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Es klappert die Mühle

Materialwissenschaft. - Man verspricht sich viel von den neuen "Metall-Matrix"-Verbundwerkstoffen, einer Kombination aus einer Matrix, einem Gerüst, aus Metall mit Partikeln aus Keramik. Diese Werkstoffe sind sehr hitzebeständig und sie halten hohe mechanische Belastungen aus. Aber wer sie herstellen will, stößt auf zwei Probleme: Erstens lassen sich Metalle schwer mit Keramik verbinden, und zweitens muss man möglichst feine Keramik-Partikel verwenden. Wenn die Körnchen kleiner sind als ein Mikrometer, also ein Tausendstel Millimeter, verleihen sie der Werkstoff-Kombination die besten Eigenschaften. Aachener Werkstoffwissenschaftler haben ein Verfahren entwickelt, mit dem jetzt beide Probleme zugleich gelöst werden können.

17.04.2003
    Von Matthias Hennies

    Es klappert eine Mühle im Labor. Werkstoffwissenschaftler an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen benutzen die Mühle, um zwei Materialien zu legieren, also dauerhaft miteinander zu verbinden. Auf diese ungewöhnliche Lösung sind sie gekommen, weil die Werkstoffe Metall und Keramik normalerweise nur schlecht zusammenhalten. Dabei könnten die gegensätzlichen Eigenschaften der beiden Partner eine fruchtbare Verbindung ergeben: Keramik ist sehr hart, aber spröde, zerspringt also leicht, Metall dagegen ist weniger hart, aber zäh und damit bruchfest. Eine Legierung kann einen außerordentlich beständigen Schutz gegen Verschleiß bieten - wenn man die beiden zusammenbringt.

    Jochen Zwick und seine Kollegen schaffen es, dank der Mühle im Labor. Sie verwenden Metall-Körnchen aus einer Nickel-Chrom-Legierung, die Keramik besteht aus Aluminiumoxid-Partikeln. Die Werkstoffe sollen miteinander verbunden und zugleich zu einem möglichst feinen Pulver zermahlen werden, damit man sie gut weiterverarbeiten kann. Zwick erklärt:

    Deshalb dieses mechanische Legieren, was, sehr einfach gesprochen, ähnlich funktioniert wie wenn man Kieselsteine in eine Knetmasse einfach reindrückt. Da wird in einer Mühle, die besteht daraus, dass wir eine Mahltrommel haben, in der werden Mahlkugeln bewegt und diese Mahlkugeln prallen gegeneinander. Und Pulverpartikel, die wir dazugeben, die werden zwischen diesen Mahlkugeln plattgedrückt, das Metall wird einfach plattgedrückt und gleichzeitig werden Aluminiumoxidpartikel in dieses Metall reingepresst.

    Die Mahltrommel dreht sich mit hoher Geschwindigkeit, ein Rotor garantiert eine gute Durchmischung, und den Rest besorgen die typischen Eigenschaften der Werkstoffe: Wenn sie zwischen zwei Mahlkugeln geraten, werden die zähen Metall-Körner plattgedrückt, und die spröden Keramikpartikel zerspringen. Die Bruchstücke sind am Schluss kleiner als ein Mikrometer und werden irgendwann alle in die Metallkörner gedrückt. Nach zwei Stunden erhalten die Forscher ein Pulver, in dem beide Werkstoffe gleichmäßig verteilt sind. Zwick:

    Eine wichtige Sache ist auch, dass das Pulver nach dem Mahlprozess nicht weiter bearbeitet werden muss, wir müssen nicht sieben, wir müssen es nicht weiter behandeln, und das war auch nicht klar, ob das möglich ist.

    Das Pulver kann direkt für den Spritzguss verwendet werden. Bei diesem erprobten Produktionsverfahren erhitzt man Metall- oder Kunststoff-Pulver und spritzt die geschmolzenen Partikel in Gussformen, wo sie zu stabilen Bauteilen erstarren. Die neuen Metall-Keramik-Körnchen könnte man so etwa auf Stahlteile aufspritzen, um eine Schutzschicht gegen den Verschleiß zu erzeugen. Allerdings muss das herkömmliche Spritzgussverfahren an die besondere Materialkombination angepasst werden. Jochen Zwick:

    Bei vielen klassischen Verfahren werden Pulver komplett aufgeschmolzen, um dann auf einem Grundwerkstoff aufgetragen zu werden und sich da abzuscheiden, und da besteht natürlich die Gefahr, dass die homogene Verteilung, die wir erreicht haben durch das Mahlen, dass die verloren geht, und deshalb nimmt man da einen Prozess, bei dem die thermische Energie gering gehalten wird, aber die kinetische Energie sehr hoch gehalten wird, das heißt man beschleunigt die Pulver sehr, aber schmilzt sie nicht so stark auf, sie sind also mehr teigig.

    Der Prozess heißt "Hochgeschwindigkeits-Flammspritzen", und er trägt diesen Namen zurecht. Ein erwärmtes Gas transportiert das Werkstoffpulver auf das Bauteil, das man beschichten will. Dieses Gas tritt mit mehrfacher Schallgeschwindigkeit aus der Spritzdüse aus, dann wird das Pulver hineingeblasen und auf das Bauteil geschleudert. Mit dieser Beschichtung, so erste Anwendungs-Vorschläge der Aachener Forscher, könnte man zum Beispiel Metallteile in Triebwerken und Motoren schützen: Denn wegen der feinen Keramikpartikel hält die Legierung auch hohe Temperaturen aus.