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Es gibt noch viel zu entdecken

Im Jubiläumsjahr zu Robert Schumanns 200. Geburtstag darf eine Sonderausstellung in dessen Zwickauer Geburtshaus nicht fehlen. "100 Jahre Schumann-Sammlung" zeigt Exponate und Briefe aus dem Nachlass des Komponisten und dessen Frau Clara.

Thomas Synofzik im Gespräch mit Doris Schäfer-Noske |
    Doris Schäfer-Noske: Das war aus Robert Schumanns "Album für die Jugend", das der Pianist Tobias Koch in Zusammenarbeit mit dem Deutschlandfunk neu eingespielt hat. Das "Album für die Jugend" ist entstanden, weil Schumann und seine Frau, die Pianistin und Komponistin Clara Schumann, mit dem, was es damals für Kinder an Klaviernoten gab, unzufrieden waren, und so begann Robert Schumann mit einem Geburtstagsalbum für seine älteste Tochter Marie, als diese sieben wurde. Die Familie Schumann bekam acht Kinder und lebte in Leipzig, Dresden und im Jubiläumsjahr zu Robert Schumanns 200. Geburtstag darf eine Sonderausstellung in dessen Zwickauer Geburtshaus nicht fehlen. "100 Jahre Schumann-Sammlung" zeigt bisher unveröffentlichte und unbekannte Exponate aus dem Nachlass des Komponisten und dessen Frau Clara.

    Düsseldorf, geboren wurde der Komponist aber in Zwickau. Dort finden im Jubiläumsjahr viele Veranstaltungen statt, und in wenigen Minuten beginnt dort auch ein Festakt im Beisein von Kulturstaatsminister Neumann. Thomas Synofzik ist Leiter des Zwickauer Robert-Schumann-Hauses. Frage an ihn: Welche Bedeutung hat denn Robert Schumann heute für seine Geburtsstadt Zwickau?

    Thomas Synofzik: Eine ganz große, und deshalb begeht die Schumann-Stadt Zwickau das Jahr als ein komplettes Schumann-Jahr mit über 100 Veranstaltungen zu Ehren ihres großen Sohnes, und der Höhepunkt ist natürlich jetzt gerade das Schumann-Fest.

    Schäfer-Noske: Es gibt ja bei Ihnen eine Sonderausstellung im Robert-Schumann-Haus zum Thema "100 Jahre Schumann-Sammlung" – also haben auch die Zwickauer vor 100 Jahren sich schon um das Erbe von Robert Schumann gekümmert?

    Synofzik: Genau, ganz toll, also, hier hat man wirklich früh angefangen und von daher das Glück gehabt, dass man aus dem Nachlass Schumanns sich noch die größten Schätze sichern konnte. Also, 1925 hat von der ältesten Tochter Marie die Stadt Zwickau den gesamten Nachlass ankaufen können und so haben wir ganz viel Mobiliar aus Familienbesitz, die tollsten Autographen, ganz viele Briefhandschriften und das sowohl von Robert als auch von Clara Schumann, und dieses Künstlerpaar ist halt untrennbar.

    Schäfer-Noske: Was sind denn da so die größten Kostbarkeiten, die Sie in der Ausstellung wahrscheinlich ja auch zeigen?

    Synofzik: Das ist zum Beispiel der komplette Entwurf zu der Oper "Genoveva", die jetzt auch im Schumann-Fest aufgeführt wird; das sind Porträts zum Beispiel von Franz von Lenbach, ein bisher noch nicht gezeigtes Clara-Schumann-Porträt; das sind die kompletten Tagebücher sowohl von Robert Schumann als auch von Clara Wieck als auch dann die Ehetagebücher, die liegen alle bei uns, und da sind einige Beispiele zu sehen; und vielleicht noch als besondere Kostbarkeit das Brautbuch, das Schumann in den Brautjahren für Clara Wieck geführt hat, das hat drei Teile, zum einen getrocknete Blumen, dann Sprüche und Aphorismen und dann auch Noten. Und da ist unten gerade ein sehr schönes Stück aufgeschlagen: "Als kein Brief von dir kam", also, so fühlte sich Schumann, wenn er auf einen Brief von Clara wartete und so hat er das komponiert. Das Stück ist unveröffentlicht, bei uns jetzt zurzeit zu sehen. Wir haben hier im Haus auch die Schumann-Briefedition jetzt etabliert seit diesem Jahr als Akademieprojekt, Sächsische Akademie der Wissenschaften, auf 15 Jahre veranschlagt, Laufzeit, also bis 2025 wollen wir sämtliche Briefe Robert und Clara Schumanns hier komplett edieren und veröffentlichen, auch die Gegenbriefe, die sie empfangen haben.

    Schäfer-Noske: Clara Schumann hat ja die Werke ihres Mannes nach dessen Tod zurückgehalten, weil sie glaubte, die Zuschauer würden darin womöglich den Wahnsinn ihres Gatten hören. Sind Sie denn in solche Forschungen, war Robert Schumann wahnsinnig oder nicht, sind Sie da auch mit einbezogen mit Ihren Dingen, die Sie dazu beisteuern können, eben aus den Briefen und so weiter?

    Synofzik: Ja, wir haben ganz entscheidende Dokumente, gerade zu diesen Fragen, wir haben zum Beispiel den einzigen Brief des behandelnden Arztes aus der Nervenheilanstalt in Bonn-Endenich an Clara Schumann, der ist hier bei uns im Archiv und der dokumentiert zum Beispiel ganz deutlich, dass das keine Entscheidung von Clara Schumann war, dass sie ihren Mann da nie besucht hat, sondern dass die Ärzte das vorgegeben haben, dass die Ärzte also meinten, der Patient müsse geschont werden und dürfe von daher keine Kontakte, zunächst auch noch nicht mal briefliche Kontakte zu den Familienangehörigen haben. Das wird durch diesen Brief ganz eindeutig belegt.

    Schäfer-Noske: Musikalisch ist da natürlich in Zwickau auch einiges geboten. Den Schumann für Klavierschüler kennen ja viele, welchen Schumann gilt es denn aus Ihrer Sicht noch neu zu entdecken?

    Synofzik: Das ist zum Beispiel der Schumann als Chorkomponist, das ist ein Thema, was noch sehr im Schatten steht. Es gibt zum Beispiel bis heute keine CD-Einspielungen von Schumanns "Adventlied" und dem "Neujahrlied", das sind zwei Werke des Jahres 1849, auch durchaus von der damaligen Revolution mit beeinflusst und hochinteressante Werke eigentlich, aber irgendwie sind gerade diese Chorwerke im Schatten geblieben. Ich denke, da gibt es noch was zu entdecken, das gilt überhaupt dann natürlich auch für die späteren Werke nach wie vor, obwohl die schon seit den 1980er-Jahren zunehmend wieder ins Blickfeld getreten sind, aber gerade diese Krankheitstheorien jetzt, die neuen, die eben zeigen, dass Schumann bis 1853 ein gesunder Mensch war und erst dann wirklich die Krankheit einsetzte – wenn überhaupt –, zeigen halt, dass wir Schumanns Werk da ganz neu bewerten müssen und auch neu interpretieren müssen.

    Schäfer-Noske: Das war der Direktor des Robert-Schumann-Hauses in Zwickau, Thomas Synofzik.