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ETH Zürich in der Krise

Als an der ETH Zürich vergangenes Jahr das 150jähriges Bestehen gefeierte wurde, präsentierten die Repräsentanten der Hochschule einen ehrgeizigen Plan. Unter dem Stichwort "ETH 2020" sollte die Hochschule zu den zehn besten Universitäten der Welt gehören. Das ehrgeizige Ziel brachte einen ehrgeizigen Präsidenten ins Amt, der jetzt aber von seinem Amt zurücktreten musste.

Von Thomas Wagner |
    Wenn beim Züricher ETH-Tag das akademische Orchester aufspielt, tragen der Rektor und die Vertreter befreundeter Hochschulen ihre goldenen Amtsketten. Aber: Die Ereignisse der vergangenen Wochen trüben die Festtagslaune.

    "Steckt die ETH-Zürich in einer Fürhugnskrise ? Hat die ETH Zürich ein Führungsproblem?"

    Professor Alexander Zehnder ist Präsident des ETH-Rates, eine Art übergeordnetes Aufsichtsgremium der Eidgenössisch-Technischen Hochschule. Mit der Frage nach einem Führungsproblem spricht er den Rücktritt des ETH-Präsidenten Professor Ernst Hafen an. Dessen Pläne für eine grundlegende Reform der Hochschule stieß auf den geballten Widerstand der Professoren. Ein Vorschlag zielte darauf ab, die bestehenden Departments, die vergleichbar sind mit Fakultäten, aufzulösen und in neun so genannten "Schools" aufgehen zu lassen..

    "Der Widerstand gegen diesen Vorschlag kam nicht so sehr von der Sache her, sondern daher, dass man keine echte oder vertiefte Diskussion führen konnte über die Details"
    so Professor Konrad Osterwalder, Rektor der ETH Zürich.

    "Zum Beispiel: Würden innerhalb dieser Schools diese Departemente weiterexistieren? Oder würde alles in einen großen zusammen gefasst? Wir hatten erst vor kurzem viele Kompetenzen von der Hochschulleitung an die Departemente delegiert. Die Departemente haben angefangen, in ihrer neuen Autonomie zu leben. Und die Frage war dann: Was geschieht jetzt mit dieser Autonomie? Geht die wieder weg? Geht die auf die Ebene der Schule? Und schließlich: Wer leitet so eine Schule: Das wären dann 'Deans' gewesen. Werden die Deans eingesetzt von oben, oder werden die gewählt von der Professorenschaft? Was sind die Kompetenzen dieser Deans? Das sind alles Fragen, die hingen in der Luft. Die wurden angesprochen in der Professorenschaft. Aber es gab keine wirklich offene Diskussion zwischen der Schulleitung und den involvierten Professoren"."

    Und genau das war der 'Knackpunkt' der angedachten Reform: Der Strukturwandel sollte, so der Vorwurf, wie in einer börsennotierten Aktiengesellschaft im 'Hau-Ruck-Verfahren' durchgezogen werden , ohne ausführliche Beratungen und Mitwirkung der Professoren. Hinzu kam ein weiteres: Der zurückgetretene ETH-Präsident wollte die Führungsebene der ETH verschlanken. Die besteht aus einem Präsidenten und einem zusätzlichen Rektor. Der Präsident hat weit reichende Kompetenzen, beispielsweise bei der Berufung neuer Professoren. Er wird vom ETH-Rat gewählt. Der Rektor wird zwar ebenso vom ETH-Rat eingesetzt. Allerdings haben hier die Professoren ein Vorschlagsrecht. Diese "Doppelspitze" hört sich kompliziert an - und ist es auch ein wenig, so Armin Zehnder, Vorsitzender des ETH-Rates:

    " "Diese Doppelspitze lähmt schon viele Sachen. Die Frage, und daran haben sich die Diskussion entzündet: Haben die Professoren das Recht, jemanden vorzuschlagen, der sich in der Schulleitung für sie einsetzt? Und das wurde ihnen von der Schulleitung nicht zugestanden, und das war die Bombe."

    Jetzt ist die Bombe explodiert; der reformfreudige Züricher ETH-Präsident warf das Handtuch. Doch wie geht es weiter. Einhellige Meinung in Zürich: eine Hochschule wie die ETH muss reformiert werden - aber behutsam. Und: Man muss sich, so ETH-Ratsvorsitzender Zehnder, schon genau überlegen, wo man abspecken kann.

    "Es macht Sinn bei den administrativen Abläufen. Wenn das konzentriert wird, dann haben die Professoren auch mehr Freiheit, um für Forschung und Lehre sich einzusetzen. Wo es keinen Sinn macht, ist bei den Inhalten der Hochschule. Und diese Zweiseitigkeit wurde zu wenig deutlich gemacht in den ganzen Diskussionen. Und die Professoren und die Hochschulmitglieder hatten eigentlich Angst, dass es auch im inhaltlichen quasi zu einem Konzentrieren der Kräfte geht. Und da hat man sich gefragt: Warum ist man überhaupt da?"

    Reduzierung der Fakultäten, Bündelung der Kompetenzen, Verschlankung der Leitungsebene - mag der einstige ETH-Präsident in Zürich mit einem solchen Konzept gescheitert sein, so hören sich diese Stichworte doch auch für deutsche Ohren verlockend an. Mit unter den Festgästen. Professor Gerhart von Graevenitz, Rektor der Uni Konstanz. Auch in Konstanz wurden die klassischen Fakultäten zu so genannten "Super-Fakultäten" zusammengelegt, weitere Reformschritte sind nicht ausgeschlossen. Allerdings, so Gerhard von Graevnitz, wird das Züricher Beispiel eine Lehre dafür sein, wie eine erfolgreiche Hochschulreform funktioniert - und wie eben auch nicht.

    "Also mitnehmen kann man: Schmale Entscheidungsspitze ist gut, aber nur wenn es eine breite Mitsprache gibt der ganzen Träger von Innovation und Kreativität. Man muss eben Rahmenbedingungen schaffen, dass sich die hochkarätigen Leute entfalten können. Programmplanung, Planwirtschaft überhaupt, kann ganz schnell an die Wand fahren. Das hat man an der ETH erlebt."