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"Es war ein Zu-Null-Sieg"

Der Protest gegen den "Anti-Islamisierungskongress" war nach Einschätzung des Kabarettisten Fatih Cevikkollu ein großes Fest. Der Mobilisierungseffekt sei enorm gewesen. Dadurch hätten die Kölner Bürger ihren Willen zur Toleranz sehr deutlich gemacht, bilanzierte Cevikkollu.

Fatih Cevikkollu im Gespräch mit Karin Fischer | 20.09.2008
    Karin Fischer: 400 Mitglieder hat die auch im Kölner Rat vertretene rechtspopulistische Vereinigung "pro Köln", etwa so viel wie der örtliche Tierschutzverein. "pro Köln" versucht Wählerstimmen vor allem mit dem Protest gegen die Großmoschee der DITIB in Köln Ehrenfeld zu angeln. Von 1600 Rechtspopulisten aus ganz Europa, die nach Köln eingeladen waren, haben es gerade mal eine Handvoll bis auf den Heumarkt geschafft. Günther Bernd Ginzel von der Deutsch-Jüdischen Gesellschaft in Köln wertete das heute Mittag im Deutschlandfunk als vollen Erfolg.

    O-Ton Günther Bernd Ginzel: Man mag über Islam und vor allen Dingen Islamismus kritisch nachdenken und eventuell auch diskutieren. Aber das, was hier seitens der Rechtsextremisten versucht worden ist, Stimmung zu machen gegen einen Teil der Bürger in dieser Stadt und dieses Landes, der ist fehlgeschlagen und damit war das ein Erfolg.

    Fischer: Meine Frage geht jetzt an den Kölner Kabarettisten Fatih Cevikkollu. Wie bilanzieren Sie diesen Protesttag?

    Fatih Cevikkollu: Es ist ein großes Fest. Es ist eine große Freude. Die Bilanz ist Sieg auf der ganzen Linie, um mal ein bisschen militaristisch zu werden. Es war ein Zu-Null-Sieg, kann man sagen.

    Fischer: Wie ernst ist Ihnen das Thema Integration persönlich an so einem Tag wie heute?

    Der Protest gegen den "Anti-Islamisierungskongress" war nach Einschätzung des Kabarettisten Fatih Cevikkollu ein großes Fest. Der Mobilisierungseffekt sei enorm gewesen. Dadurch hätten die Kölner Bürger ihren Willen zur Toleranz sehr deutlich gemacht, bilanzierte Cevikkollu.

    Cevikkollu: Ich glaube, es geht nicht nur um Integration. Wir wollen ja nicht die Nazis hier integrieren. Das geht eher um Klarstellen und Differenzieren und ja Ausschließen auch. Da ist, glaube ich, der große Sieg. Da geht es gar nicht so sehr um die Integration. Wenn man jemand integriert werden will oder soll, heißt es, dass er außenstehend ist. Und das haben wir hier ja nicht. Wir treten als Ganzes auf und geben ein ganz klares Zeichen an eine versplitterte, minderbemittelte Minderheit, um denen ein Zeichen zu geben. So, das ist ein eigentlich der Punkt.

    Fischer: Der Mobilisierungseffekt war ja in der Tat enorm. Die Kölner Bürger haben ihren Willen zur Toleranz sehr deutlich gemacht. Andererseits habe ich auch Kritik gehört, wenn nämlich die prostest- und integrationswilligen Kölner Bürger den rechten Grüppchen den Zugang zu deren ja ursprünglich genehmigter Veranstaltung verwehren, stößt da nicht die Toleranz doch auch an ihre Grenzen?

