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"Es hat sich viel getan vonseiten der international offices"

Viele ausländische Studenten zieht es nach Deutschland. Und ihre Betreuung hat sich auch deutlich verbessert, sagt Johannes Glembek, Geschäftsführer des Bundesverbandes ausländischer Studierenden: Da sei "einiges heute Standard, was man vor ein paar Jahren vielleicht als Leuchtturm bezeichnet hätte." An ein paar Stellen hapert es aber auch noch.

Johannes Glembek im Gespräch mit Lothar Guckeisen | 23.09.2010
    Lothar Guckeisen: Der Hochschulstandort Deutschland, der ist attraktiv. In den vergangenen 20 Jahren hat sich die Zahl der ausländischen Studierenden mehr als verdoppelt: von damals rund 90.000 auf heute ungefähr 240.000. Abgesehen von kleineren Schwankungen ist die Tendenz weiter positiv. Johannes Glembek, Geschäftsführer des Bundesverbandes ausländischer Studierender, womit haben sich denn die deutschen Hochschulen diesen Zuspruch verdient?

    Johannes Glembek: Ja, guten Tag, erst mal! Ich denke, die deutschen Hochschulen haben in den letzten Jahren einige Anstrengungen unternommen, das Orientierungs-, Integrations- und Betreuungsangebot wesentlich zu verbessern. Zumindest was den Eingang angeht, was die Arbeit der international offices und die Studierendenschaften angeht, ist da doch einiges heute Standard, was man vor ein paar Jahren vielleicht als Leuchtturm bezeichnet hätte.

    Guckeisen: Sie sagen, da ist einiges in Gang gekommen. Man sieht, dass ausländische Studierende Betreuung brauchen, sie bekommen die auch mehr als früher. Trotzdem ist es so, dass junge Ausländer hier zu uns herkommen und sagen, wir wollen in Deutschland studieren, sind hoch motiviert, manchmal auch ganz stolz verlassen sie ihr Heimatland. Und dann brechen eben doch fast jeder Zweite sein Studium hier ab – das ist zumindest das Ergebnis einer Studie des Deutschen Akademischen Austauschdienstes. Wie kommt es dazu?

    Glembek: Ja, gut, das Problem ist natürlich, dass die Hochschule auch kein monolithischer Block ist. Man muss sagen, es hat sich viel getan vonseiten der international offices oder der Akademischen Auslandsämter, auch der bei Studienberatung ist viel, viel besser geworden. Wo es noch dran hapert, ist eigentlich die Integration in den Fächern, also die fachbezogene Integration. Da gibt es zwar auch schon sehr, sehr gute Ansätze und auch immer mehr, aber noch nicht so durchgehend, wie es eigentlich vonseiten jetzt der Integration des Empfangs durch die international offices ist. Also in den Fächern müsste eigentlich jetzt das fortgesetzt werden, was an anderer Stelle schon gemacht worden ist: Lehr-, Lernkultureinführung, Integration, besonders die fachliche Zusammenarbeit mit deutschen Studierenden. Aber auch halt, dass man das, was wir an Lernen und Lehrkultur haben, den Studierenden näher bringt. Das wäre ein Punkt, der wichtig ist.

    Guckeisen: Sie sprechen ein ganz zentrales Thema an: die Lernkultur. Je nach Herkunftsland ist es eben so, dass die ganz anders kulturell geprägt sind. Nehmen wir mal das Land China, wo ja ganz viele ausländische Studierende hier nach Deutschland kommen. Für die ist es sozusagen respektlos, wenn die von sich aus auf einen Professor zugehen, also die Sprechstunde etwa aufsuchen. Oder die sind auch gar nicht gewohnt, dass man das Studium selber plant und aktiv auf die Leute dann eben zugeht. Müsste da nicht viel mehr auch an Hilfestellung gerade zu Beginn des Studiums geleistet werden, die an die Hand nehmen sozusagen?

