Archiv


"Es wird zu lange diskutiert"

Schleswig-Holstein unterstützt im Gegensatz zu anderen CDU-geführten Ländern wie Hessen und Nordrhein-Westfalen die Pläne des Bundes zur Teilprivatisierung der Deutschen Bahn. "Was Herr Tiefensee hier vorgelegt hat, ist okay", nahm der schleswig-holsteinische Verkehrsminister Dietrich Austermann (CDU) den Bundesminister gegen Kritik von Ressortkollegen in Schutz. Es gebe Länder, die hätten bisher noch keine Strecken privat ausgeschrieben. "Die können also eigentlich auch gar nicht mitreden", sagte Austermann.

Moderation: Stefan Heinlein |
    Stefan Heinlein: Die Weichen in Berlin sind gestellt. Die Bundesregierung hat die lange umstrittene Teilprivatisierung der Deutschen Bahn aufs Gleis gebracht. Ende 2008 soll rund ein Viertel des letzten großen deutschen Staatsunternehmens an die Börse gebracht werden. Doch dieser Fahrplan ist nicht unumstritten. Zahlreiche Bundesländer haben ihm ihren Widerstand angekündigt. Sie fürchten, dass der wenig lukrative Regionalverkehr künftig noch stärker aufs Abstellgleis gerät.

    Der Beschluss der Großen Koalition könnte also durchaus im Bundesrat noch scheitern. Heute treffen sich die Landesverkehrsminister. um in einer eigens anberaumten Sondersitzung den Gesetzentwurf zu beraten. Mit dabei der Verkehrsminister von Schleswig-Holstein, Dietrich Austermann (CDU). Guten Morgen, Herr Austermann!

    Dietrich Austermann: Guten Morgen, Herr Heinlein!

    Heinlein: Wann sind Sie zuletzt in Ihrem Bundesland Bahn gefahren?

    Austermann: Das ist etwa eine Woche her. Allerdings war es die Museumsbahn von Schönberg nach Schönberg Strand. Aber ansonsten fahre ich öfter mal Bahn privat.

    Heinlein: Wie sicher sind Sie, dass man auch in Zukunft nach dem Börsengang schnell und komfortabel mit der Bahn von Sankt Peter-Ording beispielsweise nach Glücksburg kommt?

    Austermann: Ich habe keinen Zweifel, dass das auch in Zukunft möglich sein wird, wenn ich beobachte, wie die DB AG sich in den letzten zehn Jahren entwickelt hat, zum einen. und zum anderen weil wir über Regionalisierungsmittel, also über das Bestellen von Diensten, eine Möglichkeit haben, dem jeweiligen Bahnbetrieb auch die entsprechenden Korsettstangen einzuziehen. Wir geben den Auftrag für den Schienenpersonennahverkehr, das wäre also der von Sankt Peter-Ording nach Glücksburg, und bezahlen dies auch teuer, machen langjährige Verträge. Und deswegen denke ich, dass wir das darüber auch sichern können.

    Heinlein: Zahlreiche Ihrer Amtskollegen, Herr Austermann, sehen dies ja durchaus anders. Sie misstrauen der Bahn und den Versprechungen des Bundesverkehrsministers. Sie fürchten tatsächlich um die Zukunft des Regionalverkehrs. Wie wollen Sie heute diese Bedenken zerstreuen?

    Austermann: Da will einer offensichtlich eine Rolle rückwärts machen. Wenn Sie sich die Eigentumssituation ansehen und die Finanzsituation, heute gehört das Netz der DB Netz AG, das heißt, es ist praktisch Eigentum. Es wird auf den Bund zumindest rechtlich zurückübertragen, bleibt aber im wirtschaftlichen Eigentum der Bahn. Ich sehe dort keine andere Situation, als wir sie heute haben. Zum anderen haben wir heute bereits die Möglichkeit, dass wir über die Bundesnetzagentur dafür sorgen, dass die DB als Eigentümer des Netzes oder wirtschaftlicher Eigentümer des Netzes auch Wettbewerbern ordentlich gegenüber auftritt. Also auch dieses Problem dürfte zu lösen sein. Und ich denke, dass hier manch einer von der alten Debatte "Netz und Betrieb trennen" ausgeht und nicht die Situation sieht, die das Gesetz als Entwurf jetzt vorsieht, ein langer, langer ausgehökerter Kompromiss, der meines Erachtens tragfähig ist.

