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ESA-Konferenz in Spanien
Neue Geschäfte im All und auf der Erde

Auf der Konferenz "Space for Inspiration" im spanischen Bilbao treffen sich auf Einladung der ESA über 1.000 Experten und diskutieren neue Projekte und Geschäftsmodelle im All. Europas Weltraumindustrie steht momentan zwar gut da, allerdings toben hinter den Kulissen auch Machtkämpfe. 

Von Dirk Lorenzen |
    Der Generaldirektor der Europäischen Weltraumagentur ESA, Johann-Dietrich Wörner.
    Der Generaldirektor der Europäischen Weltraumagentur ESA, Johann-Dietrich Wörner. (imago / CommonLens)
    Wie viel Inspiration braucht Europa im Weltraum?
    Die ESA leidet ein wenig daran, dass ihr Raumfahrtprogramm manchmal nicht so richtig wahrgenommen wird. Ein Beispiel ist die Erdbeobachtung: Da ist Europa weltweit führend. Rund ein Dutzend Satelliten liefern täglich ein umfassendes Bild unseres Planeten. Die Daten sind frei verfügbar und werden nun auch von vielen Firmen für kommerzielle Anwendungen verwendet: Da werden Dienste angeboten für Landwirte, die den Zustand ihrer Felder wissen wollen oder für Versicherungen, die die Folgen von Unwettern mithilfe von Satellitendaten abschätzen. Diese Veranstaltung soll helfen, mehr Menschen klar zu machen, welche Chancen die Raumfahrt bietet.
    Erreicht so eine Konferenz tatsächlich Menschen, die nicht direkt zum klassischen Umfeld der Raumfahrt gehören?
    Das gelingt zum Teil und es erfordert viel Mühe. In den USA sorgen raumfahrtbegeisterte Milliardäre wie Elon Musk oder George Bezos für neuen Schub. Die sorgen dafür, dass sich plötzlich viele Menschen für Raumfahrtprojekte interessieren, die damit bisher nichts zu tun hatten. In Europa gibt es solche Personen nicht.
    Schnelle Internetverbindung durch Satelitten
    Lässt sich auch in Europa mit dem Weltraum Geld verdienen?
    Ja. Eine große Rolle spielen schon jetzt die Erdbeobachtung und die Kommunikation. Satellitennetze sind in Planung, die bald jeden Ort auf der Erde mit einer schnellen Internetverbindung versorgen sollen. Aber das geht viel weiter, denn Satelliten werden immer kleiner und preiswerter: Da möchte die ESA die Leute, die diese Satelliten bauen, mit jenen zusammenbringen, die gute Ideen haben, was man im All tun könnte. Das geht es zum Beispiel um die Überwachung der Nahrungsmittelproduktion auf der Erde, wo drohen Dürren, wie lässt sich die Wasserversorgung verbessern. Es geht um neue Techniken bei der Beseitigung von Weltraummüll oder um Experimente in der Schwerelosigkeit.
    Welche Rolle spielt dabei die Internationale Raumstation?
    Die ISS ist sehr groß, sehr kompliziert. Es dauert sehr lange, bis aus einer Idee ein ISS-Experiment wird. Zudem wird die Raumstation in spätestens zehn Jahren den Betrieb einstellen. Es geht daher jetzt darum, über diesen Zeithorizont hinaus zu blicken und auf neue Wege zur Forschung im All setzen. Europa setzt da auch auf ein mögliches Nachfolgeprojekt, das Moon Village. Das soll eine Art Raumstation am Mond sein, die von Forschern und Unternehmen genutzt werden kann.
    Moon Village ist bisher eine Idee
    Was genau soll dieses Moon Village werden?
    Ganz genau weiß das noch niemand. Bisher ist das einfach eine Idee, etwas gemeinsam nach der Raumstation zu machen. Dann wird es kaum eine ISS-2 in der Erdumlaufbahn geben. ESA-Chef Jan Wörner hat daher mal dieses Moon Village ins Spiel gebracht. Das ist sicher nicht sofort ein echtes Monddorf, sondern eher eine Raumstation in der Umlaufbahn um den Mond. Dann können alle, die sich daran beteiligen, entscheiden, was sie damit machen. Manche werden eine Landung auf dem Mond vorbereiten, andere vielleicht Reisen zum Mars oder zu Asteroiden, wieder andere setzen auf Forschung in der Schwerelosigkeit. Zunächst geht es darum, sich zu überlegen, was man für ein Moon Village braucht und welche Technik noch entwickelt werden muss.
    Das Moon Village würde auch ein internationales Projekt. Wie steht Europa in der Raumfahrt global gesehen da?
    Derzeit sehr gut, aber Europas Raumfahrtszene ist in argen Turbulenzen. Die neue Ariane-6-Rakete ist in Bau, mit der man auch auf die Konkurrenz durch Firmen wie SpaceX in den USA reagiert. Aber hinter den Kulissen toben etliche Machtkämpfe. Frankreich und Italien haben lange versucht, den ESA-Direktor Jan Wörner abzusetzen. Das ist vom Tisch, aber nun geht es um das Verhältnis der ESA zur EU. Zwar arbeiten beide sehr gut zusammen, etwa bei der Erdbeobachtung und der Navigation mit dem europäischen Galileo-System. Aber es gibt immer wieder Spannungen.
    Spannungen innerhalb der ESA
    Woran liegt das?
    Das Verhältnis ist etwas schwierig, weil nicht alle 22 ESA-Mitgliedsstaaten zur Europäischen Union gehören und umgekehrt nicht alle EU-Länder Teil der ESA sind. Es gibt seit Jahren Begehrlichkeiten der EU, sich die ESA – salopp gesagt – einzugemeinden. Für Irritation sorgte in diesem Jahr, dass die EU nun plötzlich eine eigene Agentur für Weltraumprogramme aufbauen will. Da fragt man sich, was das soll. In der vergangenen Woche sind die Raumfahrtminister der ESA-Mitgliedsstaaten in Spanien zusammengekommen, um das weitere Vorgehen zu beraten. ESA-Chef Wörner hat für seinen Kurs einer weiterhin unabhängigen ESA volle Rückendeckung bekommen.
    Dass es jetzt dieses Treffen der Minister gegeben hat, zeigt, wie ernst die Lage ist. Denn das reguläre große Ministertreffen steht erst im November 2019 an, auf dem der künftige Kurs festgelegt werden soll. Europa braucht eine klare Raumfahrtpolitik, um sich international weiter zu behaupten. Die EU macht gute Verwaltung, die ESA gute Raumfahrttechnik. Diese Aufteilung möchten viele gerne beibehalten.