Manfred Götzke: Wenn man einer bestimmten Branche glaubt, könnten wir eigentlich gar nichts mehr alleine. Wir wissen nicht, wie wir uns korrekt in einem Vorstellungsgespräch verhalten, wie ich eine Frau erfolgreich im Café anspreche oder wie ich mit meiner leicht aggressiven Katze richtig umgehe. Aber zum Glück gibt es Menschen, die uns bei all diesen Problemen des Alltags helfen können: Coaches. Ein Beruf, den es vor so 20 Jahren noch gar nicht gab und der boomt wie kaum ein anderer. Heute trifft sich die Crème de la Crème der Coachingwelt in Berlin auf dem Berliner Coachingtag – Anlass für uns, mal darüber zu sprechen, ob und wann Coaching überhaupt Sinn macht, und zwar mit Erik Lindner. Er hat das Buch geschrieben "Coachingwahn: Wie wir uns hemmungslos optimieren lassen". Herr Lindner, Ihr Titel ist ja ziemlich eindeutig, Sie halten also nicht so besonders viel von Coaching, oder?
Erik Lindner: Ja, sagen wir mal so, es ist Mode, sich coachen zu lassen, das tun einige Hunderttausend Leute im Jahr in Deutschland. Warum sie das tun und was Sie dabei erleben, ist eine ganz andere Frage, und die habe ich halt in meinem Buch analysiert. Und manches kommt raus bei der Analyse, manches ist sehr fundiert, sehr gut, sehr wichtig, und manches ist eben etwas abgedreht, trittbrettfahrermäßig, überzogen oder auch Abzockerei und deswegen auch ein bisschen Wahn dabei.
Götzke: Gibt es denn aus Ihrer Sicht überhaupt Situationen, in denen es sinnvoll ist, einen Berater, einen Coach zu engagieren?
Lindner: Ja, natürlich. Also nehmen Sie mal so was wie einen Beruf – wenn jemand sagt, ich bin qualifiziert, ich hab hier demnächst vielleicht die Chance, mich befördern zu lassen, ich bewerbe mich jetzt intern um eine neue Position, ich weiß aber nicht, wie ich die gläserne Wand durchstoßen soll, meinetwegen die Frau, die karrieretechnisch an die Grenze stößt, weil sie eben eine Frau ist, die kann sich dann mit einem Coach darüber unterhalten, wie ihre Chancen sind, was machen könnte, um vielleicht tatsächlich den nächsten Sprung in die höhere Ebene zu machen. Und dabei kann ein Coach helfen. Er kann sozusagen ein Denkpartner sein, der wirklich den richtigen entscheidenden Kick mitgibt für den Karriereschritt, der angestrebt ist. Da macht es dann sehr viel Sinn.
Götzke: Da muss man dann nur den Richtigen finden, einen seriösen Coach.
Lindner: Ja, seriöse Business-Coaches, die wirklich, sage ich mal wissen, wie die Welt aussieht, in die man hinein will. Es gibt halt Coaches, die sind vielleicht Anfang 30 und sagen, sie können jetzt in Karrierefragen jemanden coachen, da gibt es die älteren, die über 50 sind, die sagen, das ist alles Nonsens, die jungen Leute können das nicht, weil sie ja noch nie dort waren, wo es eigentlich drum geht im Coachingprozess mit dem Klienten. Und das ist natürlich ein Problem. Wer kann das machen, wie findet man den Richtigen?
Und da würde ich sagen, wenn Sie überlegen, wie kommen Sie zu einem guten Zahnarzt, das ist ja nicht das polierte Messingschild, was Sie irgendwo sehen, das ist eine Empfehlung von Freunden, von Bekannten oder aus der Familie, dass jemand sagt, geh mal dahin, der macht es gut, und die Krone fällt nicht nach einem Jahr runter. Das ist beim Coaching ähnlich. Und wie erkennt man den? Wenn man im Erstgespräch bei dem sitzt, und er will nicht direkt Geld dafür haben, das ist schon mal wichtig, dann kommt man vielleicht darauf, ob das einer ist, der sich auch zurücknehmen kann im Coachingprozess, der nicht ständig ich, ich, ich, ich sagt, sondern einer, der eben tatsächlich zuhört, dem Klienten zuhört und dessen Fragen analysiert oder, dessen Wunschziele ermittelt, Ziele definiert, mit ihm konkrete Anliegen analysiert und dann sagt, so, darüber reden wir jetzt in einem vielschichtigen Coachingprozess, der nicht nur meinetwegen zwei Stunden dauert, sondern über ein paar Monate gestreckt werden kann, wenn es nötig ist.
