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Etikettenschwindel bei Lebensmitteln

Die Verbraucherorganisation foodwatch hat fünf Nahrungsmittelprodukte im Internet an den Pranger gestellt. Artikel, bei denen auch Markenhersteller irreführend auf die Werbepauke hauen. Noch zwei Wochen lang können Verbraucher unter Abgespeist.de abstimmen.

Von Philip Banse | 08.04.2010
    Kandidat Nummer eins ist die Pasta-Sauce "Bertolli gegrilltes Gemüse" des Lebensmittelriesen Unilever. Sie wird beworben mit dem Slogan "Verbesserte Rezeptur". Damit würden die Verbraucher getäuscht, sagt Martin Rücker von Foodwatch. Seine Organisation habe die alte und die angeblich verbesserte Pasta-Soße untersucht.

    "Und wir haben gesehen, dass es in Wirklichkeit eine Verschlechterung der Zutaten ist. Früher war es ein rein natürliches Produkt aus rein natürlichen Bestandteilen. Heute ist Aroma hinzugefügt, es ist der Geschmacksverstärker Hefeextrakt hinzugefügt und es ist der Zusatzstoff E330, also Zitronensäure, hinzugefügt. Das war alles früher im Produkt nicht drin, das kann man nicht als eine Verbesserung verkaufen."

    Kann man sehr wohl, entgegnet Merlin Koene, Sprecher von Unilever Deutschland, von Täuschung will er nichts wissen. Trotz Hefeextrakt und E330 - das neue Rezept sei besser, weil die Soße Verbrauchern besser schmecke:

    "Wir haben unsere Produkte mit Verbraucherinnen getestet und haben verschiedene Rezepturen einfach durchprobiert. Und in dem Zusammenhang haben wir das Produkt, das jetzt auf dem Markt ist, als das identifizieren können, was am besten bei den Verbraucherinnen ankommt. Deswegen ist es eine verbesserte Rezeptur."

    Kandidat Nummer zwei ist "Der Gelbe Zitrone-Physalis" von Pfanner. Auf der Getränkepackung wird auf den "Gelben Tee" hingewiesen, der als besonders wertvoll gilt – in dem Produkt aber nur zu 15 Prozent vertreten ist, der Rest sei Kräutertee, sagt Martin Rücker von Foodwatch:

    "Außerdem ist die Aufmachung dieses Produkts ganz große mit vielen Physalis-Früchten auf der Verpackung. Die finden sich nicht mal in Spuren im Getränk, obwohl da eine süße Frucht der Verführung angekündigt wird. Sondern da gibt es einfach Aroma, das aus anderen Stoffen hergestellt wird, das den Geschmack von Physalis nachahmt. Also, eine ganz besonders dreiste Schwindelei mit der Verpackung: Früchte vorne drauf, keine Früchte drin. Pfanner hat inzwischen erklärt, man habe sich auf die Suche nach Physalis-Saft begeben, möchte also an der Rezeptur etwas ändern. Das könnte also Einsicht geben. Wir sind gespannt."

    Auf eine Anfrage mit der Frage, wie man ein Getränk Physalis nennen kann, ohne dass Physalis drin ist, hat Pfanner nicht rechtzeitig zur Sendung reagiert. Kandidat Nummer drei in der Foodwatch-Liste für den Windbeutel 2010 ist die Brause "Beo Heimat Apfel & Birne" des Brauereiriesen Carlsberg. Die Brause wird beworben als "Bioerfrischung" aus "rein natürlichen Zutaten" für alle, die "nachhaltig und gesund" leben. Auch das ein Etikettenschwindel sagt Foodwatch:

    "Tatsächlich ist es so, dass in dieser Apfel- und Birnenlimonade Äpfel und Birnen gar nicht drin sind, sondern der Geschmack mit Aromen hergestellt wird. Und das, was Bio ist, ist Zucker und Gerstenmalz-Extrakt, macht im Ganzen 5,5 Prozent aus, hat also mit Natürlichkeit, mit Heimatgefühl relativ wenig zu tun. Der Verbraucher sieht nur das Etikett und glaubt, er hat da eine natürliche Biolimonade mit Apfel- und Birnensaft drin, das ist nicht der Fall. Also eine ganz klare Irreführung der Verbraucher."

    Carlsberg entgegnet Foodwatch gegenüber, alles sei vorschriftsmäßig deklariert. Ähnliches gilt für die Kandidaten vier und fünf. Die "Duett Champignon Creme-Suppe" wird von Escoffier als "Kochkreation" beworben, sei nichts weiter als eine überteuerte Tütensuppe in der Dose, sagt foodwatch.

    Kandidat Nummer 5, der "Monte Drink". Hersteller Zott suggeriere, Monte sei gesund, mit "wertvollem Traubenzucker", ein "idealer Begleiter für Schule und Freizeit". Doch stecke in dem "Milchmischgetränk" mehr Zucker als in der gleichen Menge Coca Cola. Zott teilt dem Deutschlandfunk schriftlich mit, Getränke ohne Zucker würden nicht gekauft. Man müsse also den gewünschten "Süßegeschmack" herstellen – mit "so wenig Zucker wie möglich".

    All diese Beispiele seien nicht illegal, sagt Foodwatch. Die Unternehmen würden geschickt alle Lücken und Spielräume nutzen. Foodwatch setzt auf den Druck der Verbraucher: Den können diese erzeugen auf Abgespeist.de. Mit einem Klick bei einem der fünf Kandidaten kann jeder seinen Etikettenschwindler dem Windbeutel 2010 ein Stück näher bringen und für negative PR sorgen.