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"Es wurde ja schon relativ viel gespart"

Barbara Mundel hält die Sparmöglichkeiten an den Bühnen für ausgereizt. Jetzt müsse man das Theater inhaltlich auf die Zukunft vorbereiten und nannte als Beispiel den "demografischen Wandel in Richtung Migration und Altersentwicklung".

Barbara Mundel im Gespräch mit Karin Fischer | 28.05.2010
    Karin Fischer: Angesichts der anhaltenden Spardiskussion hat der Geschäftsführer des Deutschen Bühnenvereins, Rolf Bolwin, eine Grundsatzdebatte über die Zukunft deutscher Städte gefordert und Klaus Zehelein, Präsident des Bühnenvereins, meint, Theater und Orchester müssten mit einem größeren Selbstbewusstsein auf die Krise der öffentlichen Finanzen reagieren. Ihre Arbeit habe große gesellschaftliche Bedeutung und die Theater hätten in den letzten 15 Jahren schon bis an die Grenzen gespart, insgesamt 7000 Stellen abgebaut und hundertfach Hausvereinbarungen getroffen, in denen Personal, mit denen Personal weit unter dem Tarifabschluss im öffentlichen Dienst bezahlt würde. Auch in Freiburg, wo die Jahreshauptversammlung des Bühnenvereins gestern Abend begonnen hat, hatte die Spardiskussion vor Jahren schon ihren Höhepunkt erreicht. Die Tanzsparte wurde damals mit Heidelberg zusammengelegt und derzeit gibt es eher Unterstützung vonseiten der Politik. Die Intendantin des Theaters Freiburg, Barbara Mundel, habe ich deshalb gefragt, was sie heute und gestern von den Kollegen aus den anderen Häusern zur Spardiskussion und -situation erfahren hat?

    Barbara Mundel: Also die Situation ist in vielen Theatern und bei den Kollegen sehr dramatisch, in Nordrhein-Westfalen, in Dessau. Wobei es die Kollegen auch berichten, aus Nordrhein-Westfalen der Kollege aus Wuppertal hat das vorhin auch noch mal gesagt: Es gibt schon auch Nachdenken darüber, was das eigentlich heißt, ein solcher Kahlschlag für eine Stadt wie Wuppertal, zu sagen, ich schaffe das Schauspiel ab, dass da Bewegung drin ist in diesen Kahlschlagandrohungen.

    Fischer: Die Theatermacher verweisen immer auf diese großen Flurschäden, die man für die ganzen nächsten Generationen anlegt, wenn man Theater schießt. Die Argumentation von der anderen Seite kennen wir auch, es geht immer um den Zwang zum Sparen und immer um die freiwillige Leistung Kultur. Politiker fordern deswegen jetzt auch von den Theatermachern intelligente Konzepte. – Welche intelligenten Konzepte gibt es denn vonseiten der Theaterleute oder auch des Bühnenvereins bisher in der Diskussion?

    Mundel: Also diese intelligenten Konzepte, die Politiker fordern, die sind ja zum Teil auch wirklich gescheitert beziehungsweise man, ich weiß nicht so ganz genau, was sich da immer hinter verbirgt. Das sind die Fusionen, zum Beispiel in Freiburg wurde ja vor vielen Jahren der Tanz mit Heidelberg fusioniert, es wurde ja schon relativ viel gespart. Und worüber wir diskutieren, ist, dass wir zeigen müssen und uns da auch bewegen müssen, wie wir die Theater, und zwar inhaltlich, künstlerisch, für sozusagen auf die Zukunft vorbereiten. Da fielen die ganzen Diskussionen über den demografischen Wandel in Richtung Migration und Altersentwicklung zum Beispiel. Was will uns das sagen, wenn es keinen verbindlichen Bildungskanon mehr gibt zum Beispiel, wenn wir Schulen mit 80 Prozent Kinder mit Migrationshintergrund haben, welche Geschichten wollen wir da erzählen, wie spiegelt sich das in unseren Ensembles wider, kommen wir da auch wieder in der Mitte der Gesellschaft an und sagen nicht, das ist der Rand, sondern das ist die Mitte – in vielen Städten ist das ja schon so, oder? Und da auch sozusagen einen Beitrag leisten zu dem, was ist überhaupt, in was für einer Welt leben wir überhaupt, was ist überhaupt deutsch? Wir haben dann gestern sehr lange über den Begriff der Interkultur versucht uns zu verständigen, was wächst da, was bewegt sich da und was heißt das für die Theater und für diese Gesellschaft? Ich glaube, die intelligenten Konzepte in Richtung Sparen, in Richtung Fusionieren, die sind soweit ich das beurteilen kann wirklich ausgereizt. Natürlich kann man immer sagen, dann macht man etwas zu oder so. Aber ob das dann intelligent ist, das weiß ich nicht. Wir hatten ja auch eine Agentur hier, einen, wie sagt man, einen Gutachter, der uns evaluiert hat. Das hat viel Geld gekostet, aber ich würde jetzt mal behaupten, etwas Intelligentes kam da auch nicht raus. Was nennenswert dazu beitragen würde zu sagen, ja das geht billiger und da wird Geld verschwendet oder so, das konnte der auch nicht finden.

    Fischer: Stichwort Interkultur: Sie sind mit Freiburg ja schon große Schritte in genau diese Richtung gegangen, auch mit dem Theater außer Haus gegangen sozusagen. Zeichnen sich da Erfolge ab, kann man das messen?

    Mundel: Also messen weiß ich nicht, aber wir lernen sozusagen, was für ein mühsamer Weg das ist, diese Bewegung zwischen - wir nennen das Peripherie und Zentrum - sozusagen durchlässiger zu machen, diese Grenzen. Wir haben ein großes Kooperationsprojekt mit der Garage Istanbul begonnen, die waren mit einem Gastspiel hier und das war schon verblüffend, zu sehen, dass das ankommt in der türkischen Community hier in Freiburg, und dass die dann da sind und sich das auch angucken. Und jetzt gilt es natürlich, da dranzubleiben: Es entsteht jetzt das eigene Projekt, Kooperationsprojekt zwischen Theater Freiburg und Garage Istanbul und da wird man sehen, das ist eine mühsame Arbeit. Und wir haben gerade einen Nathan gemacht mit einer türkischen Regisseurin, da prallen dann auch die Konflikte aufeinander und die unterschiedlichen Sprachen und so. Aber das ist sicherlich der Prozess, der uns bereichert und der zwar mühsam, aber wichtig ist. Also Sie haben ja nach Messbarkeit gefragt, also klar, wir haben zum Beispiel eine Bettleroper gemacht und mit Obdachlosen und Schauspielern und einer Musikerin und natürlich war dann, da merkte man, dass jetzt andere Leute ins Theater kommen wollen. Dann gab es eine Initiative zu sagen, wir müssen die Preise senken für diese Menschen, Hartz-IV-Empfänger auf 3,50 Euro, das wurde, das haben wir dann mal einen Monat gemacht und gesagt, ihr kommt jetzt für 3,50 Euro ins Theater und natürlich waren dann mehr Leute, Hartz-IV-Empfänger bei uns im Theater. Und dann hat der Gemeinderat auch gesagt, okay, wir können das, wir können diese Preise so auch einführen sozusagen. Und natürlich merkt man das.

    Fischer: Das war Barbara Mundel, die Intendantin des Theaters Freiburg, über die vielen Themen des Bühnenvereins auf seiner Jahreshauptversammlung heute und morgen in Freiburg.

    Infos:
    Deutscher Bühnenverein