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"Es ist einfach ein Hintergrund-Soundtrack"

Der Kritiker Jörn Florian Fuchs lässt kein gutes Haar an Peter Eötvös' Oper "Die Tragödie des Teufels". Die wirre Handlung habe Regisseur Balázs Kovalik nicht auflösen können und dem Komponisten Eötvös sei nichts Originelles eingefallen außer völlig belanglosen Akkordketten.

Jörn Florian Fuchs im Gespräch mit Stefan Koldehoff |
    Stefan Koldehoff: Damit auch zeitgenössische Komponisten von etwas leben können, vergeben große Opernhäuser von Zeit zu Zeit eigene Kompositionsaufträge. Das Ergebnis der künstlerischen Tätigkeit wird dann in der Regel beim Auftraggeber uraufgeführt, so auch gestern Abend in München in der Bayerischen Staatsoper. Dort hatte eine Oper des ungarischen Komponisten und Dirigenten Peter Eötvös Premiere. Eötvös arbeitete in den 1970er- und 80er-Jahren unter anderem mit Karlheinz Stockhausen und Pierre Boulez zusammen. Seine Auftragskomposition für München, die Oper, trägt den schönen Titel "Die Tragödie des Teufels". Nun ist der Fürst der Finsternis ja, Jörn Florian Fuchs, in der Regel der Grund einer Tragödie und steht nicht selbst in deren Mittelpunkt.

    Jörn Florian Fuchs: Ja, aber irgendwie sind auch die anderen Protagonisten hier Opfer, vor allen Dingen Adam und Eva. Eva ganz speziell, die am Ende nämlich von Adam dann auch noch getötet wird, obwohl sie schwanger ist oder vielleicht auch gerade deswegen, weil Adam letztlich seine erste Frau dann wieder zu seiner Frau erwählt, nämlich Lilith. Ja, das klingt alles etwas verwirrend, es ist in diesen 100 Minuten der Oper noch, noch viel verwirrender. Die Vorlage ist eine Art ungarischer Faust von Imre Madách, der ziemlich frei mit biblischen Motiven, aber auch mit allerlei mythischen Geschichten umgeht. Und diese Vorlage hat nun der, ja eigentlich eher als Lyriker einschlägige Albert Ostermaier, Münchener Autor, als Ausgangspunkt genommen für eine, wie ich finde, wirklich vollständig wirre Textwüste, die diese Handlung – wenn man überhaupt von Handlung sprechen mag – nimmt, diese Vorlage, aber in zwölf eher kurzen Szenen, dann noch eine Vielzahl von anderen Figuren einführt. Wir sind einerseits im biblischen Paradies, wir sind an allerlei anderen höllischen Orten, wir sind in Athen und Rom – also darunter macht man es offenbar heute in der Oper gar nicht mehr. Dann geht es in den Bagdadkrieg, dann sind wir in einem Science-Fiction-Luxushotel, wo die Leute mit Pillen ruhiggestellt werden. All das kommt da hinein, Kreuzritter, Soldaten, Maschinenmenschen – das haben wir alles in 100 Minuten, und es ist vollständig verwirrend. Also ich glaube, dass wirklich niemand, der auch vorher sich den Text ansieht und den Inhalt, irgendwie in dieser Oper klarkommt, inhaltlich.

    Koldehoff: Dann drängt sich natürlich die Frage auf, für wen das Ganze? Sie haben sich vorbereitet, haben gesagt, es war trotzdem recht kompliziert. Was tut man, um die Handlung in irgendeiner Weise doch noch gleichwertig zur Musik erscheinen zu lassen?

    Fuchs: Also es ist in der Inszenierung so, dass Ilja Kabakow eine große Treppe gebaut hat, das ist eigentlich der zentrale Bühnenmittelpunkt an diesem Abend. Diese Treppe kann sich drehen, und auf dieser Treppe sind nun verschiedene Figuren drapiert, also eben der Teufel, Adam und Eva und diese ganzen anderen Gestalten. Und man steigt wirklich die Treppe hinauf, steigt sie wieder hinab, auf der linken Seite sind dann so große Symbole wie eine Kugel, ein Mensch, der über eine Mauer versucht zu klettern, ein Mensch, der Lasten trägt – diese Symbolik wird da irgendwie evoziert. Ganz klar, warum das an der Stelle ist, wird es allerdings nicht. Und unter dieser drehbaren Treppe findet sich dann öfters so eine Art Prekariat, da wird irgendwie versucht, die Verbindung der mythischen Figuren ins Hier und Heute zu realisieren, indem man auch mal, in Anführungszeichen, "normal gekleidete" Leute auftreten und nicht nur diejenigen, die in irgendwelchen Science-Fiction-Gewändern da durch die Szene geistern. Aber es ist ein Regisseur schlicht und ergreifend überfordert, man bleibt doch letztlich verwirrt zurück.

    Koldehoff: Schafft denn die Musik irgendeine Form von Struktur?

    Fuchs: Das Problem hier ist einfach, dass Eötvös fast überhaupt nichts Originelles einfällt. Es sind völlig belanglose Akkordketten, es sind Klanggirlanden, aber das zentrale Problem ist einfach, dass alles so einheitlich ist, dass wir zum Beispiel keine Motive haben, dass wir gar nicht wiedererkennen, wo wir in der Handlung sind anhand der Musik. Es ist einfach ein Hintergrund-Soundtrack. Es ist erstaunlich, dass Eötvös da nicht zu einer eigenen, dem Stück angemessenen musikalischen Sprechweise gefunden hat. Und bei Sprech- oder Singweise sind wir auch schon bei einem anderen Problem: Eötvös hat ja etwa in Opern wie "Tri sestri" wunderbar für Stimmen geschrieben, und hier ist das in den Gesangslinien nun sehr, sehr gediegen, sehr zurückgenommen, verschattet, eigentlich uninteressant. Es gibt ein paar ganz wenige Momente, wo der Abend musikalisch stark wird, und ein Beispiel ist dann das Lied von Luzifer, das wir uns jetzt mal anhören.

    (Lied von Luzifer)

    Das war jetzt Georg Nigl als Luzifer. Sängerisch, muss man sagen, ist der Abend glänzend besetzt, etwa mit Cora Burggraaf auch als Eva oder mit Julie Kaufmann, aber es ist eben sehr viel Aufwand für relativ wenig im Ergebnis.

    Koldehoff: Sagt Jörn Florian Fuchs über die Uraufführung von "Die Tragödie des Teufels" in München in der Bayerischen Staatsoper. Vielen Dank!