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"Es gibt keine Trendwende"

Der Greenpeace-Verkehrsexperte Wolfgang Lohbeck hat sich vor Eröffnung der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) in Frankfurt enttäuscht vom Angebot der Hersteller geäußert. Es dominierten "dicke Prachtmodelle" statt leichter Fahrzeuge mit sparsamen Antrieben, sagte er. Die Klimadebatte sei allenfalls in den Marketingabteilungen angekommen.

Moderation: Eva Bahner |
    Eva Bahner: Ist die Klimadebatte nun tatsächlich angekommen in der Automobilbranche oder eben alles nur eine große Klimashow?

    Wolfgang Lohbeck: Ja, guten Morgen. Also die Klimadebatte ist vor allen Dingen erst mal in den Marketingabteilungen angekommen, denen muss man wirklich beglückwünschen. Also so Begriffe wie "Blue Motion", "Eco" und so weiter machen hier die Runde und sind hier schon sehr, nicht beherrschend, aber spielen eine sehr, sehr große Rolle. Auf der anderen Seite, wenn man so den ersten Rundgang macht, zwischen den Autos durchgeht, kommt man sich schon vor wie in einer anderen Zeit, wie vor fünf oder zehn Jahren. Also was dort dominiert, sind dicke Prachtmodelle, großes Gewicht, also eigentlich wie gehabt. Und was dann an Technik wirklich unter der Haube ist, das ist eigentlich noch nicht so weit, dass man sagen könnte, die Klimadebatte ist wirklich angekommen. Sie ist erst mal in den Marketingabteilungen angekommen.

    Bahner: Sie haben sich ja 18 Modelle von 9 Herstellern einmal genauer angesehen. Wie schnitten diese denn ab, was den Spritverbrauch und was den Ausstoß von CO2-Emissionen angeht?

    Lohbeck: Nicht besonders gut, eigentlich muss man sagen schlecht. Es gibt keine Trendwende. Wenn man sich die Klimaproblematik anguckt und den Anteil, den die Autos daran haben, brauchen wir ja nicht hier 0,1 und da 0,2 weniger Verbrauch, so wie es jetzt hier auf der IAA zu sehen, hier und da überall kleine Verbesserungen, sondern wir brauchen wirklich einen Durchbruch, wir brauchen eine Trendwende. Diese Trendwende ist ja technisch längst möglich. Die Technologien dazu stehen längst bereit, sie kosten auch nicht mehr. Aber hier ist jetzt davon noch nichts angekommen.

    Die Verbräuche auch der neuen Autos, die jetzt hier stehen und die auf den Markt kommen, sind im Schnitt nicht oder kaum geringer als die voriges Jahr. Es ist eine Stagnation. Es ist wirklich unadäquat. Es werden hier ein paar Dinge in den Vordergrund geschoben, letztlich auch weil die Hersteller, auch die deutschen Hersteller, auf die Diskussion so nicht vorbereitet waren. Man redet viel von Bio-Diesel, was natürlich ein vollkommen aberwitziger Weg ist, der, Entschuldigung, wirklich verboten gehört. Man redet von Hybrid, das ist natürlich überhaupt der Abstauber, wenn man so will, in der Umweltdiskussion. Viele setzen den Hybrid gleich mit umweltfreundlich, das ist auch eine technisch wirklich abwegige Strategie. Ansonsten sieht man bei sehr vielen Modellen, dass Dinge hier eingebaut werden, die technisch wirklich altbacken sind, also sinnvoll, nötig, aber die eigentlich in allen Autos, vor allen Dingen jetzt spätestens in den Modellen, die jetzt verkauft werden, hier überall drin sein sollen. Die sind in einigen ausgewählten Modellen drin, so Dinge wie Start-Stopp-Automatik, also eigentlich Selbstverständlichkeiten, für die sich jetzt die Hersteller hier mit großen Begriffen wie "Blue Motion", "ECOnetic", "Efficient Dynamics" und so weiter loben lassen. Das ist auch sehr unadäquat.

    Bahner: Wenn wir noch mal auf den Hybridantrieb zu sprechen kommen, der ist ja gerade in aller Munde, und Toyota war ja lange Zeit der einzige Autobauer, der diese Technologie auf den Markt gebracht hat. Nun sind wohl auch deutsche Hersteller auf den Zug aufgesprungen - BMW, Audi, ja selbst einen Cayenne soll es ja mit Hybridmotor nun geben. Kann die deutsche Automobilindustrie überhaupt noch international hier eine Vorreiterrolle übernehmen in der Umwelttechnik?

    Lohbeck: Also beim Hybrid soll sie gar nicht unbedingt die Vorreiterrolle übernehmen. Der Hybrid, der Vollhybrid, der sozusagen zwei Motoren, also wenn Sie so wollen, zwei Fehler in einem Auto vereinigt, ist nicht die Strategie. Und was Toyota angeht, soll sich Toyota nun mal gar nicht so in den Vordergrund stellen. Toyota ist als Firma mit ihren Gesamtmodellen im CO2-Ausstoß sehr, sehr weit hinten, also da bringt auch der Hybrid nichts. Besonders abwegig ist es natürlich, ein Modell, das man schlicht und einfach letztlich als für diesen Zweck pervers bezeichnen muss, diese SUW Sport Utility Vehicles oder Geländewagen, die also mehrere Hunderte PS zur Verfügung stellen, um damit Brötchen zu holen oder ins Büro zu fahren, dass eine solche abwegige Fahrzeugkonfiguration dann umweltfreundlicher werden soll, mit einer ebenfalls noch abwegigen Technologie wie der Hybrid. Also der Porsche Cayenne wirklich die maximal unsinnige Kombination von Technologien.

    Der Hybrid ist kein Weg, er bringt an Ersparnis relativ wenig für sehr, sehr hohen Aufwand. Er wird langfristig zu teuer sein, er wird nicht die Massenmobilisierung erreichen können. Vor allen Dingen ist der Aufwand zu groß. Und vor allen Dingen durch den Hybrid, mehrere hundert Kilo, geht das Auto ja erst mal in die falsche Richtung. Und das ist eigentlich das Hauptproblem auch auf dieser IAA, die Autos sind alle immer noch viel zu schwer, und sie werden immer noch von Jahrgang zu Jahrgang schwerer. Und da müsste die Trendwende zunächst mal herkommen, die Autos müssten als allererstes leichter sein.

    Bahner: Wolfgang Lohbeck, Verkehrsexperte von Greenpeace von der IAA in Frankfurt, die offiziell am Donnerstag ihre Tore öffnet. Vielen Dank für diese Einschätzung.

    Lohbeck: Bitte schön.