Die Abbau-Quote errechnet sich aus dem Mittel des Maximums. Das heißt, wir konnten das Maximum letztes Jahr voll ausschöpfen, weil das Wetter mitgespielt hat. Es war perfekt! Deshalb fragten die Kritiker, warum wir eine höhere Quote wollen, wenn wir die jetzige doch erreichen. Dieses Jahr haben wir aber bisher nur 40 Prozent der Quote geerntet. Aber niemand hat die Menge, die wir dieses Jahr weniger abbauen, einkalkuliert.
Die Abbau-Saison reicht von Juni bis September. Bis Anfang August hatte es in Estland viel geregnet, dann wurde es trocken und heiß. Ein schlechter Sommer für Tiidermann, weil er zwei Monate nicht abbauen konnte, auf die Trockenheit aber angewiesen ist. Außerdem klagt er über die Presse und die öffentlichen Diskussionen, die es ihm nicht leicht machen:
In Estland waren Journalisten vom Spiegel oder sonst woher zu Besuch, die einen Artikel über uns geschrieben haben. Seither sind wir die größten Kriminellen weltweit. Wir zerstören die gesamte Natur Estlands und so weiter. Und alles, was wir tun, ist böse, verstehen Sie?
Tiidermann sieht sich als Umweltsünder abgestempelt, ohne dass er die Anschuldigung nachvollziehen kann:
Aber eigentlich ernten wir hier nur Torf. Wir nutzen lediglich 7 Prozent der Moore Estlands, das ist so gut wie nichts! Außerdem hat jeder Landkreis in Estland eine Abbau-Quote. Hier in Pärnu sind es, soweit ich weiß, 435 000t, die jährlich abgebaut werden dürfen. Und diese Quote hat die Umweltbehörde ausgerechnet und festgelegt.
Einer der estnischen Umweltschützer und Moor-Experten ist Mati Ilomets. Er arbeitet am ökologischen Institut in Tallinn und erklärt, dass die estnischen Moore über 2,5 Milliarden Tonnen Torf enthalten. Eine Million Tonnen werden davon jährlich Torf abgebaut. Vergleiche man die Zahlen, würde der Abbau nicht sonderlich ins Gewicht fallen, so Ilomets:
Auf der anderen Seite haben wir aber Moorland, intaktes Moorland, das auf bestimmte hydrologische Bedingungen angewiesen ist - egal, ob es entwässert ist oder nicht. Große Flächen an Moorland sind jedoch in früheren Zeiten für die Land- und Forstwirtschaft entwässert worden, so dass von der gesamten Moorfläche Estlands, die über 1 Million ha beträgt und 2,5 Milliarden Torf enthält, über die Hälfte entwässert oder vom Menschen beeinträchtigt sind.
Der Druck noch mehr Torf abzubauen werde in Zukunft wachsen - vor allem die Nachfrage nach Weißtorf, der die oberen Schichten der Moore bedeckt und ein guter Wasserspeicher ist. Die westlichen Industrienationen haben ihren eignen Weißtorf aufgebraucht, weshalb er bei ihnen besonders begehrt sei, so Ilomets weiter.
Inwieweit die Zerstörung der Moore gebremst werden kann, wird seit Jahren erforscht. Ein möglicher Ausweg wäre das gezielte Kultivieren von Torfmoosen erklärt Ilomets.
Im Laufe der letzten Jahre haben Wissenschaftler häufig über den Anbau von Torfmoosen diskutiert. Das bedeutet, dass es möglich ist, Torfmoose anzupflanzen wie wir es etwa auch mit Blumen machen. Dieser Anbau wird eine nachhaltige Nutzung von Torf sein und ich denke, diese Art von Torfanbau hat auf jeden Fall eine Zukunft.
Aber nicht nur der Anbau von Torfmoosen stellt eine Alternative dar. Schließlich wurde Blumenerde ursprünglich aus Kompost hergestellt, was viele inzwischen vergessen haben, wie die Iren, erzählt Ilomets:
In Irland wird den Leuten beigebracht, wie man Kompost-Erde macht. Denn sie wissen nicht mehr wie das geht. Für uns in Estland ist das natürlich interessant zu hören, weil die meisten Esten ihre Erde selber machen. Und in Estland benutzen die Hobbygärtner kaum Torf, das ist nicht üblich.
Vor dem Hintergrund der aktuellen Nachhaltigkeitsdiskussion wird es zunehmend wichtig, sich künftig auf die Natur schonende und traditionelle Produktionsweise von Blumenerde zu besinnen - ob aus kultivierten Torfmoosen oder aus Kompost.