Manfred Götzke: Was ist ein gerechter Lohn in einem bestimmten Beruf? Eine heikle Frage, bei der zwei Personen schnell drei Antworten parat haben. Bei einer Berufsgruppe hat Anfang des Jahres das Bundesverfassungsgericht entschieden: Professoren. Das Gericht hat geurteilt, dass das Grundgehalt der Professoren zu niedrig sei. Damit wir wissen, worüber wir reden: Das Grundgehalt eines W2-Professors, also eines Professors ohne eigenen Lehrstuhl, das liegt bei ungefähr 4500 Euro jetzt. Die Länder tüfteln jetzt also an Neuregelungen, und NRW, das Kabinett dort, hat jetzt einen Gesetzentwurf verabschiedet. Demnach sollen W2-Professoren bis zu 690 Euro mehr bekommen. Über diese Neuregelung möchte ich mit Bernhard Kempen sprechen, er ist Präsident des Deutschen Hochschulverbandes, also quasi der Gewerkschaft der Professoren. Herr Kempen, 690 Euro mehr für W2-Professoren – würden wir über Tarifverhandlungen sprechen, dann würde ich sagen, die Gewerkschaft hat sich in allen Punkten durchgesetzt.
Bernhard Kempen: Ja, das sieht tatsächlich so aus, und ich weiß auch, dass 690 Euro viel Geld sind. Aber auf der anderen Seite müssen Sie sehen, dass die Verfassung für die beamteten Professoren eine amtsangemessene Alimentation vorsieht. Das ist der Begriff, das ist der Maßstab der Beamtenbesoldung, nicht nur für Professoren als Beamte, sondern überhaupt für alle Beamte. Und da war es in der Vergangenheit so, dass die Professoren mit ihrer Personalverantwortung und ihrer Qualifikation und ihrer Aufgabenstellung schlichtweg unterbezahlt waren. Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, evident nicht amtsangemessen war das, was die Professoren in der Vergangenheit bekommen haben, und dadurch jetzt der Versuch des Gesetzgebers nachzubessern.
Götzke: Ist denn das, was NRW jetzt vorschlägt, amtsangemessen aus Ihrer Sicht?
Kempen: Wenn ich ehrlich sein soll, auch wenn 690 Euro viel Geld sind, es ist es nicht. Das Gesetz ist natürlich sehr, wie soll man sagen, komplex, sehr viele Einzelfragen, die darin geregelt werden, und wenn wir da reinschauen, dann müssen wir sagen, das dürfte immer noch nicht das sein, was das Bundesverfassungsgericht als Maßstab vorgesehen hat.
Götzke: Wie viel wäre denn amtsangemessen, wie viel mehr?
Kempen: Es geht dabei nicht nur um die Grundbesoldung, sondern da geht es auch darum, welche Zulagen zur Besoldung dazu erworben werden können. Wir fürchten, dass da noch mal das Bundesverfassungsgericht am Ende entscheiden müssen wird. Und dann, ja, dann werden wir sehen, ob es wirklich richtig war, was hier der Landesgesetzgeber vorhat.
Götzke: Sie sagen es, Leistungsbezüge sollen angerechnet werden auf das Grundgehalt, das ja in Zukunft höher sein soll. Damit werden ja auch die Leistungsanreize, die in der Vergangenheit geschaffen wurden, durch die W-Besoldung, durch die Wissenschaftsbesoldung, dann wieder abgeschafft.
Kempen: Das heißt, diejenigen, die in der Vergangenheit besonders fleißig waren, sich besonders ins Zeug gelegt haben in unserem Beruf, die also Zulagen erhalten haben, die werden jetzt nach oben hin nivelliert. Das heißt, die sind eben nicht mehr herausgehoben, sondern die verlieren das, was sie in der Vergangenheit erworben haben, das verlieren sie jetzt, indem diese Zulagen auf ihre angestiegene Grundbesoldung verrechnet wird. Und das halten wir nicht für machbar. Wir halten es auch für schlicht verfassungswidrig und werden deswegen auch den Rechtsweg beschreiten.
