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"Es war eine Aufbruchstimmung"

Vor 20 Jahren wurde die Viadrina als Europa-Universität in Frankfurt an der Oder gegründet. Statt einem Campus gab es damals nur wenige Gebäude. "Es war provisorisch, aber es hat geklappt", erinnert sich Lutz Wolfgramm, der damals die Matrikelnummer eins erhielt.

Lutz Wolfgramm im Gespräch mit Ulrike Burgwinkel |
    Ulrike Burgwinkel: Die Uni ist jetzt so alt, wie ihre Erstsemester zumeist sind. Am 15. Juli 1991, also heute vor 20 Jahren, wurde die Viadrina als Europa-Universität in Frankfurt/Oder gegründet. Immer noch in Frankfurt/Oder und ausgezeichnet mit der Matrikelnummer eins ist Rechtsanwalt Lutz Wolfgramm. Guten Tag nach Frankfurt, Herr Wolfgramm!

    Lutz Wolfgramm: Schönen guten Tag nach Köln!

    Burgwinkel: Wie war das eigentlich damals als Frischling an einer gerade erst eröffneten Uni?

    Wolfgramm: Ja, es war natürlich aufregend, dass man an eine Uni kommt, die gerade gegründet ist, im Gegensatz zu anderen etablierten Universitäten, die es auch in Brandenburg noch nicht gerade gab, aber in der Nähe vom Land Brandenburg. Zum Beispiel in Greifswald oder in Berlin.

    Burgwinkel: Und warum haben Sie sich für die Viadrina entschieden?

    Wolfgramm: Da gab es vor allem den Grund, dass es hieß, es ist eine europäisch ausgerichtete Universität.

    Burgwinkel: Und Sie haben Jura studiert?

    Wolfgramm: Ich habe Jura studiert, und da war gerade das Besondere, dass an einer juristischen Fakultät das Hauptaugenmerk auf das Europarecht gelegt werden sollte. Ich dachte, im Zuge der damaligen Zeit – Anfang der 90er-Jahre – gab es ja dann auch die Öffnung der europäischen Länder.

    Burgwinkel: Und Sie sprachen vorhin davon, dass das schon ein ganz seltsames Gefühl gewesen sei, da an so einer frischen Uni dann auch noch Erstsemester zu sein. Waren denn die Räumlichkeiten alle schon so, wie das heute ist, oder?

    Wolfgramm: Ja, im Gegensatz zu heute ... heute gibt es einen Campus, und die Vorlesungsräume sind natürlich gut ausgestattet. Zum damaligen Zeitpunkt sah das alles noch anders aus, es war eher provisorisch. Es wurde versucht, Räume in der Stadt Frankfurt selbst irgendwie anzumieten, damit die Vorlesungen stattfinden konnten. Es war also provisorisch, aber es hat geklappt.

    Burgwinkel: Und Ihre Kommilitonen?

    Wolfgramm: Es gab damals nicht allzu viele. Ich glaube, ungefähr 400, und die verteilten sich auf zwei Fakultäten: die juristische und die wirtschaftswissenschaftliche. Und die waren genauso wie ich natürlich neu und sind vor allem auch hergekommen wegen dieser Neugründung und dem europäischen Gedanken.

    Burgwinkel: Also schon so eine Art Aufbruchstimmung?

    Wolfgramm: Ja, es war eine Aufbruchstimmung.

    Burgwinkel: Und jeder kannte jeden. Ist das ein Vorteil, oder auch ein Nachteil?

    Wolfgramm: Ja, jeder kannte jeden; die Studenten kannten sich auf jeden Fall vom Sehen und die Professoren und Mitarbeiter der Universität, die kannte man als Student natürlich auch. Da gibt es Vorteile, und man konnte jeden Professor ansprechen, wenn man wollte, wenn man Fragen hatte. Nachteil war natürlich, wenn man einmal gefehlt hat in irgendeiner Vorlesung, dann ist das sofort aufgefallen!

    Burgwinkel: Man fragt ja schon mal gerne ein höheres Semester: Wie hast du das eigentlich gemacht? Da fiel ja auch alles weg!

    Wolfgramm: Ja, das war natürlich ein großer Nachteil. Ich kann es nur aus der Sicht der Jurastudenten sagen, es ist natürlich ein bisschen misslich, wenn man bei höheren Semestern nicht nachfragen kann, was man denn sich für Bücher anschauen sollte, oder welche Vorlesung nun wichtig ist, das ist natürlich ein großer Nachteil gewesen, das ist richtig.

    Burgwinkel: Haben Sie denn irgendein Erlebnis aus der Zeit noch in Erinnerung?

    Wolfgramm: An was ich mich gerne erinnere, besonders dass ich mein Examen geschafft hatte! Besonders erinnere ich mich natürlich gerne an die Zeit, so wie wohl jeder, der einmal studiert hat, an die Studentenzeit an sich. Man hat dort einige Freiheiten, was heutzutage wohl nicht mehr so ist, nach dem Bolognaprozess, dort gibt es klare Richtlinien, in welcher Zeit man was zu studieren hat auch, das war damals noch ein bisschen anders. Man konnte sich ein bisschen mehr Zeit lassen, und das hat natürlich auch dazu geführt, dass man ein bisschen mehr Lebenserfahrung sammeln konnte. Und das sollte man nicht aus den Augen verlieren.

    Burgwinkel: Danke für das Gespräch! Lutz Wolfgramm über sein Studium an der neugegründeten Europa-Universität Viadrina Frankfurt/Oder, heute vor 20 Jahren.


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