Dienstag, 16. April 2024

Archiv

Ethik des Hochleistungssports
Keine Maxime mehr des "Schneller, Höher, Stärker"

Im Streben nach sportlichen Rekorden geht es bald nicht mehr ohne technologische Eingriffe, sagen Wissenschaftler. Reinhard Merkel, Rechtsphilosoph und Mitglied im Deutschen Ethikrat, hält das für eine falsche Entwicklung. Am Ende würde dadurch der Sport zerstört werden, sagte er im Dlf.

Reinhard Merkel im Gespräch mit Jessica Sturmberg | 17.02.2019
    Teilnehmer des 29. Frankfurt Marathon laufen am Sonntag (31.10.2010) durch die Innenstadt von Frankfurt am Main. Insgesamt beteiligten sich nach Veranstalterangaben mehr als 12.000 Läuferinnen und Läuder an dem Sportspektakel, das als ältester deutscher Stadtmarathon gilt.
    Der absolute Anspruch des "Schneller, Höher, Stärker" markiere eine nicht angemessene Grenzenlosigkeit, meint der Rechtsphilosoph Reinhard Merkel. (picture alliance / dpa / Boris Roessler)
    Die Vision einer fortschreitenden Technisierung des Sports, einer Aufrüstung, in dem beispielsweise Exoskelette, Nanobots oder Bioprinting zum Einsatz kommen, müssten die Sportorganisationen dazu veranlassen, zur Grundidee zurückzukehren, erläutert Reinhard Merkel. Diese bestehe für jedes Individuum in der Verbesserung seiner selbst. So wie Immanuel Kant davon gesprochen habe, dass es zu den Pflichten eines Menschen gehöre, seine eigenen Fähigkeiten zu entwickeln, stehe der Athlet sinnbildlich dafür.
    Diese Fähigkeiten dürften aber nicht durch technische bzw. biotechnische Eingriffe erweitert werden. Damit sei nicht gemeint, dass der Sport sich der wissenschaftlichen Fortentwicklung verschließen müsse. Die Grenze, die der Sport ziehen müsse, sei die Grenze der Haut des Sportlers. "Wenn da eingedrungen wird in den Körper, um den Körper selbst zu technisieren ... oder ins Gehirn eingedrungen wird um mentale Verbesserungen durch substanzielle Gehirneingriffe vorzunehmen ..., dann beginnt der Sport seine Grundidee aufzugeben."
    Was für Roboter, Cyborgs oder Ingenieure möglich sei, sei nicht das, was die olympischen Idee mit dem Athleten verbindet und dies sollte auch nicht verbunden werden, forderte Merkel: "Denn dadurch würde der Sport seinen Charakter substanziell wandeln."
    Destruktive Kräfte durch Einsatz technischer Mittel
    So dürfe auch nicht mehr weiter die Maxime des "Schneller, Höher, Stärker" gelten. Jedenfalls nicht als gesellschaftliches Ideal, weil es eine Grenzenlosigkeit suggeriere, die durch den Einsatz technischer Mittel die destruktiven Kräfte verstärken würde. Diese Maxime sollte vielmehr auf das individuelle Sportlerdasein zurückgenommen werden, fordert Merkel.
    Die Authentizität des Athleten liege in der Geschichte, wie ein Mensch zu seiner außergewöhnlichen Leistungsfähigkeit komme. Darin begründe sich auch sein Lohn, der Ruhm. Das Publikum bewundere einen 100-Meter-Läufer wie Usain Bolt dafür, dass er dies als Mensch geschafft habe. "Nun stelle man sich daneben jemanden vor, bei dem im Embryonalstadium ein Eingriff ins Genom vorgenommen wird, der ihn später auch mit durchschnittlichem Talent und wenig Training befähigt, 100 Meter in 8,5 Sekunden zu laufen. Niemand würde das bewundern."
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.