Möllemann: Diese Überlegungen gab es ja schon vor einigen Tagen. Man hatte den Eindruck, dass Teile der Union, aber auch die Grünen aus ganz unterschiedlichen Motiven an einer Regelung dieses regelungsbedürftigen Themenkreises vor den Wahlen nicht mehr interessiert sein könnten. Offenkundig hat diese Überlegung jetzt auch auf einen Teil der SPD übergegriffen. Ich bedauere das. Der Themenkomplex bedarf einer klaren und eindeutigen nachvollziehbaren Regelung und die Verschiebung auf die Zeit nach der Wahl bedeutet zum einen, dass eben keine Klarheit entsteht und dass zum anderen mutmaßlich dieses Thema und dann vielleicht auf eine sehr unangenehme Weise in den Wahlkampf hinein kommen wird.
Durak: Herr Möllemann, für das Bedürfnis der USA nach Antwort im Bündnis mit der NATO auf die Terroranschläge gibt es ja bei den wichtigsten, eigentlich bei fast allen arabischen Staaten Verständnis. Bis auf den Irak wird der Anschlag verurteilt. Die Frage ist, ob es bei der Zustimmung bleibt und ob dies nun endlich der Zeitpunkt ist, dass der Westen und die islamische Welt ein neues Verhältnis zueinander finden. Wie weit wird denn die Zustimmung der arabischen Staaten Ihrer Meinung nach tragen?
Möllemann: Das ist schwer abschätzbar, weil ja noch nicht klar ist, welche Operation jetzt gestartet werden soll. Die NATO hat sich ja vereinbart auf eine Interpretation dieses furchtbaren Vorgangs, dieser verbrecherischen Anschläge, das sei ein Angriff auf die gesamte NATO. Also wird auch die NATO gemeinsam beraten und beschließen müssen, wie sie reagiert. Ich glaube bei allen Emotionen, die jetzt jeden erfassen, mich genauso wie jeden anderen, ist es um so wichtiger, dass die Politik kühlen und klaren Kopf bewahrt und bei allem was sie tut bedenkt, dass das Ziel erreicht wird und nicht Nebenwirkungen erreicht werden, die man nicht will. Im Klartext: Es muss darum gehen, herauszufinden und öffentlich zu belegen, wer die Drahtzieher und Verantwortlichen für diesen verbrecherischen Akt waren und diese vor Gericht zu bringen mit den Mitteln, die man dafür als Staatengemeinschaft einsetzen kann. Es muss zweitens darum gehen, die Strukturen des internationalen Terrorismus auszutrocknen, wenn nicht anders möglich auch zu zerschlagen und dabei drittens das Leben von Unschuldigen nicht zu gefährden oder gar auszulöschen. Das ist die Quadratur des Kreises, das weiß ich wohl, aber das ist die Pflicht demokratischer Politiker. Daneben müssen wir versuchen, etwas was im Moment heraufzieht zu vermeiden, nämlich einen vermeintlichen Antagonismus, ein vermeintliches Gegeneinander des Westens und der islamischen Welt. Es gibt Verbrecher in jeder Glaubensgemeinschaft. Wir dürfen jetzt nicht den Eindruck zulassen, als gebe es eine besondere Anfälligkeit von Moslems für verbrecherisches Denken. Ein bisschen kommt das im Moment auf und insofern hoffe ich, dass alle, die Verantwortung tragen, dem entgegenwirken.
Durak: Herr Möllemann, Sie haben erstens, zweitens, drittens gesagt. Bei erstens kommt der Gegenschlag überhaupt nicht vor. Erstens heißt bei Ihnen vor Gericht bringen.
Möllemann: Ja sicher. Das ist wie ich finde in einer Rechtsordnung, in der wir leben, internationalen wie nationalen, notwendig. Das geschieht mit Kriegsverbrechern aus dem ehemaligen Jugoslawien und das müsste auch mit den Verantwortlichen geschehen, die für diesen Terrorakt die Verantwortung tragen. Ob das möglich sein wird, wird sich weisen, denn derzeit klärt ja die NATO, ob ein Staat, eine Regierung eines Staates dieses Verbrechen gekannt und unterstützt hat. Dann wird auch diese Regierung zur Rechenschaft zu ziehen sein. Aber wenn eben möglich finde ich muss das auf dem Weg geschehen, der in Demokratien angesagt ist. Ob das möglich sein oder ob es dazu militärischer Machtmittel bedarf, um das herbeizuführen, kann ich heute noch nicht bewerten.
