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"Es gibt mehr als 40 Patentinhaber"

Internet.- Die Internetgemeinde diskutiert heftig über das Für und Wider von HTLM5. Im Interview mit Manfred Kloiber erläutert Computerjournalist Peter Welchering, warum es wohl auch in der neuen Version der Seitenbeschreibungssprache nicht die ursprünglich erhoffte große Einheitlichkeit geben wird.

    Manfred Kloiber: Im Zentrum dieser Diskussionen stehen zurzeit die Audio- und die Videoeinbindung in HTML5. Warum ist eigentlich dieses Thema während der vergangenen Wochen wieder so hochgekommen, Peter Welchering?

    Peter Welchering: Naja, da sind die Verleger eindeutig schuld. Denn sie haben über ihre Spitzenverbände in den USA und Europa sehr intensiv mit dem Word-Wide-Web-Konsortium gesprochen. Und sie haben im Mai auch noch einmal deutlich gemacht, was sie brauchen, damit sie über Tablet-PCs, über iPad und Co., ihre Presseprodukte wieder über einen neuen Distributionsweg an die Kunden liefern können, die das haben wollen, aber nicht zu viele Kosten bei der Produktion entstehen. Das sind einheitliche Codecs. Und diese einheitlichen Codecs hat HTML5 eben bisher noch nicht zertifiziert.

    Kloiber: Zunächst schien es aber doch so als würde OGG Theora sich als Codec und Videoformat durchsetzen. Warum ist das nicht passiert?

    Welchering: OGG Theora hat sehr früh einen Gegenspieler bekommen und Apple hat deshalb den H.264-Standard eingeführt. Und dieser Standard hat einige Vorteile. Er ist in der Videotechnik – auch in Videokonferenzen – sehr weit verbreitet. Und als dann Microsoft mit Version 9 des Windows Mediaplayers eben diesen Standard auch unterstütz hat, war eigentlich klar: Der neue Standard wird eben H.264 bei dem Videocodec heißen, das neue Videoformat wird dementsprechend MP4 heißen, das dann ja auch Flash ablösen sollte. Aber dann ist Google in 2010 quer gekommen und hat mit dem V8-Codec, den sie gerade von On2Technologies gekauft hatten, eben einen neuen Codec in die Diskussion gebracht. Und siehe da, die Whatwg-Gruppe hat tatsächlich diesen neuen Codec auch sofort aufgenommen, sofort mit in die Standard-Dokumente hineingeschrieben. Und für die Verleger bedeutet das nun eben: Sie müssen die Videoformate auch künftig in HTML5 in allen drei Formaten vorhalten. Und das ist teuer und aufwendig.

    Kloiber: Und welchen Einfluss hatte Google-Mitarbeiter Ian Hickson auf die Auswahl der Codecs?

    Welchering: Hickson ist vorgeworfen worden – und da gab es einige Indizien –, dass mit seiner gesamten Whatwg-Gruppe eben tatsächlich er sich nicht nur als wesentlicher Autor der Spezifikationen der gesamten HTML5-Entwicklung hervorgetan hat, sondern dass er sehr stark dabei eben auch die Interessen der Webkonzerne vertreten hat und deshalb sehr viele Formulierungen in den HTML5-Dokumenten auch auf wirtschaftliche Interessen zurückzuführen sind. Teilweise gab es ja sogar eine richtige Frontstellung des World-Wide-Web-Konsortiums und der Whatwg-Gruppe. Und W3C-intern, also im World-Wide-Web-Konsortium intern wurde ja bereits vom Sündenfall gesprochen, beziehungsweise vom Öffnen der Büchse der Pandora. Denn mit diesem Öffnen der Büchse der Pandora ist nun dem Lobbyismus und dem Vertreten von allen möglichen wirtschaftlichen Interessen bei der Beschreibung von Webstandards Tür und Tor geöffnet.

    Kloiber: Ein Riesenproblem in der Computerei ist ja mittlerweile die Lizenzsituation. Beim H.264-Standard ist dieses Situation etwas unübersichtlich. Wer hält da alles Patente?

    Welchering: Das ist ein riesiges Problem. Es gibt mehr als 40 Patentinhaber. Das sind Universitäten, das sind Unternehmen, das sind teilweise Einzelpersonen. Allerdings: 90 Prozent dieser Patente sind in sogenannten Patentpools gebündelt. Und da gibt es zwei davon, nämlich Via Licensing, das ist eine Tochter der Dolby Laboratories und es gibt MPEG-Lizenzverwaltung. Und das Besondere an diesen H.264-Patenten ist: Sie sind eigentlich in der ersten Lizenzperiode am 1. Januar 2011, also in diesem Jahr, ausgelaufen. Und das hatte zur Folge, dass Entwickler tatsächlich die H.264-Patente kostenfrei nutzen können. Aber – und da kommt gleich die Einschränkung – das wird nur passieren bis zum 1. Januar 2016. Dann wird über die Lizenzsituation neu verhandelt werden und dann könnten eben auch Lizenzgebühren fällig werden für H.264. Wir haben es also keineswegs mit einem lizenzfreien Standard zu tun.