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Es muss nicht immer Kork sein

Technik. - Ein edler Tropfen kommt nicht in einer Flasche mit Schraubdeckel daher – basta, so die feste Überzeugung berufener Weinliebhaber. Doch auch sie stehen vor einem immer größer werdenden Problem. Denn die Qualität von Naturkork ließ in den vergangenen Jahren dramatisch nach, und das wiederum droht auch das bis zur Verkostung fest unter Verschluss gehaltene "flüssige Gold" in Mitleidenschaft zu ziehen. Wenn also Kronkorken und Schraubverschluss ausscheiden, womit könnte dann noch der Weingeist in der Flasche gehalten werden? Ein findiger Entwickler kam auf eine verblüffend einfache Lösung, die jetzt für Begeisterung in der Zunft sorgt – nämlich Glas.

    Die erste Sorge der Winzer gehört natürlich der Qualität des Weines. Dabei geht es allerdings nicht immer nur um ausreichenden Sonnenschein oder zu frühen Frost, sondern auch um die weitere Lagerung der edlen Tropfen. Denn die klassische Methode, den Wein per Korkpfropfen vor dem Zahn der Zeit zu schützen, erweist sich immer öfter als Achillesferse. "Die Qualität des Naturkorks hat in den vergangenen Jahren dramatisch nachgelassen. Als Winzer sind wir daran interessiert, ein gutes Produkt zu liefern. Und das ist teilweise mit diesen Naturkorken nicht mehr gegeben", klagen Experten aus der berühmten Weinbaugemeinde Bernkastel-Kues an der Mosel. Denn während der Wein-Absatz weiter boomt, gerät der klassische Stopfen aus Naturkork immer tiefer in die Krise. Der Grund ist das begrenzte Angebot. Zwar wurde vielfach versucht, die rund um das Mittelmeer beheimateten Korkeichen auch anderswo zu kultivieren, doch ohne Erfolg. Weil aber glänzende Gewinne locken, werden heute auch Korkqualitäten auf den Markt geworfen, die früher auf den Müll gewandert wären. So nimmt es nicht Wunder, dass sich Beschwerden über so genannte "Korkschmecker" mehren. Vor allem bei Weißweinen sorgt minderwertiger Naturkork immer häufiger für Fehltöne im Tropfen.

    In der Not experimentierte die Zunft mit ganz unterschiedlichen Ersatzlösungen, vom Plastikkorken über Schraubverschlüsse bis hin zum Kronkorken wie bei der Bierflasche. Doch selbst was geschmacklich überzeugt, scheitert am Auge, das bekanntlich mittrinkt. Die erlösende Rettung scheint aber jetzt in Sicht. Denn die Firma Alcoa CSI aus Worms griff die pfiffige Idee eines Mediziners und Winzersohnes aus Alzey auf: ein Stopfen aus Glas, ganz ähnlich wie bei einer Apotheker-Flasche. "Ich entferne dabei erst eine Aluminium-Überkappe. Dann zwei-, dreimal im Kreis drehen und der Glas-Verschluss kommt zum Vorschein. Und diesen dann einfach mit zwei Fingern lösen und herunternehmen", erklärt der Getränketechnologe Stephan Eichler von der staatlichen Forschungsstätte "Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum" jenen Vorgang, der dem Entkorken den Garaus bescheren könnte. "Vino-Lok", so der Name der Erfindung findet großes Interesse bei deutschen Winzern. Bereits mehr als 30 haben ihre Weine in ersten Probe-Abfüllungen "eingeglast", statt sie wie bisher einzukorken. Dass die Methode ihren Weg in die Praxis auch wirklich finden wird, scheint inzwischen als nahezu sicher - jeden Tag rechnet man bei Alcoa mit Grünem Licht durch den Mutterkonzern in den USA. Selbst dort häufen sich mittlerweile die Anfragen.

    Der Korkenzieher wird überflüssig. Dafür muss sich der Verbraucher an einen zusätzlichen Arbeitsschritt beim Öffnen gewöhnen, denn nicht nur die übliche Außenkapsel und der Stopfen sind bei "Vino-Lok" zu entfernen, sondern auch eine Überkappe dazwischen, wie Eichler sie nennt. Sie dient als Verschlusssicherung, damit der Glasstopfen sich beim Transport nicht löst. Andererseits wird der Weinliebhaber aber auch von dem Problem befreit, entweder den Korken wieder in den Hals einer noch halb vollen Flasche zu zwängen oder unansehnliche Plastikaufsätze darüberzustülpen. "Die angebrochene Flasche kann man mit dem Glasverschluss wieder versiegeln und damit auch waagerecht im Kühlschrank lagern. Die Aluminium-Überkappe ist dafür nicht erforderlich", so Eichler. Für den Weinfachmann bleibt das neue System aber noch eine ganze Weile Forschungsobjekt: "Wir haben einige Flaschen mit diesem Verschluss und anderen versehen und lagern diese Weine nun bei uns im Versuchskeller. Von Zeit zu Zeit werten wir diesen Versuch aus." Die Forscher interessiert dabei, ob Glasstopfen nicht zu viel Sauerstoff durchlässt oder ob sich Farbe und Geschmack des Weines negativ verändern. Zwar sei es für ein abschließendes Urteil noch zu früh, aber bislang zeige der Glas-Verschluss keine Nachteile.

    [Quelle: Volker Mrasek]