Durak: Sie wollen jetzt aber auch nicht ausdrücklich sagen, Sie lehnen einen Gegenschlag ab?
Möllemann: Nein, das kann man ja nicht für den Fall, dass sich herausstellen sollte, dass eine Regierung eines Landes gewusst hat, was sich dort tut, gestützt hat. Wenn es dann nicht möglich ist, die Verantwortlichen, die unmittelbar Verantwortlichen und die Hintermänner vor Gericht zu bringen, dann wird man militärische Machtmittel einsetzen. Das ist wohl unvermeidlich.
Durak: Herr Möllemann, Außenminister Fischer sprach von einer allerletzten Chance für die neue Politik im nahen Osten jetzt in dieser Situation. Es würde zur Tragödie führen, wenn man diese Chance verstreichen ließe. Muss das Verhältnis zu Israel vom Westen her neu überdacht werden?
Möllemann: Ich bin ein bisschen vorsichtig bei Begriffen wie "allerletzte", denn was macht man denn dann, wenn es im Moment nicht klappt. Die Politik darf niemals auf ihren eigenen Primat verzichten, auf den Vorrang des Politischen vor dem Militärischen. Das Militärische muss Instrument der Politik bleiben. So Begriffe wie allerletzte Chance erwecken in mir den Verdacht nach dem Motto, wenn das jetzt nicht klappt, dann schlagen wir zu oder was auch immer. Ich glaube es wäre notwendig einzusehen, dass die Politik, die internationale Politik, auch die der westlichen Staatengemeinschaft im nahen Osten eben nicht konstruktiv und kreativ genug war, um das Spannungspotenzial, das dort ja Jedermann sichtbar vor Augen ist, nicht nur zu identifizieren, sondern mit politisch klugen Lösungen ihm entgegenzutreten. Wir haben von Seiten der Freien Demokraten einen Vorschlag gemacht, aus der Geschichte in Europa die Lehre ziehend. Wir wollten den klugen Ansatz, den Hans-Dietrich Genscher ja für uns mit geprägt und zur Geltung gebracht hat, auf diese Region übertragen wissen, den Gedanken nämlich einer Konferenz für Sicherheit durch Zusammenarbeit im nahen Osten, an der alle, auch die verfeindetsten Parteien teilnehmen, so wie das seinerzeit in Europa auch möglich geworden ist aufgrund der klugen Politik Genschers. In einer solchen Konferenz würden die bilateralen Konflikte weniger prestigebeladen sein als sie es sind, wenn sie in Einzellösungen geführt werden. Es würde der Nutzen, der ökonomische, der politische, kulturelle, der Sicherheitsnutzen für alle sichtbarer werden, der in einer Friedensordnung liegen kann. Das ist ein geduldiges Bemühen, was da erforderlich ist, aber so gesehen, wenn Herr Fischer meint, man müsste jetzt einen neuen großen Anlauf nehmen zu einer solchen strategischen Konferenz, dann würde ich ihn unterstützen.
Durak: Wie weit ist denn die Unterstützung für diesen FDP-Vorschlag bisher gediehen, also eine KSZNO?
Möllemann: Leider ist das sehr aufschiebend im deutschen Bundestag behandelt worden. Irgendwie hatte man das Gefühl, man hält sich am besten heraus. Irgendwie wird sich das von selber regeln. Nichts regelt sich in dieser Region von selber, und deswegen müssen wir einen neuen Anlauf machen. Es gibt nun kein eindringlicheres Warnsignal als das, was sich in diesen Tagen abspielt. Nur eine militärische Operation - ich hoffe, sie wird vermeidbar sein; ich habe es beschrieben - und zu glauben, das sei dann die Lösung der Probleme des nahen Ostens, das ist zu naiv, als dass ich annehmen möchte, dass Jemand sich diesem Gedanken wirklich verschreibt. Auch die Vereinigten Staaten von Amerika sind aufgefordert, neben der Bekämpfung des Terrorismus jetzt eine politische Vision für den nahen Osten sichtbar zu machen, die einen wirklich fairen Interessensausgleich zwischen den dortigen Konfliktparteien ermöglicht.