    Heinlein: Sie sagen einer wolle die Rolle rückwärts. Aber die Hauptkritik kommt ja aus mehreren Bundesländern. Hessen, Niedersachen und Nordrhein-Westfalen, allesamt wie Ihr Bundesland Schleswig-Holstein CDU-regiert. Haben Sie eine Erklärung für diese unterschiedlichen Bewertungen Ihrer Amtskollegen?

    Austermann: Ich glaube, dass in den meisten Ländern noch keine Erfahrung besteht, wie wir sie in Schleswig-Holstein mit Wettbewerb auf der Schiene haben. Wir haben hier fast 50 Prozent der Strecken an Private vergeben, und das funktioniert weitgehend auch, hat zu einer besseren Qualität des Angebotes zu günstigeren Konditionen auch bei der DB geführt. Es gibt Bundesländer, die haben bisher überhaupt keine Strecken privat ausgeschrieben. Die können also eigentlich auch gar nicht mitreden. Und manchmal habe ich den Eindruck, hier soll die Debatte, die um Stromnetze geführt wird, fortgesetzt werden nach dem Motto "das kommt gut bei den Bürgern an". Dafür besteht hier aber überhaupt kein Anlass.

    Heinlein: Könnte also Schleswig-Holstein Vorbild sein für andere Bundesländer in Sachen Bahnprivatisierung?

    Austermann: Was den Wettbewerb betrifft, könnte ich mir vorstellen, dass mancher sich ein Beispiel dran nimmt, insbesondere auch an den demnächst zu treffenden Entscheidungen. Wir arbeiten wirtschaftlich, haben günstige Konditionen bei der DB ausgehandelt und verlassen uns drauf, dass der Bund auch in Zukunft das Geld für die Infrastruktur bezahlt und dass wir darüber auch die Möglichkeit haben sicherzustellen, dass auch künftig bei uns investiert wird. Vorschläge wie zum Beispiel in die Richtung, dass jedes Land nur eine bestimmte Quote enthält, würde den Ländern nicht helfen, die ab und zu große Projekte zu bewältigen haben, riesige Bahnbrücken, die gemacht werden sollen oder anderes. Das ist alles nicht durchdacht aus der Situation des Wettbewerbs, wie er sich in einem modernen Staat ergeben muss. Und im Übrigen muss man natürlich auch wissen, weshalb soll denn der Börsengang gemacht werden? Doch damit viel Geld reinkommt in das Schienennetz, und das dient letztlich allen Beteiligten in allen Bundesländern.

    Heinlein: Aber die Sorge ist ja, dass dieses viele Geld, das dann reinkommen soll, nicht in den Regionalverkehr investiert wird, sondern nur in die Rosinen, in die großen Strecken zwischen den großen Städten.

    Austermann: Diese Strecken fahren aber meistens parallel. Und im Übrigen haben wir ja die Möglichkeit zu widersprechen, wenn Strecken stillgelegt werden sollen. Dafür gibt es ein Instrumentarium. Das geht nicht ohne Zustimmung der Länder und ohne Zustimmung des Bundesverkehrsministers. Die Zuständigkeiten ändern sich ja nicht. Das wird, glaube ich, auch von dem ein oder anderen übersehen.

    Heinlein: Wird es denn tatsächlich so sein, Herr Austermann, dass nach der Privatisierung Bund und Länder tatsächlich immer noch direkten Einfluss auf die Unternehmenspolitik der Bahn haben werden?

    Austermann: Die Länder über die Regionalisierungsmittel und über die Auftragserteilung für die Strecken, die vergeben werden, das sind 100 Prozent des Regionalnetzes. Der Bund über die Möglichkeit, Infrastruktur zu bezahlen. Der Bund gibt jedes Jahr zweieinhalb Milliarden Euro aus. Dafür kann er mitreden, an welcher Stelle was gemacht wird. Und dann treffen sich Bund und Länder immer mal wieder im Bundesrat. Der eine will was von dem anderen. Ich verlasse mich drauf, dass wir auch dann zu guten Kompromissen kommen, und denke, was Herr Tiefensee hier vorgelegt hat, ist okay.

