Koldehoff: Zu den vielen, die sich im Disput um die Vergabe des Düsseldorfer Heinrich-Heine-Preises reichlich blamiert haben, gehört neben Einzelpersonen auch eine Institution: die Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität. Weil sie den Preis mit vergibt, sitzt auch ihr Rektor qua Amt mit in der Jury und hat also auch zu erklären, wie es in diesem Jahr zum Eklat um Vergabe und Nichtvergabe, Rücknahme und Rückgabe kommen konnte. Das hat der Amtsinhaber, Alfons Labisch, bislang aber tunlichst vermieden. Während sich viele andere bereits erklärten, schwieg Alfons Labisch. Dann aber, am Wochenende, kündigte er in der "Welt am Sonntag" endlich die Aufarbeitung an – Zitat: "Es geht nicht mehr um Heine oder Handke, es geht längst um die Frage "Was darf Kunst?" Die Heinrich-Heine-Universität möchte die Diskussion über diese Frage eröffnen. Es ist ihr gelungen, für die erste Vorlesung in der Reihe "Poesie, Politik, Presse" den Wissenschaftler und Publizisten Karl-Heinz Bohrer zu gewinnen. Am Montag, 18 Uhr, Hörsaal 3D, wird Bohrer den Vortrag "Stil als Provokation. Paradigmen eines emphatischen Begriffs" halten. Die Frage "Was darf Kunst?" ist in Düsseldorf zu diskutieren - einer Stadt der Künste, die sich zu einer Zukunftsstadt entwickeln möchte. Das hört sich, Hubert Winkels, nach einem mutigen Schritt an.
Hubert Winkels: Herr Alfons Labisch, der Rektor war in der Jury zum Heine-Preis. Er hat anders als alle anderen sich nicht geäußert, wie er sich entschieden hat. Er ist zwei, drei Wochen verschwunden. Ihm wurde richtig nachgestellt von der Presse. Man wollte wirklich wissen, wie er es hält mit der Religion, mit Handke, mit Heine. Aber er war nicht aufzufinden. Die nächste Äußerung an die Öffentlichkeit war die von Ihnen zitierte, mit großem Aplomb angekündigt, wir holen diesen ganzen kleingeistigen Diskurs in eine viel größere Dimension, kulturgeschichtlich, die Geisteswissenschaften werden insgesamt einbezogen, eine Reihe wird an der Universität veranstaltet. Sie haben es eben kurz genannt. Es stimmt, um es kurz zu sagen nicht.
Es ist ein Etikettenschwindel. Offenbar war die Veranstaltungsreihe schon lange geplant, offenbar war Herr Bohrer schon lange eingeladen. Jeder der Herrn Bohrer kennt, aus den Veröffentlichungen in Merkur, aus seinen Büchern, weiß, dass er sich seinerseits zu diesen kleinteiligen, moralisch-politischen Diskursen des Alltags ungern, fast gar nicht äußert und so war es denn auch. Es war ein Vortrag voll von Spannung, Erwartung, im Auditorium, das vor allen Dingen an der Uni von städtischen Besuchern geprägt war und es kam nichts über Handke. Mann, musste ich da sagen, ich musste nachfragen, aber auch wegen Handke sind wir hier, um Ihnen einige Sätze zu entlocken. Die kamen dann ein bisschen altprophetisch grummelnd, schwer tropfend, ja er sei im Sinne Nietzsches eher Handke im Sinne Nietzsches, jemand der einen großen Stil habe oder dem man einen großen Stil attestieren könne. Das ist kein Individualstil mehr, das ist eine Transzendenz des Alltags und des normalen Gefüges hin zu dem was er mythisch, maskenhaft, künstlerisch, artifiziell nennt, also er, Bohrer.