Durak: Jürgen Möllemann, FDP und er ist Vorsitzender der deutsch-arabischen Gesellschaft. - Herzlichen Dank Herr Möllemann für das Gespräch!
Link: Interview als RealAudio
Durak: Herr Möllemann, für das Bedürfnis der USA nach Antwort im Bündnis mit der NATO auf die Terroranschläge gibt es ja bei den wichtigsten, eigentlich bei fast allen arabischen Staaten Verständnis. Bis auf den Irak wird der Anschlag verurteilt. Die Frage ist, ob es bei der Zustimmung bleibt und ob dies nun endlich der Zeitpunkt ist, dass der Westen und die islamische Welt ein neues Verhältnis zueinander finden. Wie weit wird denn die Zustimmung der arabischen Staaten Ihrer Meinung nach tragen?
Möllemann: Das ist schwer abschätzbar, weil ja noch nicht klar ist, welche Operation jetzt gestartet werden soll. Die NATO hat sich ja vereinbart auf eine Interpretation dieses furchtbaren Vorgangs, dieser verbrecherischen Anschläge, das sei ein Angriff auf die gesamte NATO. Also wird auch die NATO gemeinsam beraten und beschließen müssen, wie sie reagiert. Ich glaube bei allen Emotionen, die jetzt jeden erfassen, mich genauso wie jeden anderen, ist es um so wichtiger, dass die Politik kühlen und klaren Kopf bewahrt und bei allem was sie tut bedenkt, dass das Ziel erreicht wird und nicht Nebenwirkungen erreicht werden, die man nicht will. Im Klartext: Es muss darum gehen, herauszufinden und öffentlich zu belegen, wer die Drahtzieher und Verantwortlichen für diesen verbrecherischen Akt waren und diese vor Gericht zu bringen mit den Mitteln, die man dafür als Staatengemeinschaft einsetzen kann. Es muss zweitens darum gehen, die Strukturen des internationalen Terrorismus auszutrocknen, wenn nicht anders möglich auch zu zerschlagen und dabei drittens das Leben von Unschuldigen nicht zu gefährden oder gar auszulöschen. Das ist die Quadratur des Kreises, das weiß ich wohl, aber das ist die Pflicht demokratischer Politiker. Daneben müssen wir versuchen, etwas was im Moment heraufzieht zu vermeiden, nämlich einen vermeintlichen Antagonismus, ein vermeintliches Gegeneinander des Westens und der islamischen Welt. Es gibt Verbrecher in jeder Glaubensgemeinschaft. Wir dürfen jetzt nicht den Eindruck zulassen, als gebe es eine besondere Anfälligkeit von Moslems für verbrecherisches Denken. Ein bisschen kommt das im Moment auf und insofern hoffe ich, dass alle, die Verantwortung tragen, dem entgegenwirken.
Durak: Herr Möllemann, Sie haben erstens, zweitens, drittens gesagt. Bei erstens kommt der Gegenschlag überhaupt nicht vor. Erstens heißt bei Ihnen vor Gericht bringen.
Möllemann: Ja sicher. Das ist wie ich finde in einer Rechtsordnung, in der wir leben, internationalen wie nationalen, notwendig. Das geschieht mit Kriegsverbrechern aus dem ehemaligen Jugoslawien und das müsste auch mit den Verantwortlichen geschehen, die für diesen Terrorakt die Verantwortung tragen. Ob das möglich sein wird, wird sich weisen, denn derzeit klärt ja die NATO, ob ein Staat, eine Regierung eines Staates dieses Verbrechen gekannt und unterstützt hat. Dann wird auch diese Regierung zur Rechenschaft zu ziehen sein. Aber wenn eben möglich finde ich muss das auf dem Weg geschehen, der in Demokratien angesagt ist. Ob das möglich sein oder ob es dazu militärischer Machtmittel bedarf, um das herbeizuführen, kann ich heute noch nicht bewerten.
Durak: Sie wollen jetzt aber auch nicht ausdrücklich sagen, Sie lehnen einen Gegenschlag ab?
