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Estnisches Genomprojekt im Aufwind

Medizin. - Zwar ist das menschliche Erbgut seit mittlerweile sechs Jahren vollständig entziffert, dennoch treffen sich die Erbgut-Forscher jedes Jahr, um Ergebnisse auszutauschen und neue Projekte zu planen. Auf der internationalen Humangenom-Konferenz im kanadischen Montreal stehen die Biobank-Projekte – also das Sammeln von Blutproben und Gesundheitsdaten im Mittelpunkt.

Von Martin Winkelheide | 22.05.2007
    Es war lange still um das estnische Genomprojekt. Doch jetzt, so Andres Metspalu von der Universität Tartu, gibt es gute Nachrichten: Es geht weiter. Die Finanzierung des Forschungsprojektes ist gesichert. Dafür sorgt der estnische Staat - mit Steuermitteln. Geplant war das ursprünglich ganz anders.

    "Als wir 2002 mit dem estnischen Genomprojekt begannen, setzten wir vor allem auf private Geldgeber. Das meiste Geld kam aus den USA. Nach zwei Jahren aber haben sich die Geldgeber herausgezogen, sie wollten praktische Dinge finanzieren – wie etwa klinische Studien."

    Ursprünglich wollte Andres Metspalu Blutproben von rund einer Million Esten sammeln – und Daten über deren Gesundheit. Das Genomprojekt sollte den kleinen baltischen Staat in die erste Liga der Forschungsnationen katapultieren. Die Daten aus dem Genomprojekt würden Estland attraktiv machen für Pharmafirmen, die neue Medikamente entwickeln und testen wollten. So der Traum von Andres Metspalu. Das Genomprojekt aber war beendet – kaum dass es begonnen hatte.

    "Die Estnische Biobank hat 10.317 Proben gesammelt, bis das Geld ausging. Wir hatten gerade noch genug Mittel, um die Infrastruktur zu sichern. Aber wir mussten alle Angestellten entlassen. Nur das Fachwissen konnten wir retten."

    Jetzt hat das Estnische Genomprojekt neu begonnen. Aus der privaten Stiftung wurde ein öffentlich gefördertes Universitätsprojekt. Statt auf schnelle Erfolge setzt Metspalu nun auf langsamen stetigen Zuwachs. Und auf die Zusammenarbeit mit Kollegen anderer Forschungsinstitute.

    "Wenn wir ein neues Risiko-Gen für Asthma entdecken, dann hat das auch für Menschen in Deutschland oder Italien Bedeutung – und wenn in Großbritannien Diabetes-Gene entdeckt werden, dann sind die genauso für uns Esten wichtig."

    Aus dem Vorreiter Andres Metspalu wurde ein Akteur unter vielen.

    "Inzwischen gibt es weltweit über 24 große Biobanken, die mehr als 10.000 Proben gesammelt haben. Und um die 60 Biobanken werden gerade aufgebaut."

    In Großbritannien entsteht die größte Biobank der Welt. Auch Japan und neuerdings Kanada planen ähnliche Projekte.

    "Die großen, reichen Staaten können sehr viel schneller große Mengen Blutproben und Daten sammeln. Aber immerhin: Wir mischen noch mit. Und das macht mich glücklich."

    Aber Andres Metspalu von der Universität Tartu weiß auch: Der Traum von der Vorreiter-Rolle Estlands in der Bio-Technologie ist erst einmal ausgeträumt.