Götzke: Gar nicht berührt von dem Gesetzesvorschlag sind ja die Professoren, ich sag mal am unteren Ende der Nahrungskette, die Juniorprofessoren. Wird wie oft in der Hochschulpolitik auch hier bei den Schwächsten gespart?
Kempen: Ganz richtig, da wird bei den Schwächsten gespart. Wir haben sehr vehement gefordert, dass man doch bitte, wenn man für die W2- und W3-Professoren oder für die höheren Besoldungskategorien da jetzt etwas tut, dass man das dann doch bitte auch für die W1-Professuren tun muss, also für unsere Juniorprofessuren. Auch die verdienen eine Aufbesserung ihres Grundgehalts, das ist ganz wichtig, und sie müssen im Übrigen auch die Möglichkeit erhalten, Zulagen zu erwerben, die haben sie bisher nicht. Also auch da ist der Landesgesetzgeber aufgerufen, etwas zu tun. Das wäre das richtige Signal für den wissenschaftlichen Nachwuchs, also für die jungen Frauen und Männer, die sich anschicken, Professoren zu werden.
Götzke: Nun scheinen ja schon die aus Sicht des Bundesverfassungsgerichtes und auch Ihrer Sicht heute unterbezahlten Professoren den Hochschulen zu teuer zu sein – während die Zahl der Studierenden in den letzten zehn Jahren um 30 Prozent angewachsen ist, gibt es nur 15 Prozent mehr Professoren, stattdessen setzen die Unis verstärkt auf prekär beschäftigte Dozenten. Wird sich dieser Trend verschärfen, wenn die Hochschulen tatsächlich mehr Geld für die Professoren ausgeben müssen?
Kempen: Das will ich nicht hoffen. Es ist klar – das sagen auch alle großen Wissenschaftsorganisationen in diesem Land –, es muss mehr Geld ins System. Wenn es stimmt, dass wir eine Bildungsrepublik sind, dass unsere Zukunft in Wissenschaft liegt, dann muss hier auch mehr investiert werden. Das heißt, das Diktum der Finanzminister, dass alle Reformen bitte schön kostenneutral sein müssen, das kann so nicht aufrechterhalten werden. Wenn wir jetzt und heute zweieinhalb Millionen Studierende haben – vor Kurzem waren es noch zwei Millionen –, dann muss da auch finanziell nachgelegt werden, dann brauchen wir in der Tat mehr Professorinnen und Professoren. Dann müssen wir, alleine um die Betreuungsrelation, die ja im internationalen Vergleich eh schon schlecht ist, von eins zu 60 halten, also ein Professor für 60 Studierende. Um die zu halten, müssten wir heute 7000 zusätzliche Professoren einstellen in Deutschland. Wenn wir besser werden wollen, müssen es natürlich noch mehr sein. Also mit anderen Worten: Wir hinken da hinterher, und ich glaube, es muss viel stärker ins politische Bewusstsein und auch ins gesellschaftliche Bewusstsein einsickern, dass wenn wir eine Zukunft haben wollen, dass wir dann in diesem tertiären Sektor schlichtweg mehr Geld anfassen müssen.
Götzke: Das würden sicherlich alle Studierenden und alle Professorenkollegen Ihnen sofort bestätigen, aber sehen Sie Zeichen dafür, dass sich an der Unterbezahlung der Hochschulen, der Unterfinanzierung der Hochschulen irgendetwas ändert?