Götzke: Sie haben sich durch den Coachingdschungel gearbeitet für Ihr Buch, was haben Sie da so alles erlebt?
Lindner: Na ja, ich war in Anführungszeichen vom Buddhisten bis hin zum esoterischen oder zum Businesspartner älterer oder jüngerer Prägung, alles Mögliche habe ich dabei gesehen. Es ist durchaus amüsant, und Sie finden halt die Harten, die Toughen, die sagen, ich bin der, ausgekuschelt sozusagen, ich bin der hammerhafte Coach, ich geh hart zur Sache.
Götzke: Chaka, du schaffst es!
Lindner: Ja, und es gibt dann so die soften Typen, wo so der Zimmerspringbrunnen plätschert und alles in orangeroten Farben gehalten ist, wo es ein bisschen weich wirkt und ätherische Öle durch den Raum wabern, das gibt es auch. Es ist alles möglich unter der Sonne, und wenn man mit einem gewissen Humor da reingeht, kann man viel erleben, was einen beeindruckt. Es gibt dann eben auch die Blender, die wirklich sagen, so hoch, wie ich gekommen bin, kann man eigentlich kaum kommen im Coaching, Sie haben hier den Besten vor sich et cetera, und ich hab einen irren Tagessatz. Da werden ja bis zu über 5000 Euro pro Tag bezahlt in einigen Preisklassen, das orientieren die dann an den Führungskräften, die sie coachen, und sagen, wenn der Herr halt Millionen im Jahr verdient, kann ich als Coach natürlich nicht mit 3000 Euro nach Hause gehen am Tag. Das sind Sachen, die erlebt man, und da kann man durchaus ins Staunen kommen oder auch ans Nachdenken, ob sich das alles lohnt.
Götzke: Wie erklären Sie sich diesen Coachingwahn, warum glauben wir, immer weniger allein regeln zu können?
Lindner: Ja, das ist wie beim Autofahren. Früher hatten Sie vielleicht eine Ahnung von der Gegend, wo Sie hinfahren wollten, oder einen Stadtplan oder eine Straßenkarte bei sich, heute haben Sie ein Navigationssystem. Es wird alles immer stärker von außen beeinflusst, und Sie vertrauen einfach viel stärker diesen Sachen, die man irgendwo erfunden hat. Und wenn Sie hören, Coaching kommt aus dem Management, da fing es mal ganz oben an, und jetzt ist es demokratischer geworden, jetzt wird die mittlere Ebene in einer Firma meinetwegen gecoacht oder Bundeswehroffiziere kriegen Coaching, damit sie besseres Führungsverhalten an den Tag legen.
Es wird sozusagen – es mäandert von oben nach unten bis hin zur Kindergärtnerin, wenn Sie so wollen. Das sind Zeichen dafür, dass in dieser Welt, in der wir leben, alles so komplex geworden ist, dass man nicht mehr glaubt, ohne solche Orientierungshelfer klarkommen zu können. Und wenn man sagt, das ist modern, es hat einen sehr, sehr angenehmen Touch, Coaching klingt positiv, dann ist es natürlich unverfänglich.
Wenn Sie es vergleichen mit Psychotherapie: Früher, 80er-Jahre, wäre für mich so das Jahrzehnt der Therapie – da ging man dann hin und hat sich therapieren lassen, wenn man Probleme hatte im Beruf, in der Familie, in der Beziehung, was auch immer, man hat darüber aber nicht öffentlich geredet. Und wenn Sie heute sagen, ich hab ein Problem im Beruf, in der Familie, in der Beziehung, Sie gehen zum Coach und sagen, ich lass mich coachen, das klingt natürlich viel unverfänglicher, viel moderner, das ist zum Teil wie ein Statussymbol. In diesem Sinne ist es ein Milieu, was zwischen gutem Nutzen und Narzissmus einiges bietet. Und das habe ich eben in meinen paar hundert Seiten im Buch dargestellt.
