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"Es ging nicht allein um eine Moschee"

Die "Westermoskee" sollte in Amsterdam ein Symbol von Integration werden. Doch es scheint, als bliebe es nur bei dem Vorhaben: weil die Gemeinde Amsterdam, die Wohnungsbaugesellschaft und die islamische Organisation Milli Görüs in einen komplizierten juristischen Grabenkrieg verwickelt sind.

Von Kerstin Schweighöfer | 23.08.2010
    Postjesweg heißt eine lange Straße, die von der Amsterdamer Innenstadt nach Westen führt. Das typisch holländische Backsteingebäude mit den weißen Fensterrahmen kurz vor der Auffahrt zur Ringautobahn fällt normalerweise kaum auf, man muss schon wissen, dass darin die Aya Sophia Moschee untergebracht ist. Aber vor Kurzem noch prangten an der Fassade unübersehbare Spruchbänder. "Wir lassen uns nicht verjagen", stand in großen roten Lettern darauf, "wir bleiben!"

    "Jetzt haben wir zum Glück ein bisschen Aufschub bekommen!" seufzt der 25 Jahre alte Toker. Er sitzt mit Freunden vor der Moschee auf einer Bank in der Sonne.

    Toker ist in den Niederlanden geboren, aber würde am liebsten in die Türkei, die Heimat seiner Eltern, umziehen.

    "Hier machen sie uns das Leben schwer", klagt er. "Wieso wollen sie uns vertreiben, wieso lassen sie uns hier nicht einfach weiterhin in Ruhe beten? Unsere neue Moschee ist noch nicht fertig, wer weiß, ob sie jemals gebaut wird! "

    Denn der Backsteinbau am Postjesweg ist nur eine vorübergehende Bleibe. Schon seit Jahren versucht der Vermieter, die Amsterdamer Wohnungsbaugesellschaft "Stadgenoot", das Gebäude räumen zu lassen. Bei einer einstweiligen Verfügung im Sommer haben sich beide Seiten nun darauf geeinigt, dass die Moscheegemeinschaft das Gebäude Ende Oktober endgültig verlassen haben muss – sonst droht eine Strafe von 20.000 Euro pro Tag.

    Bis dahin muss eine zweite vorübergehende Unterkunft gesucht werden. Denn vom Neubau wurde bislang nur der Grundstein gelegt. "Es sollte die schönste Moschee Europas werden", seufzt der Amsterdamer Geschäftsmann Haci Karacaer.

    Karacaer war sieben Jahre lang, bis Ende 2006, Direktor von Milli Görüs in den Niederlanden. In dieser Zeit hat er alles für den Neubau der Aya Sophia Moschee in die Wege geleitet:

    "Es ging nicht allein um eine Moschee", sagt der 48-Jährige, "es ging um eine Bewegung, um einen neuen, progressiven Islam mit Muslimen, die sich nicht länger wie Austern in ihre Schale zurückziehen, sondern aktiv in der niederländischen Gesellschaft mitwirken. Und es hätte die erste Moschee in Europa mit einem europäischen Namen werden sollen."

    "Westermoskee" sollte sie heißen, "Moschee des Westens". Entworfen von zwei jüdischen Architekten aus Frankreich, im osmanischen Stil mit vielen Elementen der Amsterdamer Schule und mit einem 43 Meter hohen Minarett. Kosten: 18 Millionen Euro.

    Die Stadt Amsterdam und die Wohnungsbaugesellschaft Stadgenoot machten begeistert mit. Ging es doch um ein Symbol der Integration, das für einen liberalen Islam stand, wie er von der damaligen Milli Görüs-Leitung bereits verkörpert wurde: Denn Haci Karacaer bekämpfte Antisemitismus und Schwulenfeindlichkeit innerhalb der Moslemgemeinschaft und arbeitete eng mit den niederländischen Behörden zusammen.

    Der Europazentrale von Milli Görüs in Köln allerdings war er ein Dorn im Auge: Fast täglich kam Kritik aus Deutschland:

    Ende vom Lied: Im Dezember 2006 musste Karacaer das Feld räumen, Milli Görüs Niederlande bekam eine neue konservative Leitung. Die Investoren der Westermoskee - allen voran die Stadt Amsterdam und die Wohnungsbaugesellschaft Stadgenoot - waren entsetzt und zogen sich zurück. Der damalige Stadtteilvorsitzende Henk van Waveren.

    "Innerhalb von nur einer Woche verspielte Milli Görüs das gesamte Vertrauen, das in den letzten 17 Jahren aufgebaut werden konnte – bei den Banken, bei der Wohnungsbaugesellschaft, bei der Stadt."

    Seitdem warten die Investoren auf ihr Geld. Denn der Führungswechsel bei Milli Görüs in Amsterdam hat auch für ein administratives und finanzielles Chaos gesorgt. Nur 3,5 Millionen Euro konnten bislang beschlagnahmt werden – dabei fordert allein Amsterdam rund zwei Millionen zurück, die Wohnungsbaugesellschaft will mehr als 3,5.

    Die Moscheeleitung am Postjesweg übt sich trotz allem unverdrossen in Optimismus. Sie will den Neubau nun im Alleingang realisieren, ohne Stadt und Wohnungsbaugesellschaft, für nur sechs Millionen Euro. Möglicherweise schon diese Woche, so teilte Karacaers Nachfolger Fatih Dag mit, könne mit den Bauarbeiten begonnen werden. Man warte nur noch auf grünes Licht vom Rathaus, wo noch ein paar Dokumente abgesegnet werden müssten. Die Bauarbeiter jedenfalls stünden bereits in den Startblöcken. Und auch das Geld sei kein Problem. Das will die Moscheegemeinschaft nun selbst aufbringen.