Der Flohmarkt im Kapstädter Stadtteil Milnerton will nicht so recht in Gang kommen. Es ist ein frostiger Samstagmorgen, und am Tafelberg auf der anderen Seite der Bucht türmen sich dicke Regenwolken auf. Susan wickelt sich ihren roten Strickschal zweimal um den Hals. Die Beine ausgestreckt, die Füße in billigen Kunstlederstiefeln sitzt sie auf dem Beifahrersitz ihres hellblauen VW Golf. Am Auto nagt der Rost, hinten fehlt ein Türgriff. Die junge Frau zündet sich eine Zigarette an und lächelt unsicher. Viel gebe es über sie nicht zu erzählen, sagt sie.
"Ich war Verkäuferin in einem Getränkeladen, und jetzt mache ich eben das hier auf dem Flohmarkt. Träume oder Pläne habe ich nicht im Moment. Ich lebe einfach von einem Tag zum nächsten, das ist alles. Ich bin arbeitslos und verdiene so ein bisschen Geld für die Kinder. Der Flohmarkt hilft uns da ein bisschen... Es hilft... sehr."
Das Lächeln ist verschwunden. Susan weicht meinem Blick aus und zupft eine Haarsträhne in ihrer Dauerwelle zurecht. Ihre Augen schweifen über die graue Decke am Boden. Darauf liegt, was sie in den nächsten Stunden in Bargeld umsetzen will: Links ein kleiner Haufen kaputtes Spielzeug, daneben ein paar verrostete Werkzeuge.
Eigentlich ist es in Südafrika keine Schande, arm zu sein. Bei einer Arbeitslosenrate von über 40 Prozent und mageren Sozialleistungen ist Armut eher die Regel als ein Ausnahme. Doch Susan ist weiß und spricht Afrikaans - die Sprache von P.W. Botha, Henrik Verword und F.W. De Klerk. Sie gehört zu dem, was Apartheid-Ideologen als 'das auserwählte Volk der Buren' bezeichnet und künstlich auf ein höheres Lebensniveau gehievt haben. Ohne staatliche Privilegien sind seit Ende der Apartheid 2 Prozent der weißen Südafrikaner auf ein Lebensniveau abgerutscht, von dem 50 Prozent ihrer schwarzen Landsleute seit Jahrzehnten ein Lied singen können.
Susan ist mit ihrem Flohmarktjob eine Ausnahme. Weitaus üblicher sei es für verarmte Weiße, sich in die Arbeitslosigkeit zurückzuziehen und von Sozialleistungen zu leben, sagt Morné Oosthuizen, Soziologe an der Universität Kapstadt.
"Es gibt Leute, die sagen, nie im Leben werde ich sauber machen oder so etwas. Da gibt es Widerstand. Viele Weiße werden lieber arbeitslos als das sie niedere Arbeiten verrichten."
Statistisch ist die Zahl der verarmten Weißen im Heer der rund 20 Millionen südafrikanischen Armen nicht der Rede wert. Real sichtbar wird weiße Armut in Orten mit so stolzen Namen wie 'Ruyterwacht', einem Viertel in Kapstadt. Stolz seien die weißen Bewohner auf ihren Ort längst nicht mehr, erzählt der Inhaber des Louis-Botha-Cafés, einem heruntergekommenen kleinen Lebensmittelgeschäft im Zentrum.
"Ärmer als hier geht's nicht mehr: Wir haben die ärmste Schule, die ärmsten Häuser, die meisten Leute leben von Sozialleistungen. Und das meiste Geld wird für Alkohol ausgegeben und im Casino verspielt."
Manuel, ein stämmiger Mann mit Schnauzbart steht hinter der Kasse und hat alle Hände voll zu tun. Gut jeder zweite Kunde hat eine dunkle Hautfarbe. Kaum etwas im Laden kostet mehr als ein, zwei Euro. Im ehemaligen Lagerraum stehen fünf Spielautomaten; vor jedem ein Kind, tief versunken in Autorennen und Verbrecherjagden.
