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"Es ist ungewiss, wie lange das alles noch dauert"

Eine Lösung im Fall der in Teheran inhaftierten deutschen Journalisten ist nicht in Sicht. Sie sollen gegen die iranischen Einreisebestimmungen verstoßen haben. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages fordert von der EU eine klare Position gegenüber Teheran.

Ruprecht Polenz im Gespräch mit Anne Raith |
    Anne Raith: Der Christdemokrat ist Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags. Schönen guten Tag, Herr Polenz!

    Ruprecht Polenz: Guten Tag, Frau Raith!

    Anne Raith: Die Bundesregierung hat sich ja sehr für ein Treffen starkgemacht, immer wieder Druck ausgeübt. Ist das schon als Erfolg zu werten, wenn man zumindest dieses Treffen erreicht hat?

    Polenz: Ich denke, aus der Sicht der Betroffenen war es schon eine große Erleichterung, jetzt mal wieder mit den Angehörigen sprechen zu können, aber man darf nicht übersehen: Es sind jetzt über zweieinhalb Monate Haft unter schwierigen, teilweise auch sehr schlechten Haftbedingungen, die sie hinter sich haben, und es ist ungewiss, wie lange das alles noch dauert.

    Anne Raith: Ist das im Moment denn das Einzige, was möglich ist, ein Treffen?

    Polenz: Nun, wir müssen als Bundesrepublik Deutschland, denke ich, Wert darauf legen, dass die beiden anwaltlich betreut werden können, dass die konsularische Betreuung durch die Botschaft möglich wird. Das bedeutet, dass man mindestens einmal pro Woche etwa auch Kontakt zu den deutschen Konsulatsbeamten haben sollte. Und natürlich muss auf ein schnelles Verfahren gedrängt werden. Es wird ihnen ein Verstoß gegen iranische Einreisebestimmungen vorgeworfen, das ist eine Angelegenheit, die weltweit vielleicht mit einem Bußgeld geahndet wird, der Iran macht daraus unbegrenzte Untersuchungshaft und endlos lange Verfahrensdauern.

    Anne Raith: Es gab ja in den vergangenen Tagen viele widersprüchliche Meldungen, was die Einbestellung des Botschafters betrifft etwa, aber auch dieses Treffen hier. Wie schwierig ist denn die Kommunikation mit den iranischen Behörden von hier aus?

    Polenz: Sie ist offensichtlich nicht einfach. Das Auswärtige Amt hat in der Tat sehr, sehr viel gemacht, um in der Sache zu helfen, zunächst mal hatte man ja die Hoffnung vielleicht auch begründet, dass man einen solchen Fall sehr schnell geräuschlos regeln kann, aber nachdem 14 Tage lang im Grunde nichts passiert war, blieb gar nichts anderes übrig, als dann auch offizieller und auch öffentlichkeitswirksamer und die Öffentlichkeit informierender mit der Sache umzugehen. Und ich finde, es ist jetzt auch an der Zeit, dass sich die deutsche Bundesregierung um eine Unterstützung der Europäischen Union in der Angelegenheit bemüht. Ich finde, die Europäische Union sollte die Angelegenheit der beiden Journalisten zu ihrer eigenen machen und dem Iran deutlich machen, dass wir Europäer diese Art des Umgangs nicht akzeptieren wollen.

    Anne Raith: Aber müsste die Bundesregierung für sich nicht schon mehr Druck ausüben?

    Polenz: Ich denke, das hat sie in geeigneter Weise getan. Man darf ja nicht übersehen: So viele Möglichkeiten, jetzt den Iran zu irgendetwas zu zwingen, was er selber nicht machen will, die haben wir nicht. Wir sehen das ja leidvoll an den Diskussionen um das iranische Nuklearprogramm. Da sind auch die möglichen Sanktionen oder wirtschaftlichen Maßnahmen durch die Beschlüsse des UN-Sicherheitsrats und das, was darüber hinaus die Europäische Union noch an Sanktionen beschlossen hat, auch schon zu einem großen Teil ausgereizt. Also es geht eigentlich mehr darum, dem Iran klarzumachen: Ihr wollt ein angesehenes Mitglied der Völkergemeinschaft sein, dann benehmt euch bitte auch so, und wendet die Rechtsregeln an, die im internationalen Verkehr üblich sind, und da ist eben eine Verletzung von Einreisebestimmungen kein schweres Kriminaldelikt, sondern eher eine Ordnungswidrigkeit.

    Anne Raith: Sie haben das Atomprogramm eben selbst angesprochen. Warum glauben Sie nach diesem Beispiel, dass dann ein gemeinsames Vorgehen in diesem Fall den Iran zum Einlenken bewegen würde?

    Polenz: Der Iran möchte nicht isoliert sein weltweit, er hat immer dann auch ein Stück sich bewegt, wenn er sich einer geschlossenen internationalen Gemeinschaft gegenübersah, die ihm deutlich gemacht hat: Du isolierst dich, wir haben alle die Sorge, dass dein Nuklearprogramm ein militärisches sein könnte, du musst uns klar und deutlich machen und objektive Garantien dafür geben, dass das Nuklearprogramm dauerhaft friedlich bleibt. Und der Iran ist eben nicht Nordkorea, Nordkorea wäre das vergleichsweise auch egal, aber der Iran möchte schon angesehen sein. Er ist eine alte Kulturnation, darauf ist auch das jetzige Regime stolz, obwohl es sich nicht entsprechend der iranischen Tradition verhält, sondern die Bevölkerung unterdrückt und die Menschenrechte missachtet. Aber das steht auf einem anderen Blatt.

    Anne Raith: Wenn Ansehen eine solche Rolle spielt, wie ließe sich denn dieser Fall lösen ohne einen Gesichtsverlust für Teheran?

    Polenz: Nun, je länger die Sache dauert, umso schwieriger wird das natürlich, wobei nach den Besuchsmöglichkeiten jetzt, die ja fortgesetzt werden könnten – das wäre ein erster Schritt – man sich schon vorstellen kann: Wenn Iran den Fall lösen will, ist das innerhalb von wenigen Tagen, maximal Wochen möglich. Aber es scheint ja im Hintergrund auch ein Tauziehen innerhalb der iranischen Machtelite darum zu geben, wie man nun weiter mit den beiden Journalisten umgehen soll, und da kann keiner vorhersagen, wie das ausgeht.

    Anne Raith: Offensichtlich ist es dem Iran ja nicht so ernst wie erhofft, denn sonst hätte er diesem Treffen ja auch viel eher zugestimmt. Da gab es ja ein großes Hickhack im Vorfeld. Führt der Iran hier den Westen an der Nase herum?

    Polenz: Ich glaube eher, dass auch innerhalb des Iran es zu dieser Frage unterschiedliche Meinungen gibt. Es war ja ursprünglich auch angedacht gewesen, dass die beiden Inhaftierten in Teheran sogar in der Deutschen Botschaft ihre Angehörigen treffen können sollten. Daraus ist bekanntlich nichts geworden. Das Treffen hat in Tabris stattgefunden, wo die beiden auch inhaftiert sind. Das alles deutet darauf hin, dass hier nicht unbedingt ein koordiniertes, gemeinsames, abgestimmtes Vorgehen der iranischen Seite vorliegt, sondern dass es die Justiz vielleicht auf der einen Seite, die Politiker, die mit Außenpolitik zu tun haben, die vielleicht auch eher das Ansehen Irans in der Welt im Blick haben, auf der anderen Seite versuchen, auf eine Entspannung hin zu drängen. Es ist von außen sehr schwer zu beurteilen. Ich finde nur, nach den Erfahrungen der Vergangenheit wäre es sicherlich notwendig und auch hilfreich, um das noch mal zu sagen, dass die Europäische Union insgesamt dem Iran deutlich macht über Lady Ashton beispielsweise: Wir sehen das als einen Fall an, der uns auch alle betrifft, das Verhältnis Irans zu Europa insgesamt und nicht nur zu Deutschland. Das wäre glaube ich noch etwas, was jetzt noch getan werden könnte.

    Anne Raith: Das heißt, für Sie wäre der weitere Schritt, Druck ausüben, und zwar gemeinsam?

    Polenz: Gemeinsam deutlich machen, dass wir dieses Verfahren erstens sehr, sehr genau beobachten, zweitens es im bisherigen Verlauf so nicht akzeptabel finden, auf ein schnelles Ende drängen und auch noch mal deutlich machen: Ein Verstoß gegen Einreisebestimmungen ist nach internationalen Standards eine Ordnungswidrigkeit, da gibt es maximal ein Bußgeld dafür, aber es ist kein kriminelles Delikt, und entsprechend sollte sich die iranische Justiz auch verhalten.

    Anne Raith: Andererseits könnte man kontern: Wenn man in den Iran reist, weiß man, was einem droht, wenn man sich den Regeln des Landes nicht unterwirft.

    Polenz: So könnte man sagen, aber das entschuldigt gleichwohl nicht das iranische Vorgehen.

    Anne Raith: Sagt Ruprecht Polenz, der Christdemokrat ist der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags. Vielen Dank für das Gespräch!

    Polenz: Bitte schön!