Also Handke hat unter dieser Perspektive natürlich den Preis verdient, weil er einer der ganz Großen ist, dem man großen Stil attestieren kann. Auf die Nachfrage, wie man dann die politisch-moralische Dimension einzuschätzen habe, hätte uns diskussionsmäßig in einen Widerspruch verstrickt, denn diese Form von erhabener Mythenbezogenheit, wie Bohrer sie liebt und exerziert hat im Vortrag an Heine, an Nietzsche, an Goethe auf Handke angewendet heißt, er ist politisch nicht satisfaktionsfähig. Er ist in einer Sphäre jenseits, wie Götter auf die Erde kucken. Das kann Bohrer nicht wirklich wollen. Sofern war unklar, ist das Genie dem politischen Kleinkrieg entzogen oder wenn nicht, wie dürfen wir ihn in rationale auch empirisch durch Kenntnis bestimmte Prozesse einbinden. Das wurde leider nicht geklärt und der vorherrschende Eindruck gestern war, dass die Uni versucht in die Offensive zu kommen, die Düsseldorfer Uni, in dieser Sache. Aber gleich mit dem ersten Versuch in dieser Sache auch schon gescheitert ist, einfach weil sie unaufrichtig war.
Koldehoff: Ungewollt gescheitert ist oder einfach nicht besser gekonnt hat?
Winkels: Naja, man hat ein wenig das Gefühl, dass es auch ein strukturelles Defizit gibt. Dass sich die Form der Geisteswissenschaften, wie sie sich entwickelt hat, sozusagen aus bestimmt auch frommer und mit guten Motiven versehen, eine Distanznahme zum alltäglichen Gewurstel in der Politik, belehrt vielleicht auch aus vielen Schwächen und Problemen im letzten Jahrhundert, zu weit entfernt hat und eigentlich von ihrem Erhabenheitsgefühl, ihrem Superioritätsgefühl, in großen Zeiträumen zu denken, nicht mehr zurückfindet.
Außer eben Bevölkerungswissenschaftler, Soziologen, die permanent Politikberatung machen, aber die Geisteswissenschaften im klassischen Sinne haben sich quasi selber zur Unzuständigkeit verdammt und da ist schon eine gewisse Selbstverschuldung mit im Spiel. Die ungeliebte Universität heißt das bei einem neuen Buch von Jochen Hörisch, das jetzt im nächsten Monat erscheint. Der versucht auch zu zeigen, wie diese Abkapselung geschehen ist und ich glaube wir hatten gestern, obwohl Karl-Heinz Bohrer als Herausgeber des Merkur ein eigentlich noch relativ nah an der normalen publizistischen Landschaft in Deutschland ist, trotzdem ein Beispiel dafür, wie man mit viel Begriffsaufwand sich unglücklich weit von den Dingen entfernt.
Koldehoff: Hubert Winkels über den wohl gescheiterten Versuch der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität, über die Vergabe des Heine-Preises an Peter Handke, sprechen zu lassen.
Hubert Winkels: Herr Alfons Labisch, der Rektor war in der Jury zum Heine-Preis. Er hat anders als alle anderen sich nicht geäußert, wie er sich entschieden hat. Er ist zwei, drei Wochen verschwunden. Ihm wurde richtig nachgestellt von der Presse. Man wollte wirklich wissen, wie er es hält mit der Religion, mit Handke, mit Heine. Aber er war nicht aufzufinden. Die nächste Äußerung an die Öffentlichkeit war die von Ihnen zitierte, mit großem Aplomb angekündigt, wir holen diesen ganzen kleingeistigen Diskurs in eine viel größere Dimension, kulturgeschichtlich, die Geisteswissenschaften werden insgesamt einbezogen, eine Reihe wird an der Universität veranstaltet. Sie haben es eben kurz genannt. Es stimmt, um es kurz zu sagen nicht.
