Archiv


"Es muss jemand sein, der das Bündnis kraftvoll repräsentiert"

Spätestens im August muss die NATO einen Nachfolger für Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer gefunden haben. In Kopenhagen verdichten sich die Hinweise, Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen könne bald zum NATO-Generalsekretär ernannt werden. Rasmussen selbst will sich zu dem Thema bislang nicht äußern. Doch für heute hat er eine Erklärung im Parlament angekündigt.

Von Marc-Christoph Wagner |
    O-Ton-Collage Anders Fogh Rasmussen

    Eine hypothetische Frage. 23 Mal wurde Anders Fogh Rasmussen auf einer Pressekonferenz vergangene Woche gefragt, ob er Kandidat sei für das Amt des NATO-Generalsekretärs. Stets war seine Antwort die gleiche:

    "Es ist und bleibt eine hypothetische Frage. Und ich kann nur sagen, was ich nun schon sehr oft wiederholt habe: Ich bin derzeit kein Kandidat für einen internationalen Posten und gedenke in meinem Amt zu bleiben, solange es die Wähler wünschen."

    Was Rasmussen jedoch nicht sagte, war, dass er eine Kandidatur definitiv ausschließe, sollte er gefragt werden. Und die Anzeichen, dass der dänische Ministerpräsident hinter den Kulissen sehr kräftig für den Topjob arbeitet, verdichten sich. Einen Tag nach besagter Pressekonferenz reiste er zu einem Blitzbesuch nach London und Berlin, um dort mit seinen Kollegen Gordon Brown und Angela Merkel auch die anstehenden Personalfragen zu besprechen:
    "Also, sicherlich ist es im Zuge der Vorbereitungen auf das NATO-Gipfeltreffen Anfang April und den dort anstehenden Personalentscheidungen ganz normal, dass in der letzten Zeit viele Gespräche geführt wurden und weiterhin auch noch geführt werden. Sie werden jedoch verstehen, dass diese Gespräche vertraulich sind. Aber wir werden sie unterrichten, wenn wir zu einem Ergebnis gekommen sind. Also, keine Spekulationen."

    Doch das Gegenteil ist der Fall. Mit einem spitzfindigen Lächeln und den Worten, Rasmussen sei ein guter Partner und Freund, heizte Merkel die Gerüchteküche weiter an. Gleichzeitig tagten in Krakau die NATO-Verteidigungsminister und auch hier, so bestätigte der dänische Amtschef Sören Gade, wurde über Rasmussen als Kandidat für den NATO-Topposten auf den Korridoren gesprochen. Und – wer genau hinhörte – , konnte auch in den Worten des amerikanischen Verteidigungsministers Robert Gates ein Plädoyer für den dänischen Ministerpräsidenten vernehmen:

    "Ich respektiere ihn sehr, wie ich auch meinen dänischen Kollegen sehr schätze. Was meiner Meinung nach sehr wichtig ist, ist, dass wir jemanden finden, der die exekutive Erfahrung hat, um an der Spitze dieser großen und komplexen Organisation zu stehen."

    Und eben hier ist Rasmussen allen anderen derzeit bekannten Kandidaten einen Schritt voraus. Seit 2001 ist er als Regierungschef im Amt. Nur ein Jahr später war er es, der als EU-Ratspräsident die Osterweiterung der Union unter Dach und Fach brachte. Auch in Dänemark selbst kann Rasmussen gute Resultate vorweisen. Im vergangenen Juni lag etwa die Arbeitslosigkeit bei 1,6 Prozent – die niedrigste innerhalb der Europäischen Union. Rasmussen selbst definiert die Anforderungen an den neuen NATO-Generalsekretär so:

    "Ich meine, es muss jemand sein, der das Bündnis kraftvoll repräsentiert."

    Bei allem Erfolg und vorhandener Qualifikation gibt es aber auch Faktoren, die gegen Rasmussen als neuen NATO-Chef sprechen. Unter seiner Führung war Dänemark Teil der amerikanischen Koalition im Irak – ein Krieg, der sowohl die NATO wie auch Europa spaltete. Rasmussen stand Jahre lang treu an der Seite von George Bush, auch als dieser wegen Guantanamo und der zweifelhaften Methoden im Kampf gegen den Terror kritisiert wurde. Außerdem ist der dänische Regierungschef Skeptiker, was den EU-Beitritt des strategisch wichtigen NATO-Mitglieds Türkei betrifft. Überhaupt ist der Name Rasmussen – aufgrund des Karikaturenstreites und des aktuellen Afghanistan-Einsatzes – in der moslemisch-arabischen Welt ein rotes Tuch:
    "Dies ist kein Wertekampf zwischen Kulturen oder Religionen, sondern zwischen Aufklärung und Fundamentalismus, zwischen Demokratie und Diktatur, zwischen Freiheit und Tyrannei. Und in diesem Kampf kann man nicht neutral sein."

    Fest steht: Würde Rasmussen den NATO-Job übernehmen, bekäme die Allianz einen Politiker, der an grundlegenden Werten festhält, auch bei Gegenwind. In Kopenhagen ist man gespannt, ob und wann sich Rasmussen zu einer Kandidatur bekennt. Sein designierter Nachfolger als dänischer Ministerpräsident jedenfalls, Finanzminister Lars Løkke Rasmussen, hat sich am vergangenen Wochenende schon einmal zehn neue Anzüge bestellt. Wie die Boulevardzeitung Ekstra Bladet erfahren haben will, sollen sie mit dem Vermerk "eilt" in Auftrag gegeben worden sein.