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"Es muss ein Austritt aus der Eurozone möglich sein"

Alexander Dobrindt sieht im Eurorettungschirm ein Hilfsmittel, um Schuldensündern wie Griechenland einen freiwilligen Austritt aus der Währungsunion zu ermöglichen. Eine Restrukturierung der Wirtschaft sei außerhalb der Eurozone leichter als innerhalb. Deutschland dürfe bei allen Hilfsmaßnahmen nicht aus den Augen verlieren, wie viel die eigene Volkswirtschaft verkraften kann.

Alexander Dobrindt im Gespräch mit Silvia Engels |
    Silvia Engels: Herr Dobrindt, in dieser Woche stand einmal mehr die Euroschuldenkrise im Mittelpunkt. Sie sind CSU-Generalsekretär und zugleich Bundestagsabgeordneter, und in der Eigenschaft als Bundestagsabgeordneter haben Sie zugestimmt, dass der Eurorettungsschirm namens EFSF erweitert wird. Der Anteil, für den Deutschland im Notfall nun geradestehen muss, liegt bei 211 Milliarden Euro. Klingeln in Ihrem Büro im Wahlkreis Weilheim schon die Telefone, weil wütende Bürger das nicht verstehen?

    Alexander Dobrindt: Die Menschen haben ein ganz sicheres Gespür dafür, was notwendig ist und was weniger notwendig ist, und natürlich auch ein Gespür dafür, was gut ist und Sachen, die uns weniger gut gefallen. Und genau so ist jetzt die Differenzierung auch. Es sind ganz viele Leute, die sagen: "Ja, wir glauben, dass dies notwendig ist, wir wünschen uns aber ein Stück Erklärung, warum dies notwendig ist." Und es gibt natürlich viele Verunsicherte, die fragen: "Seid ihr Euch denn wirklich sicher, dass dies der richtige Weg ist?" Und ich muss an der Stelle immer erklären, dass wir es mit einer Krise zu tun haben, die wir uns nicht ausgesucht haben, die auf uns zugekommen ist, die andere zu verantworten haben, aber wir müssen sie mit lösen. Und ich glaube, dass der Rettungsschirm EFSF, wie wir ihm jetzt zugestimmt haben – der Erweiterung zugestimmt haben –, ein Hilfsmittel ist, um dafür zu sorgen, dass Länder wie Griechenland, die sich in einer unglaublich schweren finanziellen Krise befinden, eine Möglichkeit bekommen, sich und auch die anderen nicht weiter zu gefährden - die "anderen" heißt uns selber. Und deswegen ist es ein Mittel, um echte Sanktionen auch für die Zukunft sicherzustellen, die ich für dringend notwendig halte, damit nicht Ähnliches wie in Griechenland in anderen Ländern auch passiert.

    Engels: Aber Herr Dobrindt, Sie haben als Generalsekretär zusammen mit Ihrem Parteivorstand gefordert: Eurostaaten, die sich nicht an die Regeln der Haushaltsdisziplin halten, müssen damit rechnen, die Währungsunion verlassen zu müssen. Und nun haben Sie ohne eine solche Ausschlussklausel diesen Rettungsfonds EFSF erweitert. Wie passt das zusammen?

    Dobrindt: Das passt sehr gut zusammen, weil – ohne den Rettungsschirm EFSF wird auch ein Ausbringen aus der Eurozone von einzelnen Schuldenländern nicht möglich sein. Und wir haben sehr deutlich formuliert, und dabei bleibt es auch, dass sich Länder, die sich nicht an Stabilitätskriterien halten, die nicht Haushaltsdisziplin walten lassen oder können oder wollen und damit sich und auch uns oder andere eben in Gefahr bringen, dass die damit rechnen müssen, aus der Eurozone auszuscheiden. Und wenn man diese Drohung wahr machen will, dann muss man auch die notwendigen Mittel zur Verfügung stellen, dass dies geht. Um es einmal so zu formulieren: Wäre Griechenland ein Unternehmen, dem heute keiner mehr Geld leiht, das seine Kredite nicht zurückzahlen kann, das jeden Monat mehr Geld ausgibt, als es einnimmt, dann würde man schlichtweg sagen: Dieses Unternehmen ist pleite. Und wenn man das annimmt für Griechenland, dann muss man einen Weg finden, um Griechenland zu restrukturieren, um es zu sanieren. Das geht nur, wenn man die Wirtschaft in Griechenland auch wieder ein Stück weit konkurrenzfähig macht. Ich bin der tiefen Überzeugung: Länder, die sich erstens so verhalten wie Griechenland, keine Haushaltsdisziplin walten lassen, zweitens eine dringende Restrukturierung ihrer Wirtschaft brauchen, um wieder auf den Pfad der Tugend zu kommen – die müssen die Möglichkeit haben, aus dem Euroraum auszuscheiden. Und dies geht dann, wenn wir ein Werkzeug, einen Mechanismus haben, der dieses organisieren kann. Der Rettungsschirm EFSF soll so was leisten können.

    Engels: Warum ist dann nicht auf Drängen der CSU bei dem Beschluss dieses Gesetzes auch eine irgendwie geartete Ausschlussklausel zumindest versucht worden zu verankern?

    Dobrindt: Das sind ja jetzt zwei ganz unterschiedliche Dinge. Das eine ist die Situation, die wir akut jetzt eben haben, dass wir schauen müssen, dass nicht Ansteckungsgefahren für andere Länder entstehen aus einer Situation wie zum Beispiel aus Griechenland. Da nehmen wir den EFSF her und geben ihm gleichzeitig die Chance als Ultima Ratio, wenn die Griechen es nicht anderweitig schaffen. Das will ich noch nicht vorhersagen, aber ich erkenne natürlich, dass nicht alle Bemühungen der Griechen zum Ziel führen oder vielleicht auch gar nicht alle Bemühungen konsequent umgesetzt werden. Dann muss der EFSF es eben leisten können, auch den Ausschluss zu organisieren. Und das haben wir sehr deutlich formuliert, was die Christliche Soziale Union betrifft. Und ich stelle fest, dass zunehmend mehr sowohl Volkswirtschaftler als auch Politiker unserer Position näher treten.

    Engels: Dann nehmen wir uns einmal noch diesen Beschluss zum EFSF genauer vor. Da sind die Richtlinien, wie der Rettungsfonds genau Geschäfte machen darf, noch nicht endgültig verhandelt. Das hat Bundesfinanzminister Schäuble im Bundestag selbst gesagt. Haben Sie als Abgeordnete da die Katze im Sack gekauft?

    Dobrindt: Nein. Wir kennen ja aus den letzten Monaten, in denen wir immer wieder darüber diskutiert haben, wie man eine Eurozone stabilisieren kann, dass das eine sehr dynamischer Entwicklung ist und dass man da auch vor Überraschungen nie sicher ist. Und das muss man natürlich in seinen Entscheidungen mit berücksichtigen. Und deswegen muss man auch solchen Instrumenten die nötige Offenheit geben, sich selber anzupassen. Auch ein Rettungsschirm muss die Möglichkeit haben, sich mit seinen Instrumenten anzupassen. Was dabei wichtig ist, ist, dass die parlamentarische Kontrolle dabei nicht ausgeschaltet wird. Dies haben wir sichergestellt. Das war auch ein zähes Ringen der letzten Wochen, aber das Parlament hat sich durchgesetzt. Es werden alle Entscheidungen, die mit dem Rettungsschirm verbunden sind, alle neuen Hilfsmaßnahmen, alle Tranchen müssen mit dem Parlament abgestimmt werden. Dies gilt auch natürlich für die Richtlinien.

    Engels: Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass bei dem aktuellen Eurorettungsschirm in den noch ausstehenden Richtlinien sogenannte Kredithebel eingezogen werden. Das sind in der Finanzsprache Konstruktionen, mit denen man mehr Kredite ausleihen kann, als das das Eigenkapital eigentlich im engeren Sinne hergibt. Wie stehen Sie dazu?

    Dobrindt: Für mich ist eindeutig, dass die Haftung, die wir eingegangen sind als Bundesrepublik Deutschland, nicht erhöht werden darf. Das ist jetzt die Grenze. Die ist erreicht mit den 211 Milliarden, wie sie jetzt im Rettungsschirm drinstehen. Das ist eine unglaublich hohe Summe. Und über die darf nicht drüber gegangen werden. Das gilt auch für Hebelmechanismen. Das gilt übrigens auch dann, wenn man meint, man könnte damit die Europäische Zentralbank in eine Verwendungsart mit hereinbringen, weil auch da die Bundesrepublik Deutschland einen erheblichen Anteil natürlich hält von über einem Viertel. Und das würde zusätzliche Verantwortlichkeiten entstehen lassen. Das muss man ausschließen. Und deswegen sagen wir klar, wer egal welche Regeln jetzt oder neue Mechanismen versucht, mit dem Rettungsschirm zu entwickeln, muss darauf achten, dass es zu keiner zusätzlichen Haftung für die Bundesrepublik Deutschland und damit für den deutschen Steuerzahler kommt. Ansonsten wird es den erheblichen Widerstand der Christlich-Sozialen Union geben.

    Engels: Machen wir es etwas plastischer. Es könnte sein, dass der EFSF wie eine Geschäftsbank sich Geld leiht, um dann mehr Kredite ausgeben zu können. Und so renommierte Finanzwissenschaftler wie Stefan Homburg sagen, dass solche Hebel in der Tat die Haftung nicht erhöhen. Das heißt, die Summe bleibt gleich, aber das Risiko wächst, dass bei einem Scheitern solcher Geschäfte Garantiegeber wie Deutschland direkt zahlen müssen. Verschweigen Sie also solche Gefahren?

    Dobrindt: Nein. Ich glaube, man darf nur auch nicht zu viel Spekulation jetzt hineinbringen. Wir verschweigen keine Gefahren, sondern wir reden deutlich, was notwendig ist, um Gefahren abzuwehren. Wir haben eine Situation, die gerade dazu neigt, uns oder die Bankensysteme in Europa in Gefahr zu bringen, nämlich Länder, die nicht in der Lage oder willens sind, ihre Haushalte in Ordnung zu haben. Also der Ursprung der Krise ist doch die Tatsache, dass wir in Europa einige Länder haben – und die Griechen sind halt nun mal die bekanntesten an dieser Stelle –, die deutlich mehr Geld ausgeben als sie in der Lage sind einzunehmen und vielleicht in der Lage sind, jemals wieder zu verdienen, und deswegen es nicht mehr zurückzahlen können. Und diese Situation, die muss bewältigt werden. Ansonsten werden alle Schirme nichts helfen. Und deswegen muss man darüber reden, wie kann man an der Stelle eine - das heißt jetzt immer - Feuerwand einziehen, dass keine Ansteckungsgefahr auf andere Länder eintritt. Das tun wir gerade.

    Engels: Sie wollen die Feuergefahr beschränken. Gleichzeitig stecken Sie schon in einem wahren Abstimmungsmarathon. Beispielsweise soll ja Anfang nächsten Jahres der europäische Stabilitätsmechanismus beschlossen werden, kurz ESM. Der soll dann ab 2013 die Arbeit des EFSF ablösen und er soll dauerhaft wirken. Nun hat ja Parteichef Horst Seehofer gesagt, diese Zustimmungen sind letztes Zugeständnis. Eine Ausweitung oder ein Vorziehen komme mit der CSU nicht infrage. Das sagte er der "Süddeutschen Zeitung". Ist das ein Versprechen oder nur eine Hoffnung?

    Dobrindt: Wir haben jetzt einen Rettungsschirm, der ist begrenzt bis 2013. Man wird jetzt noch die Wirkungen auch abwarten müssen, die damit verbunden sind. Daraus kann man auch Erfahrungen ziehen. Das muss alles natürlich in einen späteren Rettungsschirm ESM – europäischer Stabilisierungsmechanismus – mit einbezogen werden. Von daher gibt es überhaupt keinen Grund, diesen jetzt vorzuziehen. Der ist als Nachfolgeinstrument gedacht für den jetzigen Rettungsschirm. Dabei bleibt es.

    Engels: Eine Ausweitung oder ein Vorziehen, beides hat Horst Seehofer ausgeschlossen. Ist das nun ein Versprechen?

    Dobrindt: Wenn wir ein Vorziehen ablehnen, dann ist dies so. Wenn wir ein Ausweiten ablehnen, dann ist dies auch so. Ansonsten wird man in der Tat schauen müssen, wie entwickelt sich die Gesamtsituation, denn wir haben mit dieser Schwierigkeit ja nicht deswegen zu kämpfen, weil sie vom Himmel gefallen ist, sondern wir haben deswegen damit zu kämpfen, weil in der Vergangenheit Fehler gemacht worden sind. Griechenland hätte nie in die Eurozone hinein dürfen. Und es war die rot-grüne Bundesregierung, die darauf bestanden hat, dass Griechenland hineinkommt, obwohl es die Christlich-Soziale Union damals abgelehnt hat. Wir haben einen Stabilitätspakt gehabt in Europa, der sicherstellen sollte, dass sich Länder nicht über die Maßen verschulden. Dieser Stabilitätspakt wurde damals von Schröder und Fischer geschliffen in Brüssel, weil man selber nicht in die Gefahr kommen wollte, Sanktionen zu bekommen. Das rächt sich jetzt alles und wir müssen gemeinsam daran arbeiten, dass wir wieder einen Stabilitätspakt bekommen, der Zähne hat, der zubeißen kann und der dafür sorgt, dass genau diese Probleme zukünftig nicht mehr entstehen. Ich will nicht in eine Situation geraten, in der wir uns immer nur darüber unterhalten, wie können wir die Krise, die entstanden ist, bewältigen, sondern ich will in eine Situation endlich wieder kommen, wo wir uns unterhalten können darüber, wie vermeiden wir die nächste Krise.

    Engels: Aber wir müssen gar nicht so weit in die Geschichte zurück. Die Bundesregierung – und da war die CSU schon beteiligt – hat beim ersten Griechenland-Hilfspaket und bei der Schaffung des ersten Rettungsfonds auch schon versprochen, die Hilfe sei einmalig und befristet. Sie hat das nicht halten können. Wie kann man so etwas guten Gewissens noch einmal versprechen?

    Dobrindt: Wenn Sie sich mal anschauen, wie sich die Zahlensituation und auch die Erkenntnissituation entwickelt hat, was Griechenland betrifft, dann muss man sagen, über lange Zeit hat es wohl sowohl falsches Zahlenmaterial als auch keine geordnete Faktenlage gegeben. Und wenn man auf Basis von falschen Informationen Entscheidungen treffen muss, dann muss man die im Zweifelsfall auch nachsteuern. Und heute ist es ja Allgemeingut zu wissen, dass wohl Griechenland über lange Zeit auch nach Brüssel falsche Haushaltszahlen gemeldet hat und uns bis lange in die Zeit auch noch des ersten Rettungsschirms im Unklaren über seine eigene Situation gelassen hat.

    Engels: Die Zukunft ist unsicher. Das haben Sie gerade auch noch mal beschrieben. Aber ist es da nicht fahrlässig, wenn Herr Seehofer so einen Satz sagt, dass eine Ausweitung oder ein Vorziehen der Schirme nicht infrage kommt?

    Dobrindt: Man muss ja irgendwann mal auch die Position klarlegen, was noch geht oder nicht geht. Es gibt eine Reihe von Volkswirten, die berechtigterweise auch sagen, ihr müsst aufpassen, dass ihr bei allem Unterstützen von anderen Ländern und dem Vermeiden auch zukünftiger Krisen nicht aus den Augen verliert, was die eigene Volkswirtschaft in der Lage ist, an Stützungsmechanismen zu verkraften. Und dem muss man nachkommen. Ich glaube, dass wir zu Recht jetzt darauf hinweisen, dass man nicht unbeschränkt als Bundesrepublik Deutschland Verantwortung für andere Länder übernehmen kann. Oberstes Ziel muss sein, dass jeder für seine Schulden selber zuständig ist. Das darf man nicht auflösen. Und deswegen sagen wir, eine Vergemeinschaftung der Schulden in Europa kommt mit der CSU nicht infrage. Deswegen lehnen wir die Eurobonds ab und deswegen ist es auch die harte Auseinandersetzung mit den linken Parteien in Deutschland, der SPD, den Grünen und der Linkspartei, die ja genau diese Eurobonds, diese Vergemeinschaftung der Schulden als einfache Lösung haben wollen. Das ist natürlich eine Giftmischerei, die stattfindet von SPD, Grünen und Linkspartei, diese Euro-Giftmischerei, zu sagen, wir packen alles zusammen in Brüssel, wir hauen noch die deutsche Steuerkasse mit dazu, erhöhen die Steuern – die Pläne dafür sind ja schon kommuniziert von SPD – und dann können wir das Ganze finanzieren. Das IFO-Institut in München sagt, wenn dieses Modell Eurobonds käme, das wir als CSU ablehnen, dann kostet das den deutschen Steuerzahler bis zu 50 Milliarden mehr an Zinsen im Jahr. Ich glaube, das ist unverantwortbar.

    Engels: Sie haben mehrfach Griechenland angesprochen, Herr Dobrindt. Wer Hilfe von anderen erwartet, muss maximale Eigenanstrengungen vorweisen können. Das ist ein Satz von Ihnen. Können Sie einen Zeitpunkt nennen, wo Sie sagen, Griechenland bekommt nun keine Hilfe mehr?

    Dobrindt: Es ist ja weniger eine Frage der Zeit als eine Frage der eigenen Entscheidungen der Griechen und wie sich ihre wirtschaftliche Situation dadurch wieder verbessert. Die Griechen müssen ihre Steuern erheben. Man kann ja gelegentlich lesen, dass sie zwar Steuergesetze haben, die offensichtlich aber nicht wirksam sind. Und ich glaube, ein Land kann auf Dauer nur überlebensfähig sein, wenn es in der Lage ist, seine Finanzsituation in Ordnung zu kriegen. Wir können heute nicht verlangen, dass in Deutschland wir einen ausgeglichenen Haushalt anstreben – in Bayern haben wir den jetzt zum sechsten und siebten Mal ohne neue Schulden –, und andere Länder interessieren sich überhaupt nicht dafür und sind dann der Meinung, man könnte es den deutschen Steuerzahlern mit aufbürden, dafür geradezustehen. Und deswegen kann man das nur betonen, dass eine Arbeitsteilung in Europa, wie sie sich offensichtlich manche vorstellen, dass die einen die Schulden machen und die anderen die Schulden bezahlen, eine Zustimmung der CSU nicht erfahren kann. Das ist zwischen Entsetzen und Betrübtsein, was man von Kollegen da hört aus dem Deutschen Bundestag, wenn beispielsweise Herr Steinbrück in einem großen Magazin sagt: Natürlich müssen die Deutschen zahlen. Nein, das ist nicht natürlich. Das muss man ihm an dieser Stelle sagen. Das Natürlichste auf der Welt ist, dass jeder seine Verantwortung kennt und für seine Finanzen selbst verantwortlich ist.

    Engels: Das heißt, sollte Griechenland trotz aller Unterstützung insolvent werden, sollte das Land aus der Währungsunion austreten?

    Dobrindt: Ich glaube, dass es eine Lösung ist, wenn man Griechenland in eine wirtschaftliche, stabile Konkurrenzfähigkeit wieder bringen will, dass man dies auch außerhalb der Eurozone macht. Möglicherweise wird sich diese Erkenntnis ja auch selber mal bei den Griechen durchsetzen, dass eine Restrukturierung des Landes, der Volkswirtschaft dieses Landes außerhalb der Eurozone - befristet außerhalb der Eurozone - leichter ist als innerhalb. Und deswegen haben wir es auch formuliert, es muss ein Austritt aus der Eurozone möglich sein. Dabei kann man und soll man Mitglied der Europäischen Union bleiben. Dann kann man auch später zurück in die Eurozone.

    Engels: Das heißt, zwischenzeitlich die Drachme wieder einführen und irgendwann in einem fernen Punkt dann noch einmal Euromitglied werden?

    Dobrindt: Das ist jetzt Technik, die wir da besprechen. Aber es heißt, befristet aus der Eurozone auszuscheiden, um sich zu sanieren, um die Wirtschaft zu restrukturieren, das muss möglich sein.

    Engels: Sie hören das Interview der Woche im Deutschlandfunk, heute mit CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt. Herr Dobrindt, blicken wir voraus auf das kommende Wochenende. Da wird das Thema Euro auch auf dem CSU-Parteitag eine wichtige Rolle spielen. Parteichef Seehofer hat eine eigene Rede dazu angekündigt. Und dann wird er wohl einmal mehr betonen, dass die CSU keine Vereinigten Staaten von Europa wollten, im Gegensatz zu CDU-Politikern wie zum Beispiel Ursula von der Leyen. Sucht die CSU neuen Krach mit der Schwesterpartei?

    Dobrindt: Nein. Wir haben eine unveränderte Position. Die CSU wollte immer ein Europa der Regionen, ein Europa der starken Regionen. Das steht sogar in der bayerischen Verfassung. Und Vereinigte Staaten von Europa, also quasi einen zentralistischen Staat in Europa, den – glaube ich – kann niemand wirklich wollen. Wir sind eine der erfolgreichsten Regionen auf der Welt, wenn man die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg betrachtet. Und das hat sehr viel mit dem Föderalismus zu tun. Das hat sehr viel damit zu tun, dass wir eben genau diese Regionalität auch immer betont haben. Und wenn man die konkurrenzfähigste Region auf der Welt ist, dann hat man keinen Grund, etwas zu ändern. Und ein europäischer Zentralstaat, wie er von manchen formuliert wird, ich glaube nicht, dass der in der Lage ist, überhaupt eines unserer Probleme zu lösen, weil es mangelt uns nicht an Brüsseler Institutionen zurzeit. Die Krise, über die wir reden, hat nichts damit zu tun, dass es zu wenig Bürokraten in Brüssel gibt.

    Engels: Aber er könnte vielleicht schneller entscheiden, ein solcher Zentralstaat. Denn gerade die gegenwärtige Schuldenkrise zeigt ja, dass der Euroraum immer nur langsam reagieren kann, wenn immer alle nationalen Einzelparlamente zustimmen müssen. Ist es nicht Zeit, hier auch Kompetenzen abzugeben?

    Dobrindt: Nein. Die Demokratie ist nie die schnellste aller Staatsformen. Das war sie übrigens auch nie, aber sie ist die beste. Und sie gibt den Menschen am meisten Mitgestaltungsmöglichkeiten – übrigens auch den Parlamenten am meisten Mitgestaltungsmöglichkeiten. Das sind die gewählten Vertreter der Bürger. Und deswegen wehre ich mich dagegen, dass wir einfach mal leichtfertig sagen bei jeder Krise, es muss nach dem Motto gehen: Mehr Europa ist besser als weniger Europa. Das ist ein Satz, der mir viel zu simpel ist. Wir müssen schon beantworten, was sind die richtigen Aufgaben für Brüssel und wo hat Brüssel eigentlich keine Aufgaben, und die können sowohl die Nationalstaaten als auch die Regionen als auch die Kommunen deutlich besser lösen, als das eine Zentrale in Europa oder in Brüssel kann. Und deswegen wehren wir uns dagegen, wenn es um die Frage geht, dass man einen europäischen Finanzminister beispielsweise einführen will mit Durchgriffsrecht in die nationalen Haushalte. Europa ist ein Modell der engen Zusammenarbeit, der Kooperation von Nationalstaaten und kein Zentralstaat. Und an diesem Modell darf sich nichts ändern.

    Engels: Einer der prominentesten Kritiker des gegenwärtigen Eurokurses der Bundesregierung ist ja der CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler. Und er bewirbt sich auf dem Parteitag als einer der vier Stellvertreter von Parteichef Seehofer. Damit fordert er wohl den Oberbayern und Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer heraus. Wie stehen Gauweilers Chancen?

    Dobrindt: Das entscheiden die Delegierten natürlich am Parteitag. Wir haben über tausend Delegierte. Da kann man nicht einfach leichtfertig Voraussagen treffen. Aber ich glaube, richtig ist, dass Kandidaturen für ein politisches Amt in der Demokratie der Normalfall sind und nicht der Störfall. Und deswegen wird es dazu auch sicherlich eine interessante Debatte geben.

    Engels: Die Mehrheit der Bevölkerung, auch in Bayern, ist gegen weitere Eurorettungsschirme. Wäre da nicht eine Euro-kritische Stimme wie die von Gauweiler in der CSU-Parteiführung hilfreich, um diese Stimmung besser aufzufangen?

    Dobrindt: Es geht nicht um Euro-Kritik. Die CSU ist die Partei Europas. Wir waren immer sehr stark darauf bedacht, dass wir eine enge Abstimmung und Zusammenarbeit und freundschaftliche Partnerschaft mit unseren Nachbarländern in Europa haben, pflegen und auch weiterhin pflegen. Daran ändert sich nichts. Aber wir sind auch Europa-Realisten, und wir wissen, dass es eine ganze Reihe von Begehrlichkeiten gibt, denen man nicht folgen kann, weil sie unseren Interessen nicht wirklich nahestehen. Und dazu gehört eben die Tatsache, dass wir gerne als eine starke Region in Europa weiterhin Bestand haben und uns nicht in einem Zentralstaat auflösen.

    Engels: Aber der mächtige Bezirk München hat beispielsweise Gauweiler schon seine Unterstützung versichert, wenn man jetzt rein auf die CSU schaut. Zeigt das nicht, dass das Unbehagen über die Europolitik tief in die Basis der CSU geht, und müssen Sie darauf nicht besser reagieren?

    Dobrindt: Ach wissen Sie, ich habe vor Monaten mal ein 5-Punkte-Memorandum aufgestellt, damit die Partei und die Öffentlichkeit auch darüber diskutiert. Das wurde sehr stark angenommen, und da gab es einige Kommentierungen, die gesagt haben, mit dieser Überlegung, ob gerade alles an der Stelle richtig läuft in Europa, da geht der Dobrindt zu weit. Da stellt er sich jetzt außerhalb des Mainstreams. Es scheint ja da eine Schnelllebigkeit zu geben in den Kommentierungen. Ich bleibe da meiner bisherigen Linie treu. Ich habe den Verfassungsvertrag abgelehnt, ich habe den Lissabon-Vertrag abgelehnt. Ich bin trotzdem ein glühender Europäer, weil ich glaube, dass es das Beste ist, was unseren Vorvätern nach dem Zweiten Weltkrieg eingefallen ist, um dafür zu sorgen, dass wir friedlich miteinander leben können. Aber ich bin auch ein Realist und will deswegen nicht jeder Idee, die jemand in Brüssel möglicherweise hat, wie man auf Kosten des deutschen Steuerzahlers eine Entwicklung in Europa vorantreiben kann, der muss ich nicht zustimmen.

    Engels: Die FDP wird wohl einen Mitgliederentscheid über den Eurokurs bekommen. Warum traut sich die CSU das nicht?

    Dobrindt: Wir haben ja einen Parteitag jetzt direkt anstehen, auf dem das Thema Europa einen großen Raum, wahrscheinlich den ganzen Freitagnachmittag einnehmen wird. Deswegen sind wir da wirklich gut gerüstet. Und die Partei ist da in einem exzellenten Diskussionsprozess. Wir haben als allererste Partei in Deutschland ein umfassendes Papier ja aufgestellt, das beraten wird am Parteitag, wo wir nicht nur über die Eurorise und die Situation des Euros als Währung zurzeit reden, sondern auch umfassend über den europäischen Einigungsprozess diskutieren. Und deswegen ist bei uns eine sehr starke Rückbindung und Einbindung der Parteibasis gegeben.

    Engels: Alexander Dobrindt, Generalsekretär der CSU, vielen Dank für das Gespräch.

    Dobrindt: Ja gerne.


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