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ESA-Meeting
Minister legen Agenda für All-Projekte fest

Gestern und heute trafen in Luzern die für Raumfahrt zuständigen Minister der Europäischen Weltraumorganisation ESA zusammen. Es ging um künftige künftige Projekte im All. Nach schwierigen Verhandlungen konnte etwa die ExoMars-Mission gerettet werden. Wichtig aus deutscher Sicht, die ISS wird bis 2024 betrieben.

Dirk Lorenzen im Gespräch mit Arndt Reuning | 02.12.2016
    Trace Gas Orbiter mit zwei Flügeln vor dem Mars
    Diese Grafik der Esa zeigt, wie der Trace Gas Orbiter (TGO) in die Atmosphäre des Mars eindringt. (picture alliance / dpa / Esa / Atg Medialab / Handout)
    Arndt Reuning: Haben sich die Minister geeinigt?
    Dirk Lorenzen: Im Vorfeld hatte die ESA 11 Milliarden Euro haben wollen – nun wurden 10,3 Milliarden Euro bewilligt. Die Verhandlungen waren aber überraschend schwierig. Am meisten Aufsehen hat im Vorfeld die ExoMars-Mission erregt, die nun aber doch gerettet ist. ExoMars besteht aus zwei Teilen: einer Raumsonde, die seit Oktober um den Mars kreist. Viel wichtiger ist aber das fahrende Labor, das 2020 folgen und nach Leben suchen soll. Da fehlten noch mehr als 400 Millionen Euro. Die Testkapsel Schiaparelli war vor einigen Wochen abgestürzt – da drohte die Stimmung bei den Politikern zu kippen. Aber nun hat man sich zusammengerauft: Europas Lande-Rover wird in gut vier Jahren nach Leben auf dem Mars suchen, man hat noch einmal Geld nachgelegt.
    Reuning Welche anderen Projekte werden finanziert, welche nicht?
    Lorenzen: Die Asteroiden-Mission AIM wird es nicht geben. Dort wollte man einen Asteroiden, der einen Mond hat aus der Nähe erforschen. Die NASA schickt 2022 eine Sonde zu diesem Asteroiden und will untersuchen, ob sich so ein Objekt durch gezieltes Rammen ablenken lässt. Da geht es darum, kosmische Gefahren abzuwehren. Europa wollte dieses Projekt mit einer eigenen Sonde ergänzen. Aber diese europäische Mission wird es nicht geben, was hier viele ehrlich bedauern. Eine Verschiebung war nicht möglich, weil der Asteroid nur in sechs Jahren gut zu erreichen ist. Wichtig aus deutscher Sicht: Die ISS wird vier weitere Jahre betrieben nun bis 2024.
    Reuning Wie wichtig ist diese Entscheidung zur Raumstation?
    Lorenzen: Die USA, Russland und Japan hatten schon früher erklärt, die ISS noch bis 2024 zu betreiben. Europa hätte sich als Partner völlig blamiert, wäre man da früher ausgestiegen. Aber die Freude über die Raumstation ist nicht ungebrochen. Deutschland zahlt traditionell am meisten, etwa 40 Prozent. Da hat man jetzt rund 350 Millionen Euro auf den Tisch gelegt. Aber zum Beispiel Frankreich oder Italien sind da sehr zurückhaltend. Zugleich fördert man die Entwicklung neuer Möglichkeiten, mit kleineren Geräten in der Schwerelosigkeit zu forschen. Auch möchte man eine Rakete entwickeln, die für ganz kleine Satelliten geeignet ist, die nur 100 bis 200 Kilogramm wiegen.
    Reuning Europa ist in der Beobachtung der Erde traditionell stark. Wie geht es da voran?
    Weitere Missionen beschlossen
    Lorenzen: Es wurden weitere Missionen beschlossen, zum Beispiel FLEX. Da geht um Vegetation auf der Erde. Satelliten sollen genau messen, wie Pflanzen wachsen, ob sie gut gedeihen oder "Stress" haben. Da könnte man womöglich Erntemengen konkret voraussagen etc. Europa will weiter regelmäßig hoch spezialisierte Satelliten starten, die klare Forschungsaufgaben erfüllen, etwa Wind vom All per Laser aus messen oder die gesamte Biomasse überwachen.
    Reuning Es ist oft vom Moon Village die Rede, einer Basis auf dem Mond. Ist das ein Thema, bei dem die ESA mitmacht?
    Lorenzen: Das ist eine bisher sehr vage Idee. Das ist noch kein Projekt. Man plant aber, bei der Luna Resurs Mission in zehn Jahren gemeinsam mit den Russen eine robotische Mission auf dem Mond zu landen. Der Mond kommt allmählich wieder ins Blickfeld.
    Reuning Aus Ihrer Sicht: Wie steht Europa mit dieser Entscheidung nun da?
    Lorenzen: Man hat sich in schwierigen Zeiten halbwegs gut aus der Affäre gezogen. Ein Stop von ExoMars wäre ein katastrophales Zeichen gewesen. Dass die Asteroiden-Mission gescheitert ist, wird von allen bedauert. Man will bei diesem Thema weiter arbeiten, kann aber der konkreten NASA-Mission nicht teilnehmen, weil die eben 2022 erfolgt.
    Reuning Raumfahrt ist in vielem ein internationales Geschäft, auch über Europa hinaus. Welche Rolle spielt dabei die neue US-Regierung ab Mitte Januar?
    Lorenzen: Das ist die große Unbekannte. Man weiß nicht genau, was einen erwartet. Der ESA-Chef und auch die Chefin des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt fahren nächste Woche in die USA zu Gesprächen mit der NASA. Aber bevor die NASA einen neuen Chef hat – und das wird erst irgendwann nach Donald Trumps Amtsantritt sein – kann man da sicher nichts ganz Genaues sagen. Präsident Obama hat beim Amtsantritt das NASA-Programm stark verändert, vielleicht mischt auch Donald Trump die Karten neu.