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"Es gibt keine Preisgrenze, an der sich das Verhalten grundlegend ändert"

Gerd Lottsiepen, Sprecher beim Verkehrsclub Deutschland hält den Preis für Mineralöl nicht für ausschlaggebend, ob jemand vom Auto auf andere Verkehrsmittel umsteigt. Wichtiger seien andere Faktoren wie beispielsweise die Wegstrecke zur Arbeit.

Gerd Lottsiepen im Gespräch mit Susanne Kuhlmann | 23.05.2011
    Susanne Kuhlmann: Einer macht den Anfang und innerhalb weniger Stunden ziehen alle anderen nach. Die fünf führenden Mineralölkonzerne verhalten sich stets nach dem gleichen Muster, wenn sie eine neue Runde der Benzinpreissteigerung einläuten. Umgekehrt funktioniert das Prinzip zwar auch, aber langsamer. Ist das normales Wettbewerbsverhalten, wie der Hauptgeschäftsführer des Mineralöl-Wirtschaftsverbandes Klaus Picard heute im ARD-Morgenmagazin sagte, oder handelt es sich um Preistreiberei, um verbotene Preisabsprachen mit der Folge von Preiserhöhungen? - Das Bundeskartellamt wirft der Mineralölwirtschaft in seiner neuen Studie vor, ihre marktbeherrschende Stellung auszunutzen, auf Kosten der Autofahrer. Vor einem Jahr hat die schwarz-gelbe Koalition angekündigt, gegen dieses Gebaren der Mineralölindustrie vorgehen zu wollen, und zwar mit einem schärferen Wettbewerbsrecht, dem sogenannten Entflechtungsgesetz. - Gerd Lottsiepen, verkehrspolitischer Sprecher beim Verkehrsclub Deutschland (VCD) ist am Telefon. Guten Tag!

    Gerd Lottsiepen: Guten Tag!

    Kuhlmann: Herr Lottsiepen, was ist aus dem Entflechtungsgesetz geworden?

    Lottsiepen: Da ist gar nichts draus geworden. Also das war vor gut einem Jahr, es war um Ostern, da kamen starke Töne aus dem Wirtschaftsministerium, auch vom damaligen Wirtschaftsminister Brüderle, dass man da was machen müsste, der Begriff Entflechtungsgesetz, der dann allerdings speziell auf diese Branche nie wirklich gefüllt wurde, was denn da passieren soll. Es wäre auch schwierig. Man würde die Grundfesten des Kapitalismus angehen, und das aus dem Wirtschaftsministerium, das von der FDP geführt wird. Also eine schwierige Kiste, das war mal wieder Ankündigungspolitik.

    Kuhlmann: Wie teuer müssen Benzin und Diesel eigentlich werden, damit die Leute auf andere Verkehrsmittel umsteigen?

    Lottsiepen: Das ist schwer zu sagen. Man stellt fest, dass wir dann, wenn die Preise stark gestiegen sind, eine Delle im Absatz haben. Dann denken die Menschen um, fahren vielleicht weniger, fahren Sprit sparender, kaufen sich andere Autos. Nur im Laufe der Zeit gewöhnt man sich dann an die höheren Preise und andere Entscheidungen wie zum Beispiel der Weg zur Arbeit, wie man den gestaltet, die sind dann wichtiger als der Preis. Aber klar ist: es gibt keine Grenze, wo man sagen kann, ab zwei Euro oder 2,50 Euro ändert sich grundlegend das Verhalten.

    Wir haben aber ein paar positive Beispiele zurzeit. Vor allen Dingen in den Städten ist zu beobachten, dass die Menschen mehr Fahrrad fahren und dass die Menschen mit Freude Fahrrad fahren, nicht weil sie gezwungen werden, weil der Spritpreis so hoch ist, sondern weil es Spaß macht, weil man sich damit den Gang ins Fitness-Studio spart und weil schlicht und ergreifend die Wege auch viel besser werden. Das Fahrradwegenetz wird ausgebaut; das ist aber auch eine Grundvoraussetzung. Städte, die das nicht tun, die werden da auch keine Änderung haben im Verkehrsverhalten.

    Kuhlmann: Im Winter und bei Regen könnte das allerdings wieder anders aussehen. Aber was kann man sonst noch selber tun, um die Preise ein bisschen im Griff zu behalten?

    Lottsiepen: Einmal natürlich darauf achten, welche Tankstelle ist denn jetzt günstiger, wobei sich große Umwege nicht lohnen. Das muss man auch sagen. Da muss man rechnen. Ein weiter Umweg lohnt sich finanziell nicht und für die Umwelt schon mal gar nicht. Aber die Tankstellen sind ja oft benachbart, dass man dann wirklich bei der preisgünstigsten tankt.

    Dann kann man natürlich durch seine Fahrweise was tun. Eine Umwelt schonende, Sprit sparende Fahrweise, die verbraucht gut 20 Prozent weniger Sprit als eine Fahrweise, wie sie heute noch gängig ist und wie man sie bis vor kurzem auch noch in der Fahrschule gelernt hat. Da ist einiges zu machen. Das heißt vor allen Dingen - ich kann jetzt nicht alle Tipps geben; ich will nur einen geben -, im höchst möglichen Gang fahren. Tempo 30 soll man im dritten Gang fahren und Tempo 50, also die üblichen Stadtgeschwindigkeiten, die soll man im höchst möglichen Gang fahren, im fünften oder sechsten Gang. Fast alle Autos schaffen das und die freuen sich, die halten länger und die verbrauchen weniger Sprit.

    Kuhlmann: Und was ist dran mit den günstigen Tanktagen? Bitte eine kurze Antwort.

    Lottsiepen: Das ist klar, aber es wird behauptet, Montag würde viel mehr getankt, weil es günstiger ist. Aber auch das ist nur die halbe Wahrheit. Am Montag tanken natürlich die LKW, und die tanken große Mengen. Die haben auch einen hohen Anteil an der Gesamtmenge, die getankt wird, und deshalb ist das schwierig. Aber wenn man weiß, in der Regel ist es Freitags teurer als Montags, und man hat die Wahl, ja dann tankt man eben erst am Montag. Da kann man schon ein bisschen sparen, ist aber keine Gewähr. Es kann auch mal sein, dass der Preis am Montag höher ist.

    Kuhlmann: Danke schön! - Gerd Lottsiepen, der verkehrspolitische Sprecher des Verkehrsclubs Deutschland war das. Danke.