Es ist ein Etikettenschwindel. Offenbar war die Veranstaltungsreihe schon lange geplant, offenbar war Herr Bohrer schon lange eingeladen. Jeder der Herrn Bohrer kennt, aus den Veröffentlichungen in Merkur, aus seinen Büchern, weiß, dass er sich seinerseits zu diesen kleinteiligen, moralisch-politischen Diskursen des Alltags ungern, fast gar nicht äußert und so war es denn auch. Es war ein Vortrag voll von Spannung, Erwartung, im Auditorium, das vor allen Dingen an der Uni von städtischen Besuchern geprägt war und es kam nichts über Handke. Mann, musste ich da sagen, ich musste nachfragen, aber auch wegen Handke sind wir hier, um Ihnen einige Sätze zu entlocken. Die kamen dann ein bisschen altprophetisch grummelnd, schwer tropfend, ja er sei im Sinne Nietzsches eher Handke im Sinne Nietzsches, jemand der einen großen Stil habe oder dem man einen großen Stil attestieren könne. Das ist kein Individualstil mehr, das ist eine Transzendenz des Alltags und des normalen Gefüges hin zu dem was er mythisch, maskenhaft, künstlerisch, artifiziell nennt, also er, Bohrer.
Also Handke hat unter dieser Perspektive natürlich den Preis verdient, weil er einer der ganz Großen ist, dem man großen Stil attestieren kann. Auf die Nachfrage, wie man dann die politisch-moralische Dimension einzuschätzen habe, hätte uns diskussionsmäßig in einen Widerspruch verstrickt, denn diese Form von erhabener Mythenbezogenheit, wie Bohrer sie liebt und exerziert hat im Vortrag an Heine, an Nietzsche, an Goethe auf Handke angewendet heißt, er ist politisch nicht satisfaktionsfähig. Er ist in einer Sphäre jenseits, wie Götter auf die Erde kucken. Das kann Bohrer nicht wirklich wollen. Sofern war unklar, ist das Genie dem politischen Kleinkrieg entzogen oder wenn nicht, wie dürfen wir ihn in rationale auch empirisch durch Kenntnis bestimmte Prozesse einbinden. Das wurde leider nicht geklärt und der vorherrschende Eindruck gestern war, dass die Uni versucht in die Offensive zu kommen, die Düsseldorfer Uni, in dieser Sache. Aber gleich mit dem ersten Versuch in dieser Sache auch schon gescheitert ist, einfach weil sie unaufrichtig war.
Koldehoff: Ungewollt gescheitert ist oder einfach nicht besser gekonnt hat?
Winkels: Naja, man hat ein wenig das Gefühl, dass es auch ein strukturelles Defizit gibt. Dass sich die Form der Geisteswissenschaften, wie sie sich entwickelt hat, sozusagen aus bestimmt auch frommer und mit guten Motiven versehen, eine Distanznahme zum alltäglichen Gewurstel in der Politik, belehrt vielleicht auch aus vielen Schwächen und Problemen im letzten Jahrhundert, zu weit entfernt hat und eigentlich von ihrem Erhabenheitsgefühl, ihrem Superioritätsgefühl, in großen Zeiträumen zu denken, nicht mehr zurückfindet.
Außer eben Bevölkerungswissenschaftler, Soziologen, die permanent Politikberatung machen, aber die Geisteswissenschaften im klassischen Sinne haben sich quasi selber zur Unzuständigkeit verdammt und da ist schon eine gewisse Selbstverschuldung mit im Spiel. Die ungeliebte Universität heißt das bei einem neuen Buch von Jochen Hörisch, das jetzt im nächsten Monat erscheint. Der versucht auch zu zeigen, wie diese Abkapselung geschehen ist und ich glaube wir hatten gestern, obwohl Karl-Heinz Bohrer als Herausgeber des Merkur ein eigentlich noch relativ nah an der normalen publizistischen Landschaft in Deutschland ist, trotzdem ein Beispiel dafür, wie man mit viel Begriffsaufwand sich unglücklich weit von den Dingen entfernt.
Koldehoff: Hubert Winkels über den wohl gescheiterten Versuch der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität, über die Vergabe des Heine-Preises an Peter Handke, sprechen zu lassen.