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Essbare Schutzhaut

Zur Konservierung wird dem Wein seit alters her Schwefeldioxid zugegeben. Doch einige Menschen reagieren allergisch auf den Zusatzstoff. Lebensmittelchemiker des Technologie-Transfer-Zentrums (ttz) Bremerhaven entwickeln deshalb in einem EU-Projekt verträgliche Alternativen.

Von Christoph Kersting |
    "Wir fangen jetzt an, dass wir den Apfel unter Wasser schon mal schälen, damit nicht schon während der Arbeit der Apfel anfängt zu bräunen. Die Stücke werden dann für eine definierte Zeit in die Coating-Lösung gegeben, das sind Protein- oder Stärke-Lösungen, damit die sich schön ummanteln mit dem Produkt."

    Nur ein kleines Stück taucht Lebensmitteltechnikerin Michaela Linzen nicht in eine der Schalen mit den Protein- und Stärkelösungen, so hat sie später einen Vergleichswert. Besonders geeignet als Lösung sind Molkenprotein und Casein sowie Kartoffel- und Maisstärke, da diese geschmacks- und farbneutral sind und schnell den gewünschten Film bilden. Der verhindert den Kontakt mit Sauerstoff, der letztlich verantwortlich ist für die unschöne Braunfärbung von geschältem Obst und Gemüse.

    Diese essbare Haut soll künftig geschälte Kartoffeln und Obst in Kantinen oder an Salatbars fürs Auge frisch halten und damit die Verwendung von Schwefeldioxid überflüssig machen. SO2, so die chemische Bezeichnung, hat zunächst einmal zwei entscheidende Vorteile: Durch seine antioxidative Wirkung verhindert es die Bräunung und ist gleichzeitig Konservierungsstoff, weil es Mikroben abtötet. Trotzdem kann die Aufnahme von Schwefeldioxid über Lebensmittel zu Problemen führen, erklärt Projektleiter Hauke Hilz vom ttz Bremerhaven:

    "Es verhindert etwas die Vitamin-B1-Aufnahme, also wenn Sie dann Unmengen an Schwefeldioxid aufnehmen, wenn Sie sich also sehr einseitig ernähren, dann kann es mal zu Mangelerscheinungen kommen. Wichtiger sind Empfindlichkeitsreaktionen, ähnlich wie Allergien, kann zu Atemnot führen, kann Ausschlag oder so ein Kribbeln im Mund auslösen, Kopfschmerzen."

    Besonders betroffen sind Asthmatiker: Bereits geringe Mengen von zehn Milligramm SO2 können laut Hauke Hilz ausreichen, um einen Anfall bei diesen Menschen auszulösen.

    Der Protein- oder Stärkemantel als Schutz vor Sauerstoffkontakt ist dabei nur eine Alternative zu Schwefeldioxid. Um etwa die Bräunung von Rot- und vor allem Weißwein auch ohne Sulfite zu verhindern, geben die Forscher um Hauke Hilz dem Wein bestimmte Enzyme zu, die die sogenannte Polyphenoloxidase hemmen. So nennen Chemiker den Prozess, der letztlich zur Bräunung von Obst und Wein führt. Auch was das komplexe EU-Lebensmittelrecht angeht, sind die Forscher auf der sicheren Seite. Denn anders als Sulfit ist etwa die unsichtbare Haut lebensmittelrechtlich kein "Zusatzstoff", sondern eine "Zutat" und muss deshalb nicht aufwendige Zulassungsverfahren durchlaufen. Wie wirksam die künstliche Haut funktioniert, untersuchen die Forscher mit einem speziellen Scanner. Ein Xenonblitz misst dabei die unterschiedlichen Farbwerte der Fruchtstücke mit und ohne Ummantelung:

    "Nach den paar Minuten, die wir jetzt hatten, ist der Protein überzogene Apfel laut Farbmessgerät heller als der Standardapfel, den wir hier als Referenz liegen haben."

    In zwei Jahren sollen die Alternativen zu Schwefeldioxid marktreif sein, und bis dahin nicht nur unsichtbar, sondern auch geschmacklich völlig unauffällig:

    "Und er schmeckt noch nach Apfel, er hat noch ein ganz leichtes Gefühl an den Lippen, das vielleicht nicht apfeltypisch ist, da müssen wir noch ein klein wenig dran arbeiten, aber geschmacklich fällt es nicht auf, es ist nur ein leichtes Gefühl an Ober- und Unterlippe."