    Cevikkollu: Okay, jetzt kann man diskutieren. Aber ich denke, diese Bewegung, von der wir sprechen, die sich erst mal "pro Köln" nennt, was ich schon im Ansatz eine Unverschämtheit finde, weil wer "pro Köln" ist, ist noch lange nicht für Köln. Das erst mal so als Grundlage festzuhalten. Und die treten dann auf mit Broschüren, wo es um die Fremdenfeindlichkeit geht, um die Islamisierung oder die Überfremdung Europas etc., etc. etc. Und ich bekomme das hier als rechtschaffener Bürger des Landes als Briefe in meinen Briefkasten und da werden Behauptungen aufgestellt, die einfach hanebüchen rassistisch und menschenverachtend sind. Und dass man solchen Gedanken und Gedankengängen, auch die Gänge dieser Menschen einfach blockiert, ist legitim. Das ist in Ordnung, das ist notwendig. Das ist die natürliche Gegenbewegung, weil das andere wäre ja, wenn man es hätte passieren lassen können, dann heißt es ja auch, denn ein Ignorieren ist ja auch eine Art von Zustimmen. Und da wollte man auf gar keinen Fall ein Missverständnis aufkommen lassen. Was mich glücklich macht, dass da gesagt wird, Freunde, dass wir hier uns ganz klar verstehen, das geht nicht.

    Fischer: Wenn jetzt Politiker jeder Couleur den Anti-Islam-Kongress der Rechten verurteilen und feststellen, die Solidarität mit Muslimen sei so groß wie nie, sehen Sie das auch oder ist das nur ein Strohfeuer?

    Cevikkollu: Na, die Diskussion über die Islamisierung des Landes ist ja auch ein Stellvertreterkrieg, finde ich, weil ich bin in Köln-Nippes aufgewachsen. Und es gab damals schon die Moscheen, diese Wellblechmoscheen, wo zwielichtige Gestalten zwielichtige Gedanken gesät haben, die halt zutiefst antidemokratisch waren etc. Die gab es schon vor 20, 25 Jahren. Und meine Mutter war es, die damals schon gesagt hat, Junge, du gehst da nicht hin, das hat mit Religion nichts zu tun. Damals haben die unter dem Vorwand der Religionsfreiheit sich halt mit ihren subversiven Machenschaften, sage ich mal, ausbreiten können. Ich will sagen, das ist schon eine große Gefahr, die nicht neu ist, die ist sehr, sehr alt. Aber es ist auch ein Thema für sich, was aber direkt mit der Integrationspolitik zusammenhängt oder nicht stattgefundenen Integrationspolitik.

    Fischer: Aus den Gründen, die Sie gerade genannt haben, gab es allerdings viele Leute, die dankbar waren für polemische Einlassungen, zum Beispiel eines Ralph Giordano, der ja zu jenen gehörte, der die Integrationsbemühungen der muslimischen Bürger für zu gering hält. Auf welcher Seite sehen Sie die größeren Defizite beim Thema Integration?

    Cevikkollu: Der Unterschied zwischen mir und Herrn Giordano ist, glaube ich, dass ich mit dem Gefühl anders dran beteiligt bin. Ich bin ein in Deutschland aufgewachsener Türke, Moslem, mit türkischen Eltern muslimischen Glaubens. Das heißt, ich bin da emotional erst mal ganz anders verbunden. Die Empathie ist eine andere, das Mitgefühl. Ich sehe, dass es genügend Familien hier gibt, die Sprachdefizite haben, die sich in die Gesellschaft nicht eingliedern können, weil sie irgendwelche Frauen aus der Türkei hier hinholen, die dann irgendwelche Kinder hier gebären, die dann die Sprache überhaupt nicht sprechen etc. pp. Das ist alles ein großes Problem. Ich habe nur Schwierigkeiten, dass dann so brutal zu verurteilen.

    Fischer: Hat dieser Tag heute in Bezug auf Empathie und Mitgefühl für die Mitbürgerinnen und -bürger was gebracht?

    Cevikkollu: Ich kann nicht für alle sprechen, für mich ja. Ich bin durch die Straßen gegangen und ich war glücklich. Ich dachte, toll, ich lebe in einer Stadt, wo die Menschen sich hingestellt haben und haben laut und deutlich Nein gesagt. Das finde ich super, das macht mich glücklich. Ich bin Köln und ich bin glücklich damit.

    Fischer: Vielen Dank an Fatih Cevikkollu, Kabarettist aus Köln, für diese Einschätzung und Erzählung. Sein Buch "Der Moslem-TÜV - Deutschland einig Fatihland" erscheint im Herbst bei Rowohlt.