Götzke: Vielen Dank, Erik Lindner! Er hat das Buch "Coachingwahn: Wie wir uns hemmungslos optimieren lassen" geschrieben, erhältlich im Econ-Verlag.
Erik Lindner: Ja, sagen wir mal so, es ist Mode, sich coachen zu lassen, das tun einige Hunderttausend Leute im Jahr in Deutschland. Warum sie das tun und was Sie dabei erleben, ist eine ganz andere Frage, und die habe ich halt in meinem Buch analysiert. Und manches kommt raus bei der Analyse, manches ist sehr fundiert, sehr gut, sehr wichtig, und manches ist eben etwas abgedreht, trittbrettfahrermäßig, überzogen oder auch Abzockerei und deswegen auch ein bisschen Wahn dabei.
Götzke: Gibt es denn aus Ihrer Sicht überhaupt Situationen, in denen es sinnvoll ist, einen Berater, einen Coach zu engagieren?
Lindner: Ja, natürlich. Also nehmen Sie mal so was wie einen Beruf – wenn jemand sagt, ich bin qualifiziert, ich hab hier demnächst vielleicht die Chance, mich befördern zu lassen, ich bewerbe mich jetzt intern um eine neue Position, ich weiß aber nicht, wie ich die gläserne Wand durchstoßen soll, meinetwegen die Frau, die karrieretechnisch an die Grenze stößt, weil sie eben eine Frau ist, die kann sich dann mit einem Coach darüber unterhalten, wie ihre Chancen sind, was machen könnte, um vielleicht tatsächlich den nächsten Sprung in die höhere Ebene zu machen. Und dabei kann ein Coach helfen. Er kann sozusagen ein Denkpartner sein, der wirklich den richtigen entscheidenden Kick mitgibt für den Karriereschritt, der angestrebt ist. Da macht es dann sehr viel Sinn.
Götzke: Da muss man dann nur den Richtigen finden, einen seriösen Coach.
Lindner: Ja, seriöse Business-Coaches, die wirklich, sage ich mal wissen, wie die Welt aussieht, in die man hinein will. Es gibt halt Coaches, die sind vielleicht Anfang 30 und sagen, sie können jetzt in Karrierefragen jemanden coachen, da gibt es die älteren, die über 50 sind, die sagen, das ist alles Nonsens, die jungen Leute können das nicht, weil sie ja noch nie dort waren, wo es eigentlich drum geht im Coachingprozess mit dem Klienten. Und das ist natürlich ein Problem. Wer kann das machen, wie findet man den Richtigen?
Und da würde ich sagen, wenn Sie überlegen, wie kommen Sie zu einem guten Zahnarzt, das ist ja nicht das polierte Messingschild, was Sie irgendwo sehen, das ist eine Empfehlung von Freunden, von Bekannten oder aus der Familie, dass jemand sagt, geh mal dahin, der macht es gut, und die Krone fällt nicht nach einem Jahr runter. Das ist beim Coaching ähnlich. Und wie erkennt man den? Wenn man im Erstgespräch bei dem sitzt, und er will nicht direkt Geld dafür haben, das ist schon mal wichtig, dann kommt man vielleicht darauf, ob das einer ist, der sich auch zurücknehmen kann im Coachingprozess, der nicht ständig ich, ich, ich, ich sagt, sondern einer, der eben tatsächlich zuhört, dem Klienten zuhört und dessen Fragen analysiert oder, dessen Wunschziele ermittelt, Ziele definiert, mit ihm konkrete Anliegen analysiert und dann sagt, so, darüber reden wir jetzt in einem vielschichtigen Coachingprozess, der nicht nur meinetwegen zwei Stunden dauert, sondern über ein paar Monate gestreckt werden kann, wenn es nötig ist.