    Heinlein: Muss es Sanktionsmöglichkeiten geben, falls die Bahn diese Vorgaben der Investitionen nicht einhält? Forderungen in dieser Richtung gibt es ja von Ihren Kollegen.

    Austermann: Das ist eine der neuen Forderungen. Wie ist das eigentlich bisher gehandhabt worden? Das gab es alles bisher nicht. Hier wird jetzt draufgesattelt, weil man offensichtlich das Ergebnis insgesamt nicht will, weil man insgesamt etwas anderes will, als Netz und Betrieb unter einem Dach gemeinsam zu belassen. Wir haben auch heute keine Möglichkeit der Sanktion, wenn Strecken nicht in Ordnung sind. Und die Strecken sind in Ordnung. Die Bahn saniert das Netz natürlich. Nur ein intaktes Netz sorgt dafür, dass man auch Geld damit verdienen kann. Also, hier ist so ein bisschen der Vorbehalt gegenüber einem Privaten, der angeblich alles schlechter macht als die öffentliche Hand. Wir haben seit '94 geübt, wie das ist, wenn die Bahn wirtschaftlich selbstständig ist und das ist in eine gute Richtung gelaufen und ich denke, diese Richtung sollte fortgesetzt werden.

    Heinlein: Die Gefahr von britischen Verhältnissen, Herr Austermann, sehen Sie nicht? Dort ging es ja nach der Bahnprivatisierung steil bergab mit Service und Leistungen.

    Austermann: Der Bund bleibt ja mehrheitlich Eigentümer der DB. Und insofern bleibt auch der Einfluss. Es gibt ja keine geschlossene Privatisierung des gesamten Unternehmens und ein vollständiger Verkauf. Der Bund gewährleistet, dass auch in Zukunft in das Netz investiert wird. Großbritannien hat sich ja die gesamte Last des Bahnverkehrs durch die Nase gehen lassen und ist deswegen jetzt in einer schwierigen Situation. Hier zahlt der Bund jedes Jahr Milliarden für den Erhalt des Netzes, dann wird er auch mitreden können und kann es auch über die Gesetze.

    Heinlein: Herr Austermann, aus Bayern gibt es die Forderung, das Schienennetz der Bahn künftig nur für 10 Jahre statt der geplanten 15 Jahre zur Bewirtschaftung zu überlassen. Ist dies ein möglicher Kompromiss, der eine Zustimmung im Bundesrat dann in Zukunft möglich machen wird?

    Austermann: Ich glaube nicht, dass das etwas bringt. Wenn Sie tatsächlich einen respektablen Erlös durch die Veräußerung erzielen wollen, dann brauchen Sie einen langen Zeitraum für die Nutzung und für denjenigen, der das Ganze neu umstrukturieren soll. Dann ist das eigentlich mehr eine Taschenspielerrechnung als ein wirklich wichtiger Vorschlag, zu einem anderen Ziel zu kommen. Nein, ich denke mal, dass das Konstrukt, das jetzt gefunden wurde, ein Kompromiss ist, der vertretbar ist, aber davon sollte man jetzt nicht mehr abweichen. Es wird zu lange diskutiert, und je länger man es diskutiert, umso besser wird es nicht.

    Heinlein: Wie lange wird es denn dauern, Ihre Kollegen in den anderen Bundesländern zu überzeugen?

    Austermann: Ich vermute, dass die Debatte mit den Ministerpräsidenten auf der Ebene der Ministerpräsidenten mit der Bundeskanzlerin ziemlich rasch zu einem Ergebnis führen wird.

    Heinlein: Der Verkehrsminister von Schleswig-Holstein, Dietrich Austermann, heute Morgen hier im Deutschlandfunk. Herr Austermann, ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Austermann: Auf Wiederhören, Herr Heinlein.