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"Es muss schnalzen"

Der Säcklermeister Franz Stangassinger aus Berchtesgaden ist einer der fünf letzten bayerischen Lederhosenmacher, die in aufwändiger Handarbeit die Krachledernen herstellen, die nicht nur im Süden der Republik ihre Käufer finden. Stangassingers Kunden kommen auch schon mal aus Singapur oder den USA.

Von Barbara Roth |
    Wenn es beim Schuhplatteln so richtig knallt und kracht, hat Franz Stangassinger alles richtig gemacht.

    "Es muss schnalzen beim Schuhplatteln. Generell muss eine Lederhose alles aushalten. Eine Lederhose ist ein Gebrauchsgegenstand, die legt man normal jeden Tag an. Ich gehe mit meiner zum Radlfahren, zum Bergsteigen. Und am Sonntag habe ich eine Schönere an zum in die Kirche gehen. "

    Die Lederhose gehört zu Bayern wie die Berge, das Bier oder der Schuhplattler. Gut 400 Jahre reicht ihre Tradition im Alpenraum zurück. Und dieser Tradition fühlt sich Franz Stangassinger verpflichtet. Zur kurzen Lederhose trägt der 38-Jährige ein kariertes Hemd und selbstgestrickte Strümpfe. Noch heute ist die kleine Werkstatt des Lederhosenmachers dort, wo sie im Jahr 1888 gegründet wurde: im ersten Stock eines Hauses am Marktplatz in Berchtesgaden.

    "Ich habe mal nachgeforscht, also ganz, ganz früher hat ein Säckler auch schon Lederhosen gemacht, aber auch Bruchbänder und Feuerwehrmützen. Aber das mit der Stickerei, das bayerische also, das werden wohl die Wittelsbacher und die Habsburger aufgebracht haben. Auf ein Mal war es Mode, Lederhosen zu tragen. Unser Betrieb ist 120 Jahre alt und ich habe alte Aufzeichnungen gefunden: Kaiserin Sissi war schon mal da. Auch das bayerische Königshaus hat immer Hosen gekriegt. Und ich denke, die haben die Lederhose salonfähig gemacht."

    In der Werkstatt riecht es angenehm nach Leder. Stangassinger, ein schmächtiger Mann, der sein Gegenüber grundsätzlich duzt, sitzt auf einem einfachen Holzstuhl; auf seinem Schoß eine fast fertige Lederhose. Mit einer großen Schere stutzt er das teure Hirschleder zurecht.

    "Schnitt mit der Schere. Da wird das jetzt weggeschnitten, die Naht, dass sie auch glatt daliegt. Es ist schwierig, wenn nicht genau genäht wird, dass man es sauber hinkriegt. Aber mit den Jahren hat man Routine."

    Seine Gerber lassen das Leder extra aus Neuseeland einfliegen, weil dort die Hirsche größer sind und es keine Dasselfliegen gibt, die in der Haut heimischer Hirsche hässliche Bissspuren hinterlassen.

    "Ich lege großen Wert darauf, dass alles natürlich ist. Das ist Rothirschhaut, die wird sämisch gegerbt, mit einem Fischfett. Und die Farbe ist aus einem Blauholz. Das ist auch eine natürliche Farbe, die ist aus einer Baumrinde. Das ist eine typische bayerische Lederhose, handbestickt mit Maulbeerseide, mit Eichenlaubstickerei, dann gibt es Weinlaubstickerei."

    Mit Seide aus Ägypten sticken seine Handarbeiterinnen die überlieferten Muster ins Leder. Die Farbe der Verzierungen verrät die Herkunft des Lederhosenträgers. Rund um Berchtesgaden sind die Stickereien hellgrün. Wer moosgrün trägt, stammt aus Reit im Winkl. Und Münchner Lederhosen sind gelb bestickt.

    Das Säcklerhandwerk erfordert Geduld und Wissen: Ein Säcklermeister muss Maß nehmen, zuschneiden, nähen und sticken können. Stangassinger ging bei seinem Vater in die Lehre. 1991 hat er seinen Meister gemacht. Säckler sind im Land der Lederhosen eine aussterbende Zunft: Bayernweit beherrschen nur noch fünf Säcklermeister die Kunst des Lederhosenmachers.

    "Mein Vater hat es eigentlich wieder ins Leben gerufen. Er wollte so in den 60er Jahren gern die Meisterprüfung machen, hat alle Kurse belegt und dann war kein Meister mehr da. Und mein Vater hat es dann durchgesetzt, das er wieder ausbilden kann und somit haben wir da wieder einen Grundstock gelegt und es war wieder ein Lehrberuf. Wir sind auch ziemlich krisensicher, weil die Arbeit geht bei uns nie aus, das haben wir noch nie gehabt."

    Jede Lederhose aus der Berchtesgadener Werkstatt ist ein Unikat. Bis zu 30 Arbeitsstunden stecken in einem Beinkleid. Etwa sieben Hosen verlassen jede Woche das Atelier. Die aufwändige Handarbeit hat ihren Preis: Die kurze Hirschlederhose kostet 530 Euro aufwärts.

    "Wenn ich die Stunden rechne, wie lange ich an einer Hose arbeite, dann lohnt es sich nicht. Aber ich bin ein zufriedener Mensch."

    Er beliefert Musik- und Trachtenvereine in Oberbayern und im benachbarten Salzburger Land. Die handgefertigten Stücke locken aber auch exklusive Käufer aus der ganzen Welt an. Stangassinger ist diskret, Namen nennt er nicht.

    "Jetzt habe ich einen aus Singapur, der kommt extra mit seinem Flugzeug. Man hat Ölscheichs und Russen. Viel Kundschaft sitzt in Amerika. Weil es in Amerika viele Trachtenvereine gibt. Ich glaube New York alleine hat 30. Es gibt so German Clubs, die mögen auch Lederhosen. Meist sind die Amerikaner ein bisschen übertrieben. Die mögen alles ein bisschen üppiger. Da muss die Stickerei größer sein, was ein Bayer jetzt weniger mag."

    Seine Muster kann Stangassinger nicht schützen lassen. Und so passiert es immer häufiger, dass er Lederhosen aus Fernost in Händen hält, die seinen täuschend ähnlich sehen.

    "Ich habe Hosen gesehen, die glaube ich in Pakistan gemacht wurden. Die haben aber das Gespür nicht, wie ein Hosentürchen aussehen muss. Die sind dann meisten verzogen, schnell hin genäht, die Knöpfe hin und weg. Da geht es nur ums Verkaufen, aber nicht um die Schönheit, denn er weiß ja auch gar nicht, was das ist. Woher soll ein Asiat auch wissen, wie eine Tracht bei uns aussieht, das stimmen dann die Hosenträger nicht, da stimmt vieles nicht."

    Massenware aus Fernost sieht der Lederhosenmacher immer öfters. Vor allem auf dem Oktoberfest in München. Doch Stangassinger bleibt gelassen.

    "Damit muss man halt leben. Ich glaube, das war schon immer so."

    Internet:

    lederhosenmacher.com