    Glembek: Ja, natürlich. Ich würde vielleicht nicht an die Hand nehmen, widerspricht vielleicht meiner Lernkultur als Deutscher, aber orientieren ist wichtig. Es geht ja noch viel weiter: Besuch Professoren, Professorinnen. Ich habe aber auch viel krassere Fälle schon erlebt, dass gerade chinesische Studierende des Plagiats bezichtigt wurden, erstaunt ihre Arbeit zurückgekriegt haben, in den Händen gehalten haben, Vorladung vom Prüfungsausschuss gekriegt haben und wussten gar nicht, was sie falsch gemacht haben, weil es in ihrer Lernkultur selbstverständlich ist, dass man den Professor zitiert, ohne ihn zu zitieren, wie wir es gewohnt sind. Und da haben Sie völlig recht, da muss angesetzt werden. Da müssen in den Einführungsveranstaltungen die Dozenten und Dozentinnen eine Sensibilität bekommen dafür, dass unter den – je nach Fach – vielleicht 200, aber vielleicht manche Veranstaltungen 20 Studierende, die da sitzen, auch großer Anteil ausländischer internationaler Studierende sitzt und auch darauf hinweisen, was vielleicht für uns selbstverständlich ist, dass man sagt: So, Sprechstunde ist kein Problem, da kommt man hin in Deutschland, wir zitieren so und so. Und das müsste viel mehr passieren.

    Guckeisen: Jetzt ist es ja so, wir haben gerade von geredet, jeder Zweite bricht das Studium ab, aber andersrum gewendet kann man auch sagen, die andere Hälfte, die macht eben den Abschluss. Wenn die dann aber hier auf den Arbeitsmarkt wollen, haben die große Probleme, oder?

    Glembek: Ja, auch da muss man sagen, es hat sich viel gebessert an rechtlichen Bedingungen. Die Vorrangigkeitsregelung ist weggefallen für Studierende, die hier einen Abschluss gemacht haben ...

    Guckeisen: Vorrangigkeit heißt also, andere EU-Bürger oder deutsche Arbeitnehmer, dass die eben nicht bevorzugt behandelt werden bei der Einstellung?

    Glembek: Richtig, genau. Man sieht aber jetzt in bestimmten Situationen, in bestimmten Fällen, dass es doch noch Nachbesserungsbedarf gibt. Es gibt beispielsweise jetzt im, ja, vielleicht Jahr eins nach der Wirtschaftskrise, jetzt, wo sich alles erholt, eine ganze Menge ausländische Studierende, die das letzte Jahr eine Arbeit gesucht haben – sie dürfen nur ein Jahr eine Arbeit suchen –, die Firmen haben aber nur sehr verhalten eingestellt oder gar nicht eingestellt, fangen jetzt wieder an. Und jetzt gibt es aber viele Fälle, die auch mit uns Kontakt aufnehmen und sagen: Ja, wir haben nur noch eine Woche, die wir in Deutschland bleiben dürfen.

    Guckeisen: Was passiert mit denen, werden die ausgewiesen?

    Glembek: Ausgewiesen erst mal nicht, das ist der letzte Schritt sozusagen. Es ist erst mal so, dass sie ausreisepflichtig werden. Und die meisten – das empfehlen wir auch natürlich – sollen dann auch selber ausreisen, um noch die Chance bekommen, auch wieder einreisen zu können. Aber das Problem ist, dass hier eigentlich eine größere Flexibilität notwendig ist, entsprechend auch der Situation auf dem Arbeitsmarkt, also der wirtschaftlichen Situation, denn die Fachkräfte werden ja gebraucht.

    Guckeisen: Ja, manches ist besser geworden, noch längst ist nicht alles gut. In "Campus & Karriere" Johannes Glembek, Geschäftsführer des Bundesverbandes ausländischer Studierender. Besten Dank!

    Glembek: Ich bedanke mich bei Ihnen!