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Essbarer Datenspeicher

Biotechnologie. – Forscher des Göttinger Max-Planck-Instituts für biophysikalische Chemie haben Proteine gefunden, die als natürliche Lichtschalter fungieren können und damit auch Potential für die optische Datenspeicherung besitzen.

Von Björn Schwentker |
    Es ist ein ganz gewöhnlicher Kühlschrank, der in Martin Andresens Labor steht am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen. Nur der Inhalt ist ungewöhnlich: Abermillionen von Lichtschaltern. Jeder von ihnen ist nur einen Nanometer groß. Denn die Lichtschalter in Martin Andresens Kühlschrank sind Proteine, Bio-Moleküle.

    "Nehmen wir einfach mal die hier!"

    Der Biologe nimmt ein kleines Plastikschälchen aus dem Kühlschrank und öffnet es. Darin sind lauter grüne Flecken zu sehen, das sind Ansammlungen von Bakterien.

    "Diese Bakterien stellen dieses Protein her, und dieses Protein ist eben dieser Lichtschalter."

    Dieser Lichtschalter ist im Prinzip ein Farbstoff für die so genannte "Fluoreszenz-Mikroskopie". Damit kann man extrem kleine Details in lebenden Zellen sehen. Der Trick dabei: Einzelne Ausschnitte, etwa ein Organ der Zelle, lassen sich mit einem chemischen Stoff färben. Strahlt man dann die Zelle grün an, leuchtet nur der gefärbte Teil in roter Farbe zurück - er fluoresziert. Das Mikroskop filtert dann das rote Licht heraus und damit nur das Bild des kleinen, gefärbten Zellteils. Der biologische Lichtschalter ist ein ganz besonderer Farbstoff: Grünes Licht schaltet sein Leuchten an, blaues schaltet es aber wieder aus. Die Idee der Göttinger: Wenn sich von dem rot leuchtenden Zell-Organ mit blauem Licht bestimmte Teile wieder dunkel schalten lassen, bleibt noch weniger übrig, was rot leuchtet. Und das Mikroskop sieht noch feinere Details. Um diesen Effekt zu nutzen, wollten die Forscher zuerst ihren biologischen Minischalter besser verstehen. Dazu mussten sie ihn erst mal massenweise produzieren. Andresen:

    "Wir haben die Bakterien in großer Menge hergestellt und anschließend die Bakterienhülle aufgebrochen, so dass wir an das Protein drangekommen sind. Dann haben wir es noch von dem gesamten Rest an Proteinen, die auch in dem Bakterium herumschwimmen, getrennt."

    Und dann ging die Arbeit erst richtig los. In Kooperation mit mehreren Forschergruppen züchteten die Wissenschaftler reinste Kristalle aus den biologischen Lichtschaltern und hielten sie in einen Röntgenstrahl, um die Form des Protein-Moleküls zu bestimmen. Schließlich berechneten sie anhand der Ergebnisse, was darin beim Schalten vor sich geht. Es sind nur ganz wenige der Zigtausend Atome im Protein, die bei Bestrahlung mit blauem Licht regelrecht zum Schalter werden. Andresen:

    "Diese Gruppe von Atomen, die sich bewegt, ist verknüpft an den Rest des Proteins, mit zwei Bindungen letztendlich. Die klappen von einer Seite auf die andere Seite, quasi."

    Und diese winzige Bewegung reicht aus, um das Leuchten des Proteins an- oder auszuschalten. "Hula-Twist", haben die Wissenschaftler diese schwungvolle Atombewegung getauft. Und wollen nun mit ihren neuen Erkenntnissen noch bessere Bio-Schalter züchten für ihre neuen Mikroskope. Doch als sie sahen, wie gut sich ganze Kristalle aus den Minischaltern machen lassen, bekamen sie noch eine andere Idee. Man könnte daraus optische Datenspeicher bauen, glaubt Stefan Hell, Leiter der Göttinger Forschergruppe:

    "Wenn ich sozusagen ein Molekül ein- und ausschalten kann, dann kann ich mir vorstellen, ein Bit zu machen mit einem leuchtenden und einem nicht leuchtenden Zustand, und durch diese Anordnung der Moleküle in einem Kristall kann man sich vorstellen, einen optischen Datenspeicher, der die kleinstmöglichen Bits hat, und die höchstmögliche Dichte, nämlich molekular."

    Ein solcher Speicher wäre nicht nur extrem klein. Er wäre auch rein biologisch, das heißt essbar. Das könnte einmal die Pharmaindustrie interessieren, um Informationen auf Medikamenten zu speichern, etwa direkt auf einer Pille. Stefan Hell:

    "Man könnte das im Prinzip auf eine Pille packen, und könnte dann ein sehr hohes Maß an Information speichern, und könnte dann letztendlich - das ist natürlich sehr futuristisch - vorstellen, dass man überprüfen könnte, ob die Pille auch die Pille ist, die man nehmen soll."

    Bis so etwas geht, ist es noch ein weiter Weg, räumt Stefan Hell ein. So sei noch gar nicht klar, wie ein solcher Speicher überhaupt zu beschreiben und auszulesen sei. Aber: Sicher ist sicher, dachte sich der Göttinger. Und meldete den Bio-Kristall-Speicher schon mal als Patent an.