Dienstag, 16. April 2024

Archiv


Es lag in der Luft

"Es liegt in der Luft", "Bei uns um die Gedächtniskirche rum": die Titel der Berliner Revuen der Zwanziger Jahre haben ihre Zeit überdauert, genau wie viele Texte und Melodien, die Evergreens blieben. "Wenn die beste Freundin mit der besten Freundin" trällerte die damals noch ziemlich unbekannte Marlene Dietrich mit Margo Lion im Duett. Trude Hesterberg rührte Tucholskys Trommel vom "Leibregiment". Vom "Nachtgespenst" sang Kurt Gerron, den die Nazis zuletzt noch in Ausschwitz umbrachten, nachdem der für sie einen Propagandafilm über Theresienstadt hatte drehen müssen. Nicht wenige Größen jener goldenen Jahre des Kabaretts in der Weimarer Republik wurden ein Opfer des Holocaust, andere überlebten im Exil. Zu ihnen gehören drei Komponisten, deren musikalischer Einfallsreichtum den Texten der Klabund, Ringelnatz, Walter Mehring und Marcellus Schiffer zum Erfolg verhalfen: Rudolf Nelson, Mischa Spoliansky und Werner Richard Heymann. Ihre Melodien und die Stimmen ihrer Interpreten von Hans Albers bis Claire Waldoff begleiten uns durch eine Lange Nacht.

Moderation: Heinz Kersten | 13.12.2003
    Neben Inflation, dumpfer Reaktion und Arbeitslosigkeit, die dieses Jahrzehnt prägten, gab es aber in Berlin, damals eine echte Metropole, etwas, das jenes sonst fragwürdige Attribut verdiente: eine Kleinkunstszene mit einer Fülle großer Interpreten, wie es sie so nicht wieder gegeben hat. Diese Sänger und Diseusen, Schauspieler und Protagonisten werden alle in Originalaufnahmen zu hören sein. Das meiste ist CDs aus dem Archiv der Berliner Akademie der Künstler zu verdanken und der Plattenfirma Duophon - dies auch als Hinweis für Hörer, die sich jene akustischen Schätze noch öfter mal vorspielen möchten.

    Heinz Kersten

    Plattenfirma Duophon

    Berliner Akademie der Künste

    Berliner AdK - Archivbestand, Abteilung Musik

    Kunstwerke, so vielfältig ihr Erscheinungsbild und ihre Materialien - zumal im 20. Jahrhundert - auch sind, kommen in der Regel auf Papier in die Welt: als Entwürfe und Vorfassungen des gedruckten Romans, als Manuskript eines Bühnenstücks, als Skizze eines Gemäldes, einer Plastik oder eines Bühnenbilds, als Notenautograph eines Orchesterwerks, als Exposé oder Skript eines Films oder Plan eines Gebäudes. Die Stiftung Archiv der Akademie der Künste sammelt - und zwar aus allen Kunstgattungen - Unikate, die den kreativen Prozess, Entstehung und Ausformung des Werks unmittelbar anschaulich machen, dazu Korrespondenzen, Tagebücher, amtliche Dokumente der Künstler, Fotos, Modelle, Film- und Tondokumente, Rezensionen u.a. und die Fülle der primären und sekundären Druckschriften.
    Weiterlesen: Stiftung Archiv der Akademie der Künste

    Weitere Links:

    100 Jahre Kabarett

    Programme + Infos + Links zu mehr als 200 bekannten KabarettistInnen von Academixer bis Anka Zink - ein wunderbarer Link für alle, die sich für zeitgenössische KabarettistInnen interessieren:
    nürnberger burgtheater e.V.

    Klabund, mit bürgerlichem Namen Alfred Henschke, am 4.November 1890 in Crossen an der Oder geboren, einer der produktivsten Autoren seiner Zeit, erkrankte bereits mit sechzehn Jahren an Tuberkulose. Seine Krankheit hatte einen starken Einfluss in allen Bereichen seiner literarischen Produktion - Lyrik, Romanen und Kurzprosa, Dramen, Nachdichtungen und literaturgeschichtlichen Bearbeitungen - die er auch unter verschiedenen Pseudonymen veröffentlichte. Sein Entschluss keinesfalls einen bürgerlichen Beruf zu ergreifen, wie es der Wunsch seines Vaters, eines Apothekers, war, sondern ein freies, ungebundenes Leben im Stil seines Vorbildes François Villon zu führen, "herumzustrolchen und Dichter zu werden", reifte in ihm bereits während seiner Abiturphase.

    Weiterlesen auf der Homepage des Editionsprojekts "Klabund"

    Klabund-Homepage
    mit digitalen Postkarten


    Joachim Ringelnatz (1883-1934) zählt auch heute zu den meistgelesenen Lyrikern auf dem Buchmarkt, ist freilich auch in Fachkreisen nur noch als komisch-kauziger Dichter bekannt. Den BUMERANG etwa kennt fast jedermann, und auch das FUSSBALL-Gedicht ist weithin bekannt - ebenso wie das ABENDGEBET EINER ERKAELTETEN NEGERIN.