Kempen: Leider nein. Die Finanzminister in den Ländern, die verweisen auf die sogenannte Schuldenbremse, die in den Landesverfassungen vorgesehen ist, der Bund verweist auf das Ziel der Haushaltskonsolidierung, und so bleibt alles beim Alten. Das heißt, wir sind prozentual und auch in absoluten Zahlen in einem Zustand der Stagnation. Es kommt nicht wirklich mehr rein, und anderseits – und das ist eben das, was so besorgniserregend ist – andererseits gibt es einen echten Boom, der ja grundsätzlich sehr erfreulich ist, einen echten Boom auf Studienplätze, das heißt, die jungen Leute wollen studieren, und dieser Trend, der wird finanziell leider überhaupt nicht aufgefangen.
Götzke: Ja, das klingt fast ein wenig resigniert. Bernhard Kempen war das, Präsident des Deutschen Hochschulverbandes.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Bernhard Kempen: Ja, das sieht tatsächlich so aus, und ich weiß auch, dass 690 Euro viel Geld sind. Aber auf der anderen Seite müssen Sie sehen, dass die Verfassung für die beamteten Professoren eine amtsangemessene Alimentation vorsieht. Das ist der Begriff, das ist der Maßstab der Beamtenbesoldung, nicht nur für Professoren als Beamte, sondern überhaupt für alle Beamte. Und da war es in der Vergangenheit so, dass die Professoren mit ihrer Personalverantwortung und ihrer Qualifikation und ihrer Aufgabenstellung schlichtweg unterbezahlt waren. Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, evident nicht amtsangemessen war das, was die Professoren in der Vergangenheit bekommen haben, und dadurch jetzt der Versuch des Gesetzgebers nachzubessern.
Götzke: Ist denn das, was NRW jetzt vorschlägt, amtsangemessen aus Ihrer Sicht?
Kempen: Wenn ich ehrlich sein soll, auch wenn 690 Euro viel Geld sind, es ist es nicht. Das Gesetz ist natürlich sehr, wie soll man sagen, komplex, sehr viele Einzelfragen, die darin geregelt werden, und wenn wir da reinschauen, dann müssen wir sagen, das dürfte immer noch nicht das sein, was das Bundesverfassungsgericht als Maßstab vorgesehen hat.
Götzke: Wie viel wäre denn amtsangemessen, wie viel mehr?
Kempen: Es geht dabei nicht nur um die Grundbesoldung, sondern da geht es auch darum, welche Zulagen zur Besoldung dazu erworben werden können. Wir fürchten, dass da noch mal das Bundesverfassungsgericht am Ende entscheiden müssen wird. Und dann, ja, dann werden wir sehen, ob es wirklich richtig war, was hier der Landesgesetzgeber vorhat.
Götzke: Sie sagen es, Leistungsbezüge sollen angerechnet werden auf das Grundgehalt, das ja in Zukunft höher sein soll. Damit werden ja auch die Leistungsanreize, die in der Vergangenheit geschaffen wurden, durch die W-Besoldung, durch die Wissenschaftsbesoldung, dann wieder abgeschafft.
Kempen: Das heißt, diejenigen, die in der Vergangenheit besonders fleißig waren, sich besonders ins Zeug gelegt haben in unserem Beruf, die also Zulagen erhalten haben, die werden jetzt nach oben hin nivelliert. Das heißt, die sind eben nicht mehr herausgehoben, sondern die verlieren das, was sie in der Vergangenheit erworben haben, das verlieren sie jetzt, indem diese Zulagen auf ihre angestiegene Grundbesoldung verrechnet wird. Und das halten wir nicht für machbar. Wir halten es auch für schlicht verfassungswidrig und werden deswegen auch den Rechtsweg beschreiten.
Götzke: Gar nicht berührt von dem Gesetzesvorschlag sind ja die Professoren, ich sag mal am unteren Ende der Nahrungskette, die Juniorprofessoren. Wird wie oft in der Hochschulpolitik auch hier bei den Schwächsten gespart?
