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"Es gibt noch viele andere Angriffsmöglichkeiten"

Auch mit Skype lässt sich abhörsicher telefonieren – zumindest theoretisch. Wie sich Phil Zimmermanns Smartphone-App "Silent Circle" von anderen Lösungen zum lauschfreien Telefonieren unterscheidet, erläutert Wissenschaftsjournalist Thomas Reintjes im Gespräch mit Manfred Kloiber.

    Manfred Kloiber: "Silent Circle" ist aber eine Lösung für ein Problem, für das es ja bereits viele andere Lösungen gibt. Thomas Reintjes - jetzt nicht mehr am verschlüsselten Telefon, sondern hier im Studio in natura: Wenn ich mit einer möglichst simplen Anwendung sicher telefonieren will, dann bietet sich doch seit Jahren beispielsweise Skype dafür an.

    Thomas Reintjes: Ja, Skype ist auf jeden Fall direkte Konkurrenz. Allerdings ist das ja ein proprietäres System. Niemand weiß so genau, auf welchen Protokollen Skype basiert. Das ist im Prinzip also der gleiche Kritikpunkt wie bei "Silent Circle". Nur dass bei Skype sogar noch weniger offengelegt ist, wie es funktioniert. Bisher ist aber auch nicht bekannt, dass die Skype-Verschlüsselung geknackt worden wäre. Von daher kann man schon davon ausgehen, dass die sicher ist. Aber eine Hintertür für Ermittlungsbehörden und eventuell Geheimdienste ist auch wahrscheinlich. Denn auch Skype – das wurde ja von Microsoft gekauft – ist ein amerikanisches Unternehmen und unterliegt somit dem Patriot Act und muss unter umständen eine Schnüffel-Schnittstelle zur Verfügung stellen.

    Kloiber: In Deutschland entwickelten und betriebenen Lösungen mag man also allein aufgrund der aktuellen Gesetzeslage größeres Grundvertrauen entgegenbringen. Gibt es solche Lösungen? Ich glaube, ja.

    Reintjes: Es gibt natürlich Lösungen. Aber die haben durchaus höhere Zugangshürden, was die Bedienbarkeit angeht, was den Preis angeht, aber auch, was die Verfügbarkeit angeht. Ein Beispiel ist ein Gerät der Firma Rohde & Schwarz. Das ist ein verschlüsselndes Headset, das über Bluetooth an das Smartphone oder an den Laptop gekoppelt wird. Der Vorteil: Man ist nicht an ein Endgerät gebunden, sondern kann diese Verschlüsselungslösung mit verschiedenen Endgeräten benutzen. Aber der Preis ist eine hohe Hürde. Der liegt in der Größenordung von mehreren tausend Euro. Eine andere Lösung kommt von T-Systems: Simko, entwickelt für die Bundesregierung – das sogenannte Merkelphone. Dafür konnte ich keinen Preis in Erfahrung bringen. Sicher ist auch das nichts für Verbraucher oder Kleinunternehmer. Und eine weitere Lösung ist BizzTrust von der Fraunhofer-Gesellschaft. Aber die gibt’s bisher nur für wenige Android-Geräte. Und nicht als App, sondern Sie müssen da gleich eine ganz neue Firmware installieren. Und das ist natürlich ebenfalls eine hohe Hürde.

    Kloiber: Das sind ja Lösungen, die über das allein nur verschlüsselte Telefonieren hinausgehen. Wenn wir noch mal zurückkommen auf dieses Telefonieren, auf die sichere Verbindung: In welchen Fällen kann das überhaupt sinnvoll sein?

    Reintjes: Der Anteil an geschützter, verschlüsselter Unternehmenskommunikation im Internet ... wenn wir uns den heute angucken: der ist verschwindend gering. Also der liegt im einstelligen%bereich. Und das kann man jetzt unterschiedlich deuten. Entweder heißt das, die Unternehmen haben gar keinen Bedarf zu verschlüsseln, oder die Unternehmen können es bisher nicht und haben möglicherweise noch großen Nachholbedarf. Und das vermuten natürlich die Anbieter solcher Lösungen – dass da noch ein großer Markt drinsteckt. Nichtregierungsorganisationen könnten neben Unternehmen eine weitere Zielgruppe sein – also zum Beispiel Oppositionelle in Syrien oder Frauenrechtler in Afghanistan. Man dar aber auch nicht den Fehler machen, zu glauben, dass man mit verschlüsselter Telefonie auf jeden Fall immer auf der sicheren Seite ist. Also es gibt noch viele andere Angriffsmöglichkeiten: Ein Trojaner auf dem Handy kann die Sprache auch abgreifen, bevor sie verschlüsselt wird. Und gegen Lauscher an der Wand oder Wanzen und Ähnliches nützt Verschlüsselung natürlich auch nichts.