Götzke: Sie haben sich durch den Coachingdschungel gearbeitet für Ihr Buch, was haben Sie da so alles erlebt?
Lindner: Na ja, ich war in Anführungszeichen vom Buddhisten bis hin zum esoterischen oder zum Businesspartner älterer oder jüngerer Prägung, alles Mögliche habe ich dabei gesehen. Es ist durchaus amüsant, und Sie finden halt die Harten, die Toughen, die sagen, ich bin der, ausgekuschelt sozusagen, ich bin der hammerhafte Coach, ich geh hart zur Sache.
Götzke: Chaka, du schaffst es!
Lindner: Ja, und es gibt dann so die soften Typen, wo so der Zimmerspringbrunnen plätschert und alles in orangeroten Farben gehalten ist, wo es ein bisschen weich wirkt und ätherische Öle durch den Raum wabern, das gibt es auch. Es ist alles möglich unter der Sonne, und wenn man mit einem gewissen Humor da reingeht, kann man viel erleben, was einen beeindruckt. Es gibt dann eben auch die Blender, die wirklich sagen, so hoch, wie ich gekommen bin, kann man eigentlich kaum kommen im Coaching, Sie haben hier den Besten vor sich et cetera, und ich hab einen irren Tagessatz. Da werden ja bis zu über 5000 Euro pro Tag bezahlt in einigen Preisklassen, das orientieren die dann an den Führungskräften, die sie coachen, und sagen, wenn der Herr halt Millionen im Jahr verdient, kann ich als Coach natürlich nicht mit 3000 Euro nach Hause gehen am Tag. Das sind Sachen, die erlebt man, und da kann man durchaus ins Staunen kommen oder auch ans Nachdenken, ob sich das alles lohnt.
Götzke: Wie erklären Sie sich diesen Coachingwahn, warum glauben wir, immer weniger allein regeln zu können?
Lindner: Ja, das ist wie beim Autofahren. Früher hatten Sie vielleicht eine Ahnung von der Gegend, wo Sie hinfahren wollten, oder einen Stadtplan oder eine Straßenkarte bei sich, heute haben Sie ein Navigationssystem. Es wird alles immer stärker von außen beeinflusst, und Sie vertrauen einfach viel stärker diesen Sachen, die man irgendwo erfunden hat. Und wenn Sie hören, Coaching kommt aus dem Management, da fing es mal ganz oben an, und jetzt ist es demokratischer geworden, jetzt wird die mittlere Ebene in einer Firma meinetwegen gecoacht oder Bundeswehroffiziere kriegen Coaching, damit sie besseres Führungsverhalten an den Tag legen.
Es wird sozusagen – es mäandert von oben nach unten bis hin zur Kindergärtnerin, wenn Sie so wollen. Das sind Zeichen dafür, dass in dieser Welt, in der wir leben, alles so komplex geworden ist, dass man nicht mehr glaubt, ohne solche Orientierungshelfer klarkommen zu können. Und wenn man sagt, das ist modern, es hat einen sehr, sehr angenehmen Touch, Coaching klingt positiv, dann ist es natürlich unverfänglich.
Wenn Sie es vergleichen mit Psychotherapie: Früher, 80er-Jahre, wäre für mich so das Jahrzehnt der Therapie – da ging man dann hin und hat sich therapieren lassen, wenn man Probleme hatte im Beruf, in der Familie, in der Beziehung, was auch immer, man hat darüber aber nicht öffentlich geredet. Und wenn Sie heute sagen, ich hab ein Problem im Beruf, in der Familie, in der Beziehung, Sie gehen zum Coach und sagen, ich lass mich coachen, das klingt natürlich viel unverfänglicher, viel moderner, das ist zum Teil wie ein Statussymbol. In diesem Sinne ist es ein Milieu, was zwischen gutem Nutzen und Narzissmus einiges bietet. Und das habe ich eben in meinen paar hundert Seiten im Buch dargestellt.
Götzke: Vielen Dank, Erik Lindner! Er hat das Buch "Coachingwahn: Wie wir uns hemmungslos optimieren lassen" geschrieben, erhältlich im Econ-Verlag.