bereitstellung von Mitteln so was wie Planungssicherheit?

    Elmar Weingarten: Ja, ich denke schon. Ich habe ein ausführliches Gespräch mit Minister Neumann gehabt und er hat mir einmal erzählt von den Bedenken, die auch in beiden Fraktionen, die jetzt die Regierung tragen, bestehen, und dass da auch Diskussionsbedarf bestand. Aber das Ergebnis ist, dass er sagt: Einmal für Berlin ist es wichtig, diesen Hauptstadtkulturfonds zu erhalten, und zum anderen auch als Signal für die Kultur der Hauptstadt, die auch ausstrahlen soll in den ganzen Bund.

    Köhler: Sie sagen beziehungsweise referieren Staatsminister Neumann: Für Berlin ist es wichtig. Es hatte ja vor der Bundestagswahl Kritik gegeben an einigen Förderungsprogrammen, Unzufriedenheit über die Arbeit teilweise, weil unter anderem Projekte gefördert wurden, die in den Augen mancher vielleicht nicht so wichtig waren: Hebbel am Ufer, Sophiensäle, Festival "Tanz im August", Neuer Berliner Kunstverein, Kunstwerke, Kunstraum Kreuzberg und so weiter - man könnte noch mehr nennen. Werden die unter Ihrer Ägide weitergeführt?

    Weingarten: Also ganz sicher wird der Hauptstadtkulturfonds das machen, wozu er da ist: Und zwar, es geht um die Förderung innovativer Kultur, experimenteller Kultur, auch Dingen, die also wirklich in die Zukunft greifen wollen. Da ist zunächst mal egal, wer das macht. Das können diese Institutionen sein, die Sie genannt haben - und Sie haben auch Recht, da wären noch ein paar andere zu nennen. Es können natürlich auch die großen sein, die zum Teil ja auch früher schon vom Hauptstadtkulturfonds gefördert worden sind. Wesentliches Kriterium ist in der Tat die Qualität und eben die Chance auch der Ausstrahlung, national und international. Das war von Anfang an der Anspruch. Experiment bedeutet ja auch immer, dass es schief gehen kann. Und das gehört in der Kultur genauso dazu wie in der Wissenschaft.

    Köhler: Das heißt natürlich, dass schon das ein oder andere über kurz oder lang dran glauben muss?

    Weingarten: Das ist ganz sicher. Und wenn etwas wirklich nicht gut war und man sich verschätzt hat, dann muss man selbst darauf reagieren und nicht stur auf dem bestehen, was man damals sich gedacht hat. Also, es gehört eben auch in der Kultur dazu, dass man wirklich mutig rangeht an Dinge. Nur so ist ja eigentlich auch zu erklären, so ein Aufstieg wie des Theatergenies von Peter Stein beispielsweise, der ja auch im Off angefangen hat und auch Rainer Werner Fassbinder hat das gemacht. Also es geht natürlich nicht nur um die Förderung von Off-Theater. Aber es geht um die Förderung einer Kultur, die wirklich hauptstadtwürdig ist. Und das bedeutet für mich - so hat mir das auch damals, als wir den Hauptstadtkulturfonds der damaligen Bundesregierung, die von Kohl damals geführt worden ist, abgerungen haben -, dass die reichhaltig ist, dass sie also einen innovativen Charakter hat, dass sie auch für die Kunstszene in Deutschland bedeutend ist, dass sie wirklich auch hie und da auch Vorreiter spielen kann, wenn alles gut läuft. Eins möchte ich wirklich sagen, dass auch in den letzten Jahren, in denen Frau Goehler den Hauptstadtkulturfonds betreut hat, sehr viele Projekte gefördert worden sind, die dann international auch weitergereicht worden sind, also vernetzt waren mit anderen Institutionen, aber eben so gut waren, dass sie auf der Biennale in Venedig gezeigt wurden und auf anderen Festivals.

    Köhler: Herr Weingarten, Sie sind im Berliner Kultur- und Musikleben als Intendant des Radio-Sinfonieorchesters der Berliner Philharmoniker viele Jahre verbunden, haben das, was man eine hohe Reputation nennt. Was werden Sie als Erstes tun? Oder ich fordere Sie mal heraus: Am Ende dann doch etwas weniger Off- und Kiez-Theater und mehr Hochkultur?

    Weingarten: Also ganz sicher nicht. Ich bin auch, glaube ich, in der Zeit, als ich Sprecher des Rats für die Künste war - das waren ja immerhin drei Jahre -, auch das gewesen, weil man mir vertraute, dass ich also keinen verengten Hochkulturbegriff verkörpere. Mir ist auch, muss ich Ihnen sagen, die Theaterszene sehr wichtig. Auch da ist mir ein ganz großes Anliegen, auch die Jury, mit der man ja zusammenarbeitet, dazu anzuregen, also solche Projekte, die also dort auf neue Wege führen ...

    Köhler: Ja aber auch die Überhäufung mit Anträgen, die werden Sie doch ein bisschen eindämmen, oder?

    Weingarten: Na ja, die Anträge kann man von vornherein nicht eindämmen. Die Leute sind motiviert. Es ist auch eben existenziell für viele notwendig, Anträge zu stellen. Man muss nur dann gut auswählen und man muss schauen, dass man also nicht unter Druck gerät, Dinge fördern zu müssen, die dann irgendwie dann doch nicht die Qualität haben, die man also gerne hätte. Wichtig ist, dass man die Häufung und die große Zahl der Anträge als Chance sieht, wirklich die Besten auswählen zu können.

    Köhler: Abschließend: Die Bereitstellung der Mittel einerseits und die Berufung Ihrer Person andererseits deute ich unterm Strich als Kontinuität, also nicht Auflösung, sondern Fortführung?

    Weingarten: Also ganz sicher ist das das entscheidende Signal und ich darf hier feststellen, dass also mich der Anruf von Staatsminister Neumann sehr gefreut hat. Einer der ersten Sätze, die er gesagt hat, ist: Der Hauptstadtkulturfonds bleibt, er wird nicht abgeschafft - obwohl einige das ja doch wollten und die Diskussionen auch dahin führten. Und er hat sehr rasch gesehen, dass es notwendig ist, dieses Instrument zu haben, um für die Kultur in Deutschland von Berlin aus etwas zu tun.

    Köhler: Wenn ich als Berliner bei Ihnen ein Graffiti-Festival beantragen würde, käme ich damit durch?

    Weingarten: Das kommt darauf an, wie gut Sie malen können.