Hinter dem Ladentisch klebt eine vergilbte Karikatur an der Wand. Darauf ein weißer Mann, der einem Schwarzen in den Hintern schaut – auf der Suche nach dem neuen Südafrika. Manuel lacht seit zehn Jahren über den Witz. Es ist ein bitteres Lachen. Mit jedem Tag würde das Land weiter den Bach runtergehen, sagt er. Seine Tochter Janét nickt eifrig. Die Finger der Zwölfjährigen spielen mit dem Saum ihres dünnen, rosafarbenen Pullovers:
"Ich weiß nicht, wie die Leute arm werden, aber alle Reichen ziehen weg und alle Armen kommen her. Dann gehen sie zur Kirche und kriegen Kleidung und Suppe und Essen, weil sie sich das nicht leisten können. Wir haben eine Suppenküche in der Schule, da gibt es arme Kinder."
Manuel: "Im alten Südafrika hatten die Weißen eine Chance auf Arbeit. Die, die Arbeit hatten, haben gearbeitet. Im neuen Südafrika geben sie mehr zu den anderen Rassen, aber wenn die einen Job haben, dann wollen sie nicht arbeiten, sondern streiken!"
"Die Farbigen kriegen alles”, kräht die kleine Janét lauthals dazwischen. Der Vater, peinlich berührt, bedeutet ihr, den Mund zu halten. Ein älterer Mann verfolgt schweigend das Gespräch. Scheinbar gelangweilt lehnt er am Kassentisch und raucht eine Zigarette nach der anderen. Auf die Frage, wie sich Ryterwacht verändert habe, rollt er die Augen und antwortet verächtlich: "Von schlecht zu schlechter...die Schwarzen... die ziehen hierher. Farbige und Schwarze. Es ist hoffnungslos”, sagt er. Dann verstummt er wieder.
"In fünf Jahren haben die Farbigen die Gegend unter Kontrolle. Dann sind wir ein Teil vom Township. Und 90 Prozent der Weißen werden wegziehen. Die restlichen 10% werden mit Schwarzen verheiratet sein. Ich hoffe, ich bin weg, wenn es so weit ist."
Schweigen und mehr Zigarettenrauch. Draußen auf den Stufen sitzt ein farbiges Mädchen in der Sonne. Manuel wird hier bleiben in seinem Geschäft mit den zerbrochenen Fensterscheiben und Brot und Kaugummis verkaufen wie seit 23 Jahren. Seine Tochter hingegen, ja die habe große Träume, lacht er. So seien sie eben, die kleinen Kinder:
"Mein Traum ist ein schönes großes Haus mit drei Etagen, ein reiches Auto und all das und ein Swimming-Pool. Und dann hab ich viele Jobs. Und dann bin ich reich und habe viel Geld und so. Davon träume ich."
"Ich war Verkäuferin in einem Getränkeladen, und jetzt mache ich eben das hier auf dem Flohmarkt. Träume oder Pläne habe ich nicht im Moment. Ich lebe einfach von einem Tag zum nächsten, das ist alles. Ich bin arbeitslos und verdiene so ein bisschen Geld für die Kinder. Der Flohmarkt hilft uns da ein bisschen... Es hilft... sehr."
Das Lächeln ist verschwunden. Susan weicht meinem Blick aus und zupft eine Haarsträhne in ihrer Dauerwelle zurecht. Ihre Augen schweifen über die graue Decke am Boden. Darauf liegt, was sie in den nächsten Stunden in Bargeld umsetzen will: Links ein kleiner Haufen kaputtes Spielzeug, daneben ein paar verrostete Werkzeuge.
Eigentlich ist es in Südafrika keine Schande, arm zu sein. Bei einer Arbeitslosenrate von über 40 Prozent und mageren Sozialleistungen ist Armut eher die Regel als ein Ausnahme. Doch Susan ist weiß und spricht Afrikaans - die Sprache von P.W. Botha, Henrik Verword und F.W. De Klerk. Sie gehört zu dem, was Apartheid-Ideologen als 'das auserwählte Volk der Buren' bezeichnet und künstlich auf ein höheres Lebensniveau gehievt haben. Ohne staatliche Privilegien sind seit Ende der Apartheid 2 Prozent der weißen Südafrikaner auf ein Lebensniveau abgerutscht, von dem 50 Prozent ihrer schwarzen Landsleute seit Jahrzehnten ein Lied singen können.
Susan ist mit ihrem Flohmarktjob eine Ausnahme. Weitaus üblicher sei es für verarmte Weiße, sich in die Arbeitslosigkeit zurückzuziehen und von Sozialleistungen zu leben, sagt Morné Oosthuizen, Soziologe an der Universität Kapstadt.
"Es gibt Leute, die sagen, nie im Leben werde ich sauber machen oder so etwas. Da gibt es Widerstand. Viele Weiße werden lieber arbeitslos als das sie niedere Arbeiten verrichten."
Statistisch ist die Zahl der verarmten Weißen im Heer der rund 20 Millionen südafrikanischen Armen nicht der Rede wert. Real sichtbar wird weiße Armut in Orten mit so stolzen Namen wie 'Ruyterwacht', einem Viertel in Kapstadt. Stolz seien die weißen Bewohner auf ihren Ort längst nicht mehr, erzählt der Inhaber des Louis-Botha-Cafés, einem heruntergekommenen kleinen Lebensmittelgeschäft im Zentrum.
"Ärmer als hier geht's nicht mehr: Wir haben die ärmste Schule, die ärmsten Häuser, die meisten Leute leben von Sozialleistungen. Und das meiste Geld wird für Alkohol ausgegeben und im Casino verspielt."
Manuel, ein stämmiger Mann mit Schnauzbart steht hinter der Kasse und hat alle Hände voll zu tun. Gut jeder zweite Kunde hat eine dunkle Hautfarbe. Kaum etwas im Laden kostet mehr als ein, zwei Euro. Im ehemaligen Lagerraum stehen fünf Spielautomaten; vor jedem ein Kind, tief versunken in Autorennen und Verbrecherjagden.
Hinter dem Ladentisch klebt eine vergilbte Karikatur an der Wand. Darauf ein weißer Mann, der einem Schwarzen in den Hintern schaut – auf der Suche nach dem neuen Südafrika. Manuel lacht seit zehn Jahren über den Witz. Es ist ein bitteres Lachen. Mit jedem Tag würde das Land weiter den Bach runtergehen, sagt er. Seine Tochter Janét nickt eifrig. Die Finger der Zwölfjährigen spielen mit dem Saum ihres dünnen, rosafarbenen Pullovers:
"Ich weiß nicht, wie die Leute arm werden, aber alle Reichen ziehen weg und alle Armen kommen her. Dann gehen sie zur Kirche und kriegen Kleidung und Suppe und Essen, weil sie sich das nicht leisten können. Wir haben eine Suppenküche in der Schule, da gibt es arme Kinder."
Manuel: "Im alten Südafrika hatten die Weißen eine Chance auf Arbeit. Die, die Arbeit hatten, haben gearbeitet. Im neuen Südafrika geben sie mehr zu den anderen Rassen, aber wenn die einen Job haben, dann wollen sie nicht arbeiten, sondern streiken!"
"Die Farbigen kriegen alles”, kräht die kleine Janét lauthals dazwischen. Der Vater, peinlich berührt, bedeutet ihr, den Mund zu halten. Ein älterer Mann verfolgt schweigend das Gespräch. Scheinbar gelangweilt lehnt er am Kassentisch und raucht eine Zigarette nach der anderen. Auf die Frage, wie sich Ryterwacht verändert habe, rollt er die Augen und antwortet verächtlich: "Von schlecht zu schlechter...die Schwarzen... die ziehen hierher. Farbige und Schwarze. Es ist hoffnungslos”, sagt er. Dann verstummt er wieder.
"In fünf Jahren haben die Farbigen die Gegend unter Kontrolle. Dann sind wir ein Teil vom Township. Und 90 Prozent der Weißen werden wegziehen. Die restlichen 10% werden mit Schwarzen verheiratet sein. Ich hoffe, ich bin weg, wenn es so weit ist."
Schweigen und mehr Zigarettenrauch. Draußen auf den Stufen sitzt ein farbiges Mädchen in der Sonne. Manuel wird hier bleiben in seinem Geschäft mit den zerbrochenen Fensterscheiben und Brot und Kaugummis verkaufen wie seit 23 Jahren. Seine Tochter hingegen, ja die habe große Träume, lacht er. So seien sie eben, die kleinen Kinder:
"Mein Traum ist ein schönes großes Haus mit drei Etagen, ein reiches Auto und all das und ein Swimming-Pool. Und dann hab ich viele Jobs. Und dann bin ich reich und habe viel Geld und so. Davon träume ich."