Möllemann: Nein, das kann man ja nicht für den Fall, dass sich herausstellen sollte, dass eine Regierung eines Landes gewusst hat, was sich dort tut, gestützt hat. Wenn es dann nicht möglich ist, die Verantwortlichen, die unmittelbar Verantwortlichen und die Hintermänner vor Gericht zu bringen, dann wird man militärische Machtmittel einsetzen. Das ist wohl unvermeidlich.
Durak: Herr Möllemann, Außenminister Fischer sprach von einer allerletzten Chance für die neue Politik im nahen Osten jetzt in dieser Situation. Es würde zur Tragödie führen, wenn man diese Chance verstreichen ließe. Muss das Verhältnis zu Israel vom Westen her neu überdacht werden?
Möllemann: Ich bin ein bisschen vorsichtig bei Begriffen wie "allerletzte", denn was macht man denn dann, wenn es im Moment nicht klappt. Die Politik darf niemals auf ihren eigenen Primat verzichten, auf den Vorrang des Politischen vor dem Militärischen. Das Militärische muss Instrument der Politik bleiben. So Begriffe wie allerletzte Chance erwecken in mir den Verdacht nach dem Motto, wenn das jetzt nicht klappt, dann schlagen wir zu oder was auch immer. Ich glaube es wäre notwendig einzusehen, dass die Politik, die internationale Politik, auch die der westlichen Staatengemeinschaft im nahen Osten eben nicht konstruktiv und kreativ genug war, um das Spannungspotenzial, das dort ja Jedermann sichtbar vor Augen ist, nicht nur zu identifizieren, sondern mit politisch klugen Lösungen ihm entgegenzutreten. Wir haben von Seiten der Freien Demokraten einen Vorschlag gemacht, aus der Geschichte in Europa die Lehre ziehend. Wir wollten den klugen Ansatz, den Hans-Dietrich Genscher ja für uns mit geprägt und zur Geltung gebracht hat, auf diese Region übertragen wissen, den Gedanken nämlich einer Konferenz für Sicherheit durch Zusammenarbeit im nahen Osten, an der alle, auch die verfeindetsten Parteien teilnehmen, so wie das seinerzeit in Europa auch möglich geworden ist aufgrund der klugen Politik Genschers. In einer solchen Konferenz würden die bilateralen Konflikte weniger prestigebeladen sein als sie es sind, wenn sie in Einzellösungen geführt werden. Es würde der Nutzen, der ökonomische, der politische, kulturelle, der Sicherheitsnutzen für alle sichtbarer werden, der in einer Friedensordnung liegen kann. Das ist ein geduldiges Bemühen, was da erforderlich ist, aber so gesehen, wenn Herr Fischer meint, man müsste jetzt einen neuen großen Anlauf nehmen zu einer solchen strategischen Konferenz, dann würde ich ihn unterstützen.
Durak: Wie weit ist denn die Unterstützung für diesen FDP-Vorschlag bisher gediehen, also eine KSZNO?
Möllemann: Leider ist das sehr aufschiebend im deutschen Bundestag behandelt worden. Irgendwie hatte man das Gefühl, man hält sich am besten heraus. Irgendwie wird sich das von selber regeln. Nichts regelt sich in dieser Region von selber, und deswegen müssen wir einen neuen Anlauf machen. Es gibt nun kein eindringlicheres Warnsignal als das, was sich in diesen Tagen abspielt. Nur eine militärische Operation - ich hoffe, sie wird vermeidbar sein; ich habe es beschrieben - und zu glauben, das sei dann die Lösung der Probleme des nahen Ostens, das ist zu naiv, als dass ich annehmen möchte, dass Jemand sich diesem Gedanken wirklich verschreibt. Auch die Vereinigten Staaten von Amerika sind aufgefordert, neben der Bekämpfung des Terrorismus jetzt eine politische Vision für den nahen Osten sichtbar zu machen, die einen wirklich fairen Interessensausgleich zwischen den dortigen Konfliktparteien ermöglicht.
Durak: Jürgen Möllemann, FDP und er ist Vorsitzender der deutsch-arabischen Gesellschaft. - Herzlichen Dank Herr Möllemann für das Gespräch!
Link: Interview als RealAudio