Kempen: Ganz richtig, da wird bei den Schwächsten gespart. Wir haben sehr vehement gefordert, dass man doch bitte, wenn man für die W2- und W3-Professoren oder für die höheren Besoldungskategorien da jetzt etwas tut, dass man das dann doch bitte auch für die W1-Professuren tun muss, also für unsere Juniorprofessuren. Auch die verdienen eine Aufbesserung ihres Grundgehalts, das ist ganz wichtig, und sie müssen im Übrigen auch die Möglichkeit erhalten, Zulagen zu erwerben, die haben sie bisher nicht. Also auch da ist der Landesgesetzgeber aufgerufen, etwas zu tun. Das wäre das richtige Signal für den wissenschaftlichen Nachwuchs, also für die jungen Frauen und Männer, die sich anschicken, Professoren zu werden.
Götzke: Nun scheinen ja schon die aus Sicht des Bundesverfassungsgerichtes und auch Ihrer Sicht heute unterbezahlten Professoren den Hochschulen zu teuer zu sein – während die Zahl der Studierenden in den letzten zehn Jahren um 30 Prozent angewachsen ist, gibt es nur 15 Prozent mehr Professoren, stattdessen setzen die Unis verstärkt auf prekär beschäftigte Dozenten. Wird sich dieser Trend verschärfen, wenn die Hochschulen tatsächlich mehr Geld für die Professoren ausgeben müssen?
Kempen: Das will ich nicht hoffen. Es ist klar – das sagen auch alle großen Wissenschaftsorganisationen in diesem Land –, es muss mehr Geld ins System. Wenn es stimmt, dass wir eine Bildungsrepublik sind, dass unsere Zukunft in Wissenschaft liegt, dann muss hier auch mehr investiert werden. Das heißt, das Diktum der Finanzminister, dass alle Reformen bitte schön kostenneutral sein müssen, das kann so nicht aufrechterhalten werden. Wenn wir jetzt und heute zweieinhalb Millionen Studierende haben – vor Kurzem waren es noch zwei Millionen –, dann muss da auch finanziell nachgelegt werden, dann brauchen wir in der Tat mehr Professorinnen und Professoren. Dann müssen wir, alleine um die Betreuungsrelation, die ja im internationalen Vergleich eh schon schlecht ist, von eins zu 60 halten, also ein Professor für 60 Studierende. Um die zu halten, müssten wir heute 7000 zusätzliche Professoren einstellen in Deutschland. Wenn wir besser werden wollen, müssen es natürlich noch mehr sein. Also mit anderen Worten: Wir hinken da hinterher, und ich glaube, es muss viel stärker ins politische Bewusstsein und auch ins gesellschaftliche Bewusstsein einsickern, dass wenn wir eine Zukunft haben wollen, dass wir dann in diesem tertiären Sektor schlichtweg mehr Geld anfassen müssen.
Götzke: Das würden sicherlich alle Studierenden und alle Professorenkollegen Ihnen sofort bestätigen, aber sehen Sie Zeichen dafür, dass sich an der Unterbezahlung der Hochschulen, der Unterfinanzierung der Hochschulen irgendetwas ändert?
Kempen: Leider nein. Die Finanzminister in den Ländern, die verweisen auf die sogenannte Schuldenbremse, die in den Landesverfassungen vorgesehen ist, der Bund verweist auf das Ziel der Haushaltskonsolidierung, und so bleibt alles beim Alten. Das heißt, wir sind prozentual und auch in absoluten Zahlen in einem Zustand der Stagnation. Es kommt nicht wirklich mehr rein, und anderseits – und das ist eben das, was so besorgniserregend ist – andererseits gibt es einen echten Boom, der ja grundsätzlich sehr erfreulich ist, einen echten Boom auf Studienplätze, das heißt, die jungen Leute wollen studieren, und dieser Trend, der wird finanziell leider überhaupt nicht aufgefangen.
Götzke: Ja, das klingt fast ein wenig resigniert. Bernhard Kempen war das, Präsident des Deutschen Hochschulverbandes.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.