    Der umfangreiche ernsthafte Teil seines literarischen Werks ist hingegen schon in den 30er Jahren aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwunden, nachdem diese Texte von den Nationalsozialisten bei den Bücherverbrennungen ins Feuer geworfen worden sind.
    Ringelnatz-Seiten der Uni Göttingen
    Ringelnatz-Seiten des Deutschen Historischen Museums

    "Liebling, mein Herz lässt Dich grüßen..."
    Werner Richard Heymann (1896 - 1961)

    Weitere interessante biografische Informationen von Texter oder Komponisten der 20er Jahre finden Sie auf der Homepage von Stefanie Seeländer, Diseuse

    Die Programmgestaltung des BTT steht in der Tradition des Kabaretts der "Goldenen Zwanziger" mit all seinen Höhen und Tiefen. Es ist die Zeit von Otto Reutter, Friedrich Hollaender, Erich Kästner, Kurt Tucholsky, Walter Mehring, Mischa Spoliansky, Marcellus Schiffer und anderen Künstlern und Kabarettisten, die die politische und gesellschaftliche Lage mal kritisch, mal humorvoll verarbeiteten.
    Mehr: Berliner Tingel-Tangel

    Tim Fischers Homepage

    Literatur:

    zu Ringelnatz
    Joachim Ringelnatz
    Sämtliche Erzählungen.
    Sämtliche Gedichte, 2 Bde..
    2003. -DIOGENES-

    zu Erich Kästner
    Klaus Doderer
    Erich Kästner
    Lebenphasen, politisches Engagement, literarisches Wirken.
    2002. -JUVENTA-

    zu Claire Waldoff:
    Claire Waldoff
    Kabarettgeschichte(n), Claire Waldoff
    1 Audio-CD.
    54 Min.. Ein Porträt v. Karin Köbernick; Sprecher: Sylvia Heid.
    2000. -HR AUDIO-
    'Berlin trotz und alledem'
    1 Audio-CD:
    (Deutsche Grammophon, Literatur).
    Lieder und Texte v. Otto Reuter, Kurt Tucholsky, Friedrich Hollaender u. a.;
    Gesungen u. rezitiert v. Katja Ebstein.
    1999. -UNIVERSAL MUSIC; DEUTSCHE GRAMMOPHON-

    Bei uns um die Gedächtniskirche rum
    2 Audio-CDs
    Berlin Cabaret. Friedrich Hollaender und das Kabarett der zwanziger Jahre.
    Orig.-Aufnahmen v. Titeln v. Hollaender u. a. Komponisten.
    The listening room. 1996. -AKADEMIE DER KÜNSTE, BERLIN; EDEL RECORDS-
    Hundert Jahre Kabarett
    Zur Inszenierung gesellschaftlicher Identität zwischen Protest und Propaganda.
    Hrsg. v. Joanne McNally u. Peter Sprengel.
    2003. -KÖNIGSHAUSEN & NEUMANN-
    Thilo Koch
    Die goldenen zwanziger Jahre
    3 Cassetten.
    Porträt eines Jahrzehnts. Autorenlesung. ca. 250 Min.
    -STEINBACH SPRECHENDE BÜCHER-
    Marcellus Schiffer
    Heute nacht oder nie.
    Tagebücher, Erzählungen, Songtexte, Zeichnungen.
    In Zus.-Arb. mit d. Akademie der Künste, Berlin. Hrsg. v. Viktor Rotthaler.
    2002 -WEIDLE VERLAG-
    Walter Mehring
    Reportagen der Unterweltstädte
    Berichte aus Berlin und Paris 1918 bis 1933.
    Hrsg. u. mit e. Anh. v. Georg Schirmers u. a.
    2001. -IGEL-
    Rudolf Nelson
    Und Rudi macht Musik dazu
    2 Audio-CDs.
    Ein musikalisches Porträt. Orig.-Aufnahmen. The listening room.
    1999. -AKADEMIE DER KÜNSTE, BERLIN; EDEL RECORDS-
    'Ein Freund, ein guter Freund'
    Der Komponist Werner Richard Heymann 1896-1961
    Katalog zur Ausstellung in Berlin und München,
    2000. -AKADEMIE DER KÜNSTE, BERLIN-

    Thomas Urban
    Russische Schriftsteller im Berlin der zwanziger Jahre.
    2003. -ARS NICOLAI-

    Berlin im Querschnitt
    Herausgegeben von Rolf-Peter Baacke
    Quadriga Verlag
    "Querschnitt" - das beliebteste Magazin der Metropole Berlin in der Weimarer Republik: Frech, unterhaltsam und am Puls der Zeit. Ein authentisches Dokument der jungen Weltstadt in den 20er und 30er Jahren und ein aufregender Querschnitt durch die Architektur, Musik, Tanz, Theater, Malerei, Mode, Gastronomie und Lifestyle jener Zeit.
    Thilo Koch: Die goldenen zwanziger Jahre
    Thilo Koch: Die goldenen zwanziger Jahre (STEINBACH)