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Es ist aus, Pál

KT lässt grüßen: Pál Schmitt war einst ein Hoffnungsträger in der Riege der Sportfunktionäre. Jetzt hat Ungarns Staatspräsident seinen Doktortitel verloren - wegen Abschreibens. Ein Abgesang.

Von Klaus Blume | 01.04.2012
    Zweiundzwanzig Jahre ist das her. Damals habe ich spontan Pál Schmitt in Budapest angerufen, habe ihn sogar binnen weniger Minuten am Telefon erwischt, was 1990 noch einem technischen Kunststück gleichkam; um ihn zur Neuformation eines nun nicht mehr unter der Fuchtel ungarischer Salon-Sozialisten stehenden Nationalen Olympischen Komitees zu gratulieren. Und ihm für dessen Leitung Mut, Zuversicht, Zähigkeit und Kraft zu wünschen. Wir unterhielten uns noch eine ganze Weile - über die Frage, woher denn künftig das Geld für den ungarischen Sport kommen könne; über die fast sprichwörtliche Sportbegeisterung seiner Landsleute; über typisch ungarische Erfolgs-Sportarten; und jedes Mal hatte Pál eine griffige Antwort parat. Ich schrieb damals alles für den in Zürich erscheinenden "Sport" auf, eine der ältesten und angesehensten europäischen Sportpublikationen.

    Bald darauf gab es den "Sport" nicht mehr, doch Pál Schmitt - 1968 und 1972 Olympiasieger im Degenfechten - machte fleißig Karriere. Er ging als ungarischer Botschafter nach Madrid, wo ihn mit dem faschistoiden spanischen IOC-Präsidenten Juan Antonio Samaranch alsbald schon eine fast freundschaftliche Nähe verband. Dass Pal 1999, als IOC-Vizepräsident, sogar - hinter vorgehaltener Hand - als dessen möglicher Nachfolger gehandelt wurde, ja, wen unter den seinerzeitigen Insidern hat es denn verwundert?

    In diesen Tagen nun überschlagen sich die Nachrichten um Pál. Es sind schlimme Nachrichten! Denn es scheint, als gehöre er, der (noch immer) amtierende Präsident der Republik Ungarn, gemeinsam mit dem erzkonservativen Premier Victor Orban, zu den umstrittensten Personen im Lande.

    Etwa dreihundert Menschen haben vor dem Präsidentenpalast Zelte aufgeschlagen; sie wollen erst dann wieder abziehen, wenn auch Pál Schmitt ausgezogen ist. Eine getürkte Doktorarbeit hatte das Fass zum Überlaufen gebracht, was Eingeweihten schon zu Jahresanfang aufgestoßen ist. Pál hatte bei dem bulgarischen Sportwissenschaftler Nikolaj Georgijew und dem Hamburger Soziologen Klaus Heinemann abgekupfert, und dann behauptet: "Ich habe meine Doktorarbeit nach besten Wissen und Gewissen geschrieben." Inzwischen hat ihm die Budapester Semmelweis-Universität den Doktortitel aberkannt.

    Ja, Pál, ich erinnere mich: du hattest deiner Mutter, als junger Fechter einst versprochen: "Einmal, Mama, werde ich ein Doktor sein." Hättest du bei all deinen Ämtern, die du gesammelt hast, wie andere Leute Karnevalsorden, ja auch bekommen - ehrenhalber und gleich im Dutzend. Hättest nur warten brauchen. Wobei die eine oder andere Verfehlung doch längst als "olympische Bagatelle" abgebucht worden ist: Zum Beispiel die von 1985 bei der IOC-Session in Berlin, als das gastgebende NOK der DDR die Kosten für eine nächtliche Begleiterin begleichen musste.

    Es ist aus, Pál!

    Du solltest dich von allen Ämtern verabschieden - auch von jenen im Sport. Was bleibt, wirst du fragen? Die Erinnerung an jemanden, der einst mit Feuereifer und sicherem Kalkül auf die Fecht-Planche trat und der, zumindest anfangs, auch in der Sportpolitik ähnlich zu handeln schien. Das allein ist schon viel - doch mehr bleibt